Eine Deutsche und ihr Sohn werden auf Teneriffa getötet - der jüngere Sohn wird Zeuge. Worauf es im Umgang mit Kindern nach solchen grauenvollen Erlebnissen ankommt, erklärt eine Expertin.
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Um die Psyche von Kindern nach extrem belastenden Erfahrungen zu schützen, ist aus Expertensicht eine vertraute Umgebung besonders wichtig. "Bestenfalls sollte das bei jemandem sein, den das akut traumatisierte Kind gut kennt, wie zum Beispiel Großeltern", sagte die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, Isabella Heuser, der Deutschen Presse-Agentur.
Ein bewusster Umgang mit betroffenen Kindern ist demnach wichtig, um Traumafolgestörungen wie posttraumatische Belastungsstörungen zu vermeiden. Diese können auch erst längere Zeit nach einem Ereignis auftreten und zum Beispiel mit immer wiederkehrenden Erinnerungen, Alpträumen und Ängsten einhergehen.
Kinder könnten je nach Alter auch darüber mit entscheiden, zu wem sie vorerst kommen, sagte Heuser. Hauptsache sei, dass sie sich sicher und gut aufgehoben fühlten. Zunächst müssten bei akut traumatisierten Kindern Grundbedürfnisse etwa nach Nahrung, Getränken wie einem heißen Kakao, nach Schutz und Wärme gestillt werden. Eine fremde Umgebung und fremde Menschen sind nach Einschätzung von Heuser für Kinder noch schwieriger.
Besonders wichtig sei es, in Gesprächen nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, etwa gezielt auf das Trauma einzugehen oder nachzubohren, was genau geschah. "In der Regel wartet man ab, was das Kind von selbst erzählt", so Heuser. Polizeipsychologen seien dahingehend geschult - aber natürlich spiele bei der Polizei oft auch Zeitdruck eine Rolle, um einen Ermittlungserfolg erzielen zu können. Generell sei es individuell verschieden, wann Kinder zu erzählen beginnen und wie lange ein akutes Trauma anhalte, sagte die Expertin.
Zu akuten Traumata komme es, wenn das eigene Leben bedroht sei oder dies emotional angenommen werde, wenn einem etwas Schlimmes wie eine Vergewaltigung angetan werde oder man Zeuge extrem belastender Situationen werde, erläuterte Heuser. Betroffene seien dann wie im Schock, wie in einer anderen Welt, erstarrt oder auch völlig aufgewühlt. Bei Kindern könne dieser Zustand je nach Alter und je nach Fähigkeit, das Geschehene zu begreifen, stärker ausgeprägt sein: "Sie weinen, können sich zum Beispiel kaum artikulieren oder den eigenen Namen nennen, wenn man danach fragt", erklärte Heuser.
Auf Teneriffa waren in der vergangenen Woche eine 39-Jährige und ihr zehnjähriger Sohn tot in einer Höhle gefunden worden. Der Vater wird verdächtigt, die getrennt von ihm lebende Mutter und seinen Sohn dort brutal zu Tode geprügelt zu haben. Ein zweiter Sohn, dessen Alter von den Behörden vorerst mit "sechs bis sieben" angegeben wird, floh in letzter Minute und erzählte den Behörden von der Attacke.
Gegen den 43 Jahre alten Vater, der schon länger auf Teneriffa lebt, war am Freitagabend Haftbefehl erlassen worden. Der überlebende kleine Sohn wird von Sozialarbeitern und Psychologen betreut. Zunächst hatte es geheißen, die Großeltern mütterlicherseits oder eine Tante würden auf die Insel kommen, um sich um das Kind zu kümmern. Nach einem Medienbericht sollen die Familienangehörigen aber wegen ihres Schocks über das Geschehene zunächst nicht dazu in der Lage gewesen sein. Ob inzwischen ein Verwandter eingetroffen war, wurde zunächst nicht bekannt.