Ein falscher Pfarrer Die Westhäuser machen jetzt Theater

Wolfgang Swietek

Die Verwechslungskomödie „Aber, aber Herr Pfarrer“ erlebte am Wochenende seine erfolgreiche Premiere in Westhausen. Gleich dreimal musste sie gespielt werden. Die Einwohner gehen in dem Stück selbst auf die Bühne.

 
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„Guten Abend, liebe Leut’. Ihr wisst gar nicht, wie uns das freut, dass wir heute hier stehen können“, so begrüßte Iris Klett die Theaterbesucher zur Premiere von „Aber, aber Herr Pfarrer“ am Wochenende in Westhausen. Sie hatte als Regisseurin die Verwechslungskomödie in Szene gesetzt.

Gleich im doppelten Sinn war dies in Westhausen eine Premiere. Nicht nur wie sonst üblich im Sprachgebrauch als erste Vorstellung nach einer Monate langen Probenzeit. Denn noch niemals zuvor ist in Westhausen von den eigenen Bewohnern Theater gespielt worden. Also eine Premiere der besonderen Art. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht bei einer Einmaligkeit bleibt.

So wie nach einer Premiere meist noch weitere Vorstellungen folgen, sollten hier künftig weitere Inszenierungen folgen. Denn eines kann nach der erfolgreichen Premiere den zehn Darstellern und allen Helfern vor und hinter der Bühne bescheinigt werden: Die erreichte Qualität hat nichts mit einem Neuling in Sachen Theaterspiel zu tun. Neben den erfolgreichen Theatergruppen der Region, wie Sachsenbrunn, Eisfeld, Heldburg, Ummerstadt oder Brünn, um nur einige zu nennen, gibt es nun eine weitere – die Theatergruppe „Lach mal wieder“ von Westhausen.

Die Ausgangssituation von „Aber, aber Herr Pfarrer“: Ein Obdachloser hat auf der Suche nach einer Bleibe das leerstehende Pfarrhaus entdeckt. Er steckt seine Wäsche in die Waschmaschine, nimmt ein Bad – weil er keinen Bademantel findet, zieht er den Talar des Pfarrers an. Als dann mehrere Personen das Pfarrhaus betreten, so die einstigen Haushälterinnen des Pfarrers und andere Einwohner, die ein Anliegen an den Pfarrer haben, freuen sich alle, dass der Bischof ihnen endlich wieder einen neuen Pfarrer gesendet hat.

Eine Paraderolle für Axel Pommer, der den vermeintlichen Pfarrer spielt. Der es trotz aller Bemühungen nicht schafft, seinen Bittstellern klar zu machen, dass er gar kein Pfarrer ist. Und sich schließlich in seine neue Rolle fügt. Bringt sie für ihn doch auch einige Vorteile, womit nicht nur die endlich gefundene warme Bleibe und der reichlich vorhandene Messwein gemeint sind.

Immer neue, teils groteske Situationen hat sich Autor Hans Schimmel in dieser Verwechslungskomödie einfallen lassen. Da ist das Treffen mit seinem alten Freund Atze (gespielt von Johannes Heinze), der weit mehr als er selbst dem Wein zugesprochen hat. Und den neuen Pfarrer immer wieder in eine peinliche Lage bringt. So sehr sich dieser auch gegen die neue Rolle wehrt – seine Predigten werden legendär, die Kirche ist endlich wieder so gefüllt, wie schon lange nicht mehr.

„An diese Antrittspredigt wird sich die Gemeinde noch lange erinnern“, resümiert Mathilde Faust, die Haushälterin des Pfarrers (gespielt von Claudia Wiegand). Auch wenn nicht alle von ihm zitierten Stellen aus der Bibel dem Original entsprechen. Auch dass er die Totenglocke bei einer Hochzeit hat läuten lassen, damit der Zukünftige weiß, was auf ihn zukommt, nehmen die Leute mit einem gewissen Humor auf.

