Sogenannte Kryptowährungen sind gefragt. Vor allem mit Bitcoins wird gehandelt, was das Zeug hält. In mehr und mehr Geschäften und Online-Shops kann mittlerweile auch mit dem digitalen Geld bezahlt werden. Ersetzen wird es klassische Währungen aber kaum.
Im Mai 2010 überkam Laszlo Hanyecz der Hunger auf Pizza. Nun hätte er einfach eine Pizza bestellen können, aber der Software-Entwickler aus Florida ging die Sache spielerischer an. In einem Internet-Forum suchte er jemanden, der ihm zwei Pizzen nach Hause bringen würde – persönlich oder über einen Lieferdienst. Zwei Tage, nachdem er sein Angebot online gestellt hatte, bestellte ihm ein Engländer wirklich zwei Pizzen. Laszlo Hanyecz gab ihm dafür 10 000 Bitcoins, umgerechnet etwa 30 Euro.
Bei diesen Coins (englisch für Münzen) handelt es sich nicht um klassische Münzen, sondern um eine Währung, die ausschließlich elektronisch existiert. Anders als Euro oder Dollar gibt es von ihr weder Scheine noch Münzen, sie lässt sich also weder anfassen noch in ein Portemonnaie stecken. Was diese sogenannte Kryptowährung außerdem von "echtem Geld" unterscheidet, ist der Umstand, dass sie mit Computerleistung errechnet wird. Einer staatlichen Kontrolle, etwa durch Banken, unterliegt der Bitcoin nicht.
Darin lag auch der Kerngedanke bei der Einführung: Es war im Jahr 2008, als ein Software-Entwickler mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto den Bitcoin erschaffen haben soll. Ob es diese Person wirklich gibt und wer sich dahinter verbirgt, darüber wurde lange spekuliert. Heute sagt man, dass es sich bei Satoshi Nakamoto um den australischen Informatiker Craig Steven Wright handelt. Sein Ziel war es, von herkömmlichen Devisen unabhängige Zahlungen zu leisten, die durch das Bitcoin-Netzwerk statt durch Banken gesteuert werden.
Das Besondere dabei: Durch eine künstliche Verknappung auf 21 Millionen Bitcoins wird die Währung in der Theorie vor Inflation geschützt. Und: Transaktionen mit Bitcoins sind theoretisch in Echtzeit möglich, eine Überweisung dauert nicht mehrere Tage wie teilweise bei Banken. Außerdem können Zahlungen von überall auf der Welt problemlos verschickt werden – und das kostet nur geringe Gebühren. Aus diesem Grund sind vor wenigen Jahren auch große Unternehmen wie Dell oder Microsoft auf den Bitcoin-Trend aufgesprungen und haben das neue Zahlungsmittel akzeptiert.
Bis heute kann jedoch meist nur in großen deutschen Städten wie Berlin, München und Köln oder eben im Internet mit den Coins bezahlt werden. In Thüringen und Bayern gibt es nur sehr wenige Unternehmen, die Bitcoins überhaupt als Zahlungsmittel akzeptieren. Ein Unternehmen aus Oberfranken, das nicht namentlich genannt werden möchte, hatte seinen Kunden angeboten, Bitcoins für den Einkauf zu nutzen – weil die Nachfrage aber sehr gering war, habe man bald wieder ausschließlich auf gewöhnliche Zahlungsmittel gesetzt.
Ähnliche Erfahrungen berichtet auch Hans Gerhard Wicklein, der in Kronach und in Kärnten Behandlungen, Seminare und mehr zum Thema Energetische Spagyrik, einem Naturheilverfahren, anbietet. "Die Nachfrage geht gegen null", sagt er. Auch im ostthüringischen Kahla, so Heiner Glembotzki, Inhaber von WAP Waschbär – der Autopflegeprofi, gab es bisher keine Nachfrage seiner Kunden, mit Bitcoins zu zahlen, obwohl er es angeboten hat.
