Demo in Sonneberg Applaