Auf der anderen Seite der Leitplanken zählen derlei Feinheiten wenig. Mehr als eine Viertelmillion Zuschauer sind gekommen, um einen spannenden Kampf zu sehen. Davor die traditionelle Parade. Großer Pitwalk. Feiner Zwirn trifft feuerfesten Overall. Die einen machen in Honneurs, die anderen haben einen Job zu erledigen. Es gilt Autos über zwei Zeiger-Umläufe zu bringen. Und über Streckenabschnitte von Weltruhm – Tertre rouge, Hunaudi’res, Mulsanne. Am Limit. Bloß nicht darüber. Der Schnitt in der Königsklasse liegt jenseits von 240. Auch in der Nacht.
Schlaf hat Pause. Selbst Ohrstöpsel können den Motoren-Donner kaum dämpfen. Aber so klingt Technik ohne Kompromisse eben. Porsche brüllt, Toyota dröhnt. Die Corvettes der GT-Kategorie erinnern an fahrende Presslufthämmer, und die Ferraris hören sich an, als schneide eine Kreissäge in ein Stück Hartholz. Autos unterschiedlicher Klassen in ein und demselben Rennen. Ständig wird irgendwo überholt. Das macht den besonderen Reiz aus.
Dutzende Szenarien laufen derweil auf den Computern der Teams. Eine Minute im Schnitt dauert ein Tankstopp, das Wechseln der Räder knapp eine halbe zusätzlich. Auch die Fahrer müssen sich abwechseln. Und der Tausch kostet ebenfalls
Zeit.
Doch Le Mans ist eben mehr als bloße Rechnerei. Und wie so oft fällt die Vorentscheidung im Dunkeln. Probleme mit der Elektro-Einheit zwingen den ersten Toyota lange an die Box, dem Schwesterauto fährt einer ins Heck, und als der neue Tag gerade eine Dreiviertelstunde alt ist, scheidet die japanische Hoffnung in Führung liegend aus. Nicht irgendwie! Ein als Streckenposten verkleideter Zuschauer irritiert den Fahrer am Ausgang der Boxengasse. Beim Wiederanfahren kollabiert die Kupplung. Für einen Start mit dem Benzinmotor ist sie nicht gebaut.
Statt eines Toyota-Triumphes also der Hattrick für Porsche. Lohn einer sensationellen Aufholjagd nach Reparatur und 19 Runden Rückstand. Zuvor war das andere Auto der Stuttgarter in Führung liegend ohne Öldruck ausgerollt. Den Japanern bleibt die Ehre der schnellsten Rennrunde. Sebastien Buemi fährt sie im 330. von 367 Umläufen. Genau das lässt sie hoffen, dass auf Toyota in Le Mans vielleicht doch kein Fluch lastet, sondern bloß ein bisschen viel Pech.
Und darum könnte am Ende das Lächeln von Akio Toyoda auch ein fein gemimtes Versprechen sein: Wartet nur, Freunde – nächstes Jahr . . .
Bildunterschrift: Da war die Toyota-Welt noch in Ordnung. Doppel-Führung für die beiden TS050 nach dem Start der 24 Stunden von Le Mans.
Bildunterschrift: Erst nur die übliche Routine in der Box, später zeitraubendes Schrauben.
Bildunterschrift: Toyota-Chef Akio Toyoda (Mitte) .