Dass sich das Bitcoin-System jemals flächendeckend im Alltag etabliert und von jedermann genutzt wird, hatten auch Experten schon früh bezweifelt. Dafür hat sich die Kryptowährung aber vom einstigen unabhängigen Bezahlsystem zu einem Geschäft für Zocker gewandelt, die mit dem Geld ein heißes Spiel treiben. Denn die Währung schwankt seit Einführung sehr stark im Wert: von wenigen Cent bis hin zu 6000 Dollar für eine digitale Münze. Und immer wieder gibt es Einbrüche: War ein Bitcoin Anfang dieses Jahres etwa 1000 Dollar wert, lag der Preis im September schon bei rund 5000 Dollar. Dann kam der Kurseinbruch auf 3000 Dollar – und eine erneute Verdopplung im selben Monat.
Was zeigt: Kaum ein anderes Investment verspricht so große Wertsteigerungen, aber auch so hohe Wertverluste innerhalb kürzester Zeit. "Die Leute investieren, weil sie glauben, dass andere Leute Bitcoins später für einen höheren Preis abkaufen", sagt beispielsweise der Computerwissenschaftler Adi Shamir, der das kryptografische Grundprinzip für die Bitcoin-Technologie mitentwickelt hat und in der Expertenszene hoch geschätzt wird. Kritisch bei solchen Spekulationen ist, dass die Blase irgendwann zu platzen droht, wenn nicht mehr genug Geld in diese Art Schneeballsystem investiert wird.
Für Normalbürger ist das Bitcoin-System also keine gute Investitionsmöglichkeit (mehr). Eine Familie aus den Niederlanden stört das jedoch nicht. Die Taihuttus setzen alles auf eine Karte und wollen mit Bitcoins ordentlich Kasse machen. Auf einer Weltreise hat der an Kryptowährungen interessierte Didi Taihuttu sich mit mehreren Kennern ausgetauscht, die mit digitalen Münzen handeln. Auch er hatte im Jahr 2010 bereits mit Bit- und Dogecoins – einer ähnlichen, aber weniger populären Kryptowährung – spekuliert. Jedoch viel zu früh und damit nicht lukrativ verkauft.
Sieben Jahre später kam er durch seine neuen Bekannten wieder auf den Geschmack. Sie hatten ihm eine Nachricht geschickt, er solle doch mal die Charts beobachten. Der Kurs stieg und stieg – und Taihuttu verkaufte sein 300 000-Euro-Haus für Bitcoins. Auch Autos und andere Luxusgüter will er in die Münzen tauschen. Die Familie hofft, ihr Vermögen bis 2020 zu verdreifachen. Ob sie damit Erfolg haben wird – abwarten.
Im Gegensatz zum Bitcoin selbst sind die Börsen, an denen er gehandelt wird, übrigens alles andere als sicher, was Hackerangriffe in der Vergangenheit zeigten. Binnen Sekunden waren bereits mehrfach digitale Münzen im Wert mehrerer Millionen verschwunden. Zudem kommt die Währung immer wieder in Verruf. Neben risikofreudigen Spekulanten ist sie nämlich auch bei all jenen beliebt, die sich im Darknet, also dem dunklen Teil des Internets, bewegen. Dort gibt es Waffen, Drogen, Kinderpornos und noch viel mehr Illegales zu kaufen – bezahlt wird mit Bitcoins. Weil das Bezahl-System komplett anonym funktioniert, lässt sich nicht nachverfolgen, wer was genau womit bezahlt. So lassen sich auch Erpresser heute ihr Lösegeld gern in Form von Bitcoins auszahlen.
Dass die Bitcoin-Blase irgendwann mit einem großen Knall platzt, davon gehen selbst Experten nicht aus. Jedoch vermuten sie, dass die Bedeutung der Währung mit der Zeit verblasst. "An irgendeinem Punkt werden Regierungen gewaltsam intervenieren und den Gebrauch von Bitcoin für illegale Zwecke einschränken und bestrafen", ist sich Experte Adi Shamir sicher. Verdienen werden also unterm Strich langfristig nur die Gründer der Kryptowährung.
Apropos langfristig: Die Geschichte vom Bitcoin-begeisterten Laszlo Hanyecz, der vor sieben Jahren 10000 Bitcoins für zwei Pizzen bezahlt hat, war noch nicht zu Ende. Die Lieferung hatte er sich damals schmecken lassen. Heute dürfte ihm aber vermutlich schon beim Gedanken an Pizza schlecht werden. Denn 10000 Bitcoins sind derzeit mehr als 65 Millionen Euro wert. Hanyeczs Pizzen waren somit die teuersten der Welt . . .