Demos in Erfurt und Bad Salzungen Krisen-Protest in Thüringen wächst

„Nicht mit uns!“: 2000 Leute bei der Demo für eine gerechtere Krisenpolitik in Erfurt. Foto: dpa/Bodo Schackow

Jüngst ein Protest unter Federführung der Gewerkschaften, bald einer unter dem Mantel einer Lobbyorganisation der Thüringer Krankenhäuser: Die Energiekrise ist auf Thüringens Straßen und Plätzen angekommen.

 
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Angesichts der massiven Preissteigerungen vor allem für Energie gehen zunehmend Menschen und Organisationen auch in Thüringen auf die Straße, um darauf aufmerksam zu machen, wie sehr sie die Kostenexplosionen treffen. Am Sonntag zogen mehr als 1000 Menschen aus allen Regionen des Landes unter dem Slogan „Nicht mit uns! – Wir frieren nicht für Profite!“ durch Erfurt. Am Freitag waren Hunderte in Bad Salzungen unter dem Motto „Für eine gerechte Verteilung der Kosten“ auf die Straße gegangen. Nun planen Vertreter der Thüringer Krankenhäuser eine Protestkundgebung vor dem Landtag. Am Mittwoch wollen sie dort deutlich machen, dass die hohe Inflation aus ihrer Sicht inzwischen die Versorgung der Patienten im Land gefährdet. Der Slogan lautet: „Alarmstufe Rot: Krankenhäuser in Gefahr!“

In einem Interview unserer Zeitung bekräftigte der Geschäftsführer des SRH-Zentralklinikums Suhl, Uwe Leder, die Forderungen der Krankenhäuser nach kurzfristig wirkenden staatlichen Hilfen. „Wir können schon gar nicht mehr alles machen, was wir aus medizinischen Gesichtspunkten an allen Patienten gerne machen würden“, sagte Leder, dessen Krankenhaus das größte Südthüringens ist. Die Notlage der Kliniken habe sich seit Langem aufgebaut, sei nun aber durch die jüngsten Preissteigerungen kaum noch zu kontrollieren. „Die Krankenhäuser stehen wirtschaftlich vor einer absoluten Notlage, wir sind finanziell im Keller angekommen“, sagte Leder. Die Politik habe die Notlage der Häuser noch nicht mal erkannt.

Bei der Kundgebung vom Sonntag hatten zahlreiche Menschen ihren Unmut über eine aus ihrer Sicht unsoziale und unsolidarische Politik als Reaktion auf die massiven Preissteigerungen kundgetan. Dabei forderten sie neben einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien die Umverteilung des Reichtums in Deutschland. „Was es nicht geben kann, ist ein ,Weiter so’“, sagte der Vorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, Michael Rudolph. Das, was bisher durch die Bundesregierung an Entlastungen vorgesehen sei, reiche bei Weitem nicht aus. „Die Entlastung kommt in der breiten Mittelschicht nicht an“, sagte er. Wichtig sei, in der Krise das zu tun, wovor die Ampel-Koalition bislang zurückgeschreckt sei: Reiche, Erben, Vermögende und große Unternehmensgewinne „wesentlich stärker“ zu belasten und Gering- und Mittelverdiener zu entlasten. Jetzt sei die Zeit, in der starke Schultern mehr tragen müssten als schwache.

Aufgerufen zu der Demo hatte ein Bündnis namens „Nicht mit uns“ aus Gewerkschaftern und Klimaaktivisten. Auch Linke wie Ministerpräsident Bodo Ramelow waren auf der Kundgebung. Unmittelbar vor deren Auftakt versuchte ein Dutzend Männer und Frauen aus dem Querdenker-Milieu, sich unter die Protestierenden zu mischen. Sie wurden mit einer Menschenkette von den Demonstranten ferngehalten und abgeschirmt. Eine Vertreterin von Fridays for Future kritisierte Pläne, neue Erdgasvorkommen zu erschließen, um den Westen unabhängiger von russischem Gas zu machen.

In Bad Salzungen hatten Linke, Gewerkschaften und Sozialverbände zur Demo mobilisiert. Unter den Teilnehmern und Aufrufenden waren Bürgermeister Klaus Bohl und DGB-Kreischef Michael Lemm. Die Landtagsabgeordnete Anja Müller (Linke) musste während ihrer Rede derart lautstarke Kritik von Teilnehmern an der Politik der Landesregierung einstecken, dass ein Ordner eingriff. Anders als in Erfurt waren im Demo-Publikum auch Menschen aus der Szene der Corona-Spaziergänger optisch präsent und geduldet.

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