In seiner Rede schlug Martin Müller auch nachdenkliche Töne an: Seit der Wiedervereinigung Deutschlands seien alte und neue Bundesländer zusammengewachsen. „Leider spüre ich heute wieder eine Teilung in unserem Land“ – allerdings nicht mehr zwischen Ost und West, sondern quer durch die Gesellschaft. „Eine Teilung in diejenigen, die die Corona-Maßnahmen grundsätzlich unterstützen und diejenigen, die diese Maßnahmen grundsätzlich ablehnen.“ Während die einen sich impfen ließen und Einschränkungen als notwendiges Übel akzeptierten, lehnten die anderen all das konsequent ab. Während die einen Wissenschaftlern, Medizinern und Fachbehörden vertrauten, „glauben andere lieber den Informationen und Halbwahrheiten der sozialen Netzwerke“.
Dahinter stehe eine Entwicklung, „die mir schon seit Längerem zu denken gibt“, sagte Martin Müller. „Vor 30 Jahren, zur Wendezeit, haben Tagesschau und Tageszeitungen den Menschen die Welt erklärt“, so Martin Müller. „Verschwörungstheorien kursierten allenfalls in kleinsten Kreisen.“ Heute erklärten Tagesschau und Zeitung immer noch die Welt. „Aber immer weniger Menschen schauen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder lesen Zeitung.“ Stattdessen werde das Internet als Informationsquelle genutzt. „Viele leben in informellen Blasen. Abstruse Verschwörungstheorien reichen bis in die Mitte der Gesellschaft. Was früher noch Stammtischreden waren, ist heute zu offener Hetze und Hass im Internet geworden.“ Das habe gravierende Folgen. 1989 seien die Menschen in der DDR für Meinungsfreiheit und Demokratie auf die Straße gegangen. „Aber Demokratie ist kein Selbstläufer, sondern sie ist harte Arbeit und muss jeden Tag erkämpft werden“, mahnte Martin Müller und forderte: „Informieren Sie sich vielfältig, schauen Sie über Ihren eigenen Tellerrand hinaus. Reden Sie miteinander und hören Sie einander zu. Nur dann verspielen wir nicht die Errungenschaften der friedlichen Revolution 1989“, befand er.
Peter Neumann (parteilos), Bürgermeister der Krayenberggemeinde, warb dafür, „dass wir den Mut aus dieser Zeit wieder mit rübernehmen und immer weiter zusammenwachsen“. Und Franziska Freiberg, evangelische Pfarrerin der Krayenberggemeinde, unterstrich, wie wichtig ein vernünftiges Zusammenleben trotz unterschiedlicher Ansichten ist – im Gespräch zu bleiben und zu diskutieren. Sie selbst sei, als die Mauer fiel, nicht einmal drei Jahre alt gewesen und froh, dass sie im vereinten Deutschland, mit allen Vorteilen, die ihr das brachte, aufgewachsen ist. „Nein, ich war nicht dabei damals“, sagte sie. Aber sie wisse sehr wohl, „welchen Wert Freiheit hat.“ Die christliche Freiheit vereine die unterschiedlichsten Menschen und Meinungen.
Die Bergmannskapelle aus Hattorf umrahmte den Festakt musikalisch. Zum Abschluss erklangen die Nationalhymne und das Steigerlied.