Energieversorgung Umweltverband fordert dezentrale Stromversorgung

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Wie soll die Stromversorgung der Zukunft aussehen? Und welche Leitungen werden dafür gebraucht? Darüber streiten Gegner und Befürworter der großen Gleichstromtrassen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat beim Wirtschaftswissenschaftler Lorenz Jarass ein weiteres Gutachten zum Netzausbau in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist das altbekannte: Trassen wie der Südlink seien unnötig und zu teuer.

 
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Erfurt/ Frankfurt - Die Landesverbände Thüringen und Hessen des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bekräftigen ihre Ablehnung für den Neubau der Stromtrasse Südlink durch beide Bundesländer. Mit dem Erdkabel wollen die Netzbetreiber Tennet und TransnetBW Strom in großen Mengen von Nord- nach Süddeutschland transportieren. Für das Bauprojekt läuft inzwischen in allen Abschnitten das Planfeststellungsverfahren.

Ein am Mittwoch vorgestellten Gutachten im Auftrag des BUND stellen die Gutachter die Notwendigkeit des Südlink jedoch in Frage. Der Wirtschaftswissenschaftler Lorenz Jarass und der Stromnetzberater Carsten Siebels, die auch schon Gutachten im Auftrag des Zusammenschlusses der Bürgerinitiativen gegen den Netzausbau angefertigt haben, kommen auch in ihrem jüngsten Papier im Auftrag des BUND zu dem Ergebnis, dass Südlink nur für seltene Stromlastspitzen erforderlich sei. Mit regionaler Stromerzeugung und -nutzung könnten diese Spitzenwerte weitaus kostengünstiger und umweltfreundlicher bedient werden. Dafür müssen jetzt Änderungen im Energierecht auf den Weg gebracht werden.

„Das Gutachten stellt die laufenden Planungsverfahren für die Stromleitung Südlink komplett in Frage. Es rechnet erstmals die Belastung des Stromnetzes stundenweise auf Basis des Netzentwicklungsplans 2030 durch – mit einem fatalen Ergebnis: Der Leitungsbau hat sich bisher ausschließlich am Spitzenbedarf orientiert und zu keiner Zeit finanzielle Aspekte einbezogen. Tatsächlich übersteigen die Kosten für diese 600 km lange Leitung in Höhe von zehn Milliarden Euro ihren Nutzen bei weitem“, sagte Werner Neumann, Sprecher Arbeitskreis Energie des BUND, zur Veröffentlichung der Studie.

Aus Sicht des Verbandes seien dezentrale Stromnetze nicht nur kostengünstiger, sondern auch umweltschonender. Seit zehn Jahren protestiere der Verband gegen den überdimensionierten Stromnetzausbau und habe bereits unzählige Stellungnahmen mit Vorschlägen für Alternativen eingereicht. Diese würden bisher, ebenso wie die Einwände zahlreicher Bürgerinitiativen, von der Bundesnetzagentur und den Stromnetzbetreibern ignoriert.

Unterstützung für das BUND-Gutachten kommt vom Deutschen Institut für Wirtschaft. Die dortige Energie-Expertin Claudia Kemfert hatte im April aufgezeigt, dass eine dezentral organisierte Energiewende mit deutlich weniger neuen Stromtrassen auskommt.

Neumann: „Wir müssen endlich die längst überfälligen Änderungen im Energierecht auf den Weg bringen und den Weg für dezentrale Stromnetze freimachen. Die EU-Kommission hat den Weg für ‚Erneuerbare Energie Gemeinschaften‘ geebnet. Hier können Erzeuger und Nutzer Strom regional austauschen, speichern und handeln. Das entlastet nicht nur die Netze, sondern bringt die Energiewende in Bürgerhand. Die Bundesregierung behindert diese Entwicklung bisher. Wollen wir eine echte Energiewende auf den Weg bringen, muss sich das dringend ändern.“

Robert Bednarsky, Landesvorsitzender des BUND Thüringen ergänzte: „Regionale und dezentrale Stromnetze in Bürgerhand sind das Rückgrat der Energiewende. Überdimensionierte Stromtrassen wie Südlink blockieren dagegen umweltfreundliche und kostengünstige Stromversorgung. Wir fordern daher eine grundlegende Änderung der Stromnetzplanung unter dem Gesichtspunkt des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Der Ausbau Erneuerbarer Energien muss in Bürgerhand. Dafür gilt es jetzt, die veralteten Regeln des Strommarktes anzupassen.“

Bereits Anfang Mai hatte Jarass in einem Gutachten für den Zusammenschluss der Bürgerinitiativen festgestellt, dass die Planungen des Netzentwicklungsplanes aus seiner Sicht gegen geltendes EU-Recht verstoßen. So verlange die EU für Neubauprojekte eine Kosten-Nutzen-Analyse. Diese fehle im Netzentwicklungsplan generell. Würde sie aber angelegt, so fiele sie vor allem bei den großen Stromautobahnen wie Südlink oder Südost-Link negativ aus. Daher dürften die Leitungen nicht gebaut werden. Die Bürgerinitiativen prüfen auf Grundlage dieses Gutachtens aktuell, welche rechtlichen Schritte sie einleiten könnten.

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