Grenzöffnung Vacha Buntes Spektakel und Furcht vor einer neuen Teilung

Die Brücke der Einheit in leuchtend bunten Farben: Das Lichtkunstspektakel begeisterte die Gäste beim Festakt anlässlich 32 Jahre Grenzöffnung in Vacha. Nachdenklich stimmte die Rede des Bürgermeisters, in der er darauf einging, was in Zeiten von Corona offensichtlich wird.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Vacha - Die Feier zum Tag der Grenzöffnung auf der Werrabrücke, die Vacha und Philippsthal verbindet, war schon immer etwas Besonderes. Schon beim offiziellen Teil und auch später, als die Besucher gemeinsam in Erinnerungen schwelgten, lebten die Geschehnisse vom 9. November 1989 – beziehungsweise vom 12. November, als sich auch die Grenze in Vacha öffnete – auf. Das Glücksgefühl aus jener Zeit war wieder spürbar. So war es auch dieses Mal – zudem wurde den Besuchern ein faszinierendes Spektakel geboten: Anlässlich 75 Jahre Hessen hatte das Nachbarbundesland das Künstlerehepaar Daniela und Pascal Kulcsár engagiert, das noch bis zum 1. Dezember insgesamt 30 Sehenswürdigkeiten, Naturdenkmäler und Gebäude in den Abendstunden bunt illuminiert.

Vacha sei der 25. von 30 Standorten für das Kunst-Projekt „Flashlines“ (Blitzlinien), berichtete Pascal Kulcsár. Und es handele sich um „die einzige Projektion, die ein bisschen knapp außerhalb von Hessen stattfindet“. Angestrahlt wurde die Werrabrücke von Thüringer Seite aus – aber wie immer war die hessische Partnergemeinde Philippsthal, genauso wie die Krayenberggemeinde, Mitveranstalter.

„Unsere Lichtkunst ist ganz bunt“, hatte Pascal Kulcsár angekündigt – und dann gemeinsam mit seiner Frau die Werrabrücke in dunkler Nacht leuchtend in Szene gesetzt. Die Besucher konnten an dem Kunstspektakel interaktiv mitwirken. Davon machten viele begeistert Gebrauch, indem sie mit ihren Smartphones die Farben der Projektion oder die Animationsart veränderten. Kinder hatten viel Spaß bei lustigen Schattenspielen.

„Ich bin sehr glücklich, dass wir Ihnen“ – nach dem coronabedingten Ausfall der Feier 2020 – „in diesem Jahr mit dem Lichtkunstwerk ein großes Highlight bieten können“, hatte Bürgermeister Martin Müller (CDU) zuvor beim offiziellen Festakt gesagt. Dieser fand auf dem Vachwerkparkplatz statt, wo auch Speisen und Getränke angeboten wurden. Das Gelände war eingezäunt; rein kam nur, wer nachweisen konnte, dass er geimpft, genesen oder negativ getestet ist.

Der Geburtstag Hessens „sollte bunt, fröhlich und landesübergreifend gefeiert werden“, sagte der Philippstaler Bürgermeister Timo Heusner (SPD). Und die Brücke der Einheit, „dieser historische Ort, wo Geschichte greifbar und erlebbar ist“, sei „der ideale Schauplatz“ für „dieses schöne Lichtkunst-Event“.

In seiner Rede schlug Martin Müller auch nachdenkliche Töne an: Seit der Wiedervereinigung Deutschlands seien alte und neue Bundesländer zusammengewachsen. „Leider spüre ich heute wieder eine Teilung in unserem Land“ – allerdings nicht mehr zwischen Ost und West, sondern quer durch die Gesellschaft. „Eine Teilung in diejenigen, die die Corona-Maßnahmen grundsätzlich unterstützen und diejenigen, die diese Maßnahmen grundsätzlich ablehnen.“ Während die einen sich impfen ließen und Einschränkungen als notwendiges Übel akzeptierten, lehnten die anderen all das konsequent ab. Während die einen Wissenschaftlern, Medizinern und Fachbehörden vertrauten, „glauben andere lieber den Informationen und Halbwahrheiten der sozialen Netzwerke“.

Dahinter stehe eine Entwicklung, „die mir schon seit Längerem zu denken gibt“, sagte Martin Müller. „Vor 30 Jahren, zur Wendezeit, haben Tagesschau und Tageszeitungen den Menschen die Welt erklärt“, so Martin Müller. „Verschwörungstheorien kursierten allenfalls in kleinsten Kreisen.“ Heute erklärten Tagesschau und Zeitung immer noch die Welt. „Aber immer weniger Menschen schauen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder lesen Zeitung.“ Stattdessen werde das Internet als Informationsquelle genutzt. „Viele leben in informellen Blasen. Abstruse Verschwörungstheorien reichen bis in die Mitte der Gesellschaft. Was früher noch Stammtischreden waren, ist heute zu offener Hetze und Hass im Internet geworden.“ Das habe gravierende Folgen. 1989 seien die Menschen in der DDR für Meinungsfreiheit und Demokratie auf die Straße gegangen. „Aber Demokratie ist kein Selbstläufer, sondern sie ist harte Arbeit und muss jeden Tag erkämpft werden“, mahnte Martin Müller und forderte: „Informieren Sie sich vielfältig, schauen Sie über Ihren eigenen Tellerrand hinaus. Reden Sie miteinander und hören Sie einander zu. Nur dann verspielen wir nicht die Errungenschaften der friedlichen Revolution 1989“, befand er.

Peter Neumann (parteilos), Bürgermeister der Krayenberggemeinde, warb dafür, „dass wir den Mut aus dieser Zeit wieder mit rübernehmen und immer weiter zusammenwachsen“. Und Franziska Freiberg, evangelische Pfarrerin der Krayenberggemeinde, unterstrich, wie wichtig ein vernünftiges Zusammenleben trotz unterschiedlicher Ansichten ist – im Gespräch zu bleiben und zu diskutieren. Sie selbst sei, als die Mauer fiel, nicht einmal drei Jahre alt gewesen und froh, dass sie im vereinten Deutschland, mit allen Vorteilen, die ihr das brachte, aufgewachsen ist. „Nein, ich war nicht dabei damals“, sagte sie. Aber sie wisse sehr wohl, „welchen Wert Freiheit hat.“ Die christliche Freiheit vereine die unterschiedlichsten Menschen und Meinungen.

Die Bergmannskapelle aus Hattorf umrahmte den Festakt musikalisch. Zum Abschluss erklangen die Nationalhymne und das Steigerlied.

Autor

Bilder