Der Pfarrer indes verweist darauf: Gott habe Wasser in Wein verwandelt, und er verwandele es eben wieder zurück. Und steckt die Kritiken an seinen Predigten locker weg. So, dass Moses das Meer nicht mit einer Mehrwegflasche geteilt habe. Nur wenn er wieder den Satz „Und brechet das Brot“ allzu wörtlich nehme, bekomme er Ärger. All das wird ihm verziehen, weil er es geschafft hatte, dass die Kirche wieder so proppenvoll ist, wie es bei seinem „Vorgänger“ – Gott, habe ihn selig – kein einziges Mal der Fall gewesen war.

Da kommt der hiesige Bankdirektor (gespielt von Matthias Wiegand) ins Pfarrhaus, um den vermeintlichen neuen Pfarrer einen Kredit aufzuschwatzen. Da er auch gerade vor einer Wahl als Politiker steht, will er gleichzeitig um neue Wählerstimmen werben. Doch muss er sich im Pfarrhaus von verschiedenen Leuten so manch kräftigen Spruch gefallen lassen. Denn in der Demokratie könne sich jeder aussuchen, von wem er sich künftig bescheißen lassen will. Politiker seien wie Tauben: Solange wir etwas haben, was die von uns wollen, fressen sie uns aus der Hand. Wenn sie erstmal ganz oben sind, „scheißen“ sie allen auf den Kopf.

Als wenn nicht alles schon reichlich grotesk wäre, taucht da Atze auf, der Freund von Freddie Schwarz, und bringt den vermeintlichen Pfarrer in weitere Schwierigkeiten, Ebenfalls eine Paraderolle, die Johannes Heinze mit Bravour meistert. Die Figur ist reichlich dem Alkohol verfallen, und begründet das mit dem Bibelwort: „Dein größter Feind heißt Alkohol. Doch in der Bibel steht geschrieben: Du sollst auch deine Feinde lieben!“ Auf die Frage, wie es ihm geht, antwortet er schlicht: „Das entscheide ich, wenn ich wieder stehen kann.“ Nicht ganz so tolerant wie mit dem Pfarrer gehen sie deshalb mit ihm um: „Der sieht nicht nur aus wie ein Landstreicher, der riecht auch so und benimmt sich dementsprechend.“ Als er mal wieder „außer Kontrolle“ ist, und der Pfarrer ihm die letzte Ölung geben will, kam nur die kurze Antwort: „Um Himmels willen – in diesem Zustand bitte nichts Fettiges!“

Auch die Theorien des Pfarrers sind mitunter ungewöhnlich. So behauptet er: Wenn verheiratete Männer früher sterben als ihre Frauen, könnte das auch eine Art Fluchtreflex sein.

Kein Kalauer ist dem Autor zu seicht, wenn er treffend auf die einzelne Figur zutrifft. So als die Witwe nach einem passenden Text für die Anzeige ihres verstorbenen Mannes sucht. Der war lange bei der Stadtreinigung tätig. Der Vorschlag deshalb: „Er kehrt nie wieder!“ Eine passende Losung findet Atze, der Trunkenbold, für seine Leidenschaft: „Macht Schwerter zu Zapfhähnen!“ Und kalauert weiter: „Im Wald, da rauscht der Wasserfall. Wenn’s nicht mehr rauscht, ist’s Wasser all“ und „Nimm die Schaufel nicht zu voll, wenn die Arbeit reichen soll.“ Zu seiner Bestimmung für eine Frau sagt er nur: „Jedem ist eine Frau vorbestimmt. Es ist aber auch nicht schlimm, wenn er sie nicht nimmt.“ Was er am Ende des Stückes dann doch nicht so ganz schafft, denn die Braut, der der Zukünftige weggelaufen ist, umgarnt ihn offenbar erfolgreich.

Immer wieder war in den Pausen der Aufführung und nach ihrem Ende zu hören: „Ich wusste gar nicht, dass wir bei uns im Ort so viele versteckte Talente haben.“ Das Lob können sich all die zehn Darsteller auf ihre Fahnen schreiben. Zu denen neben den bereits genannten drei Männern auch die Frauen Claudia Wiegand, Heike Steffen, Margitta Röder, Renate Teumer, Ute Peters, Kati Haschke und Konstanze Gärtner gehören.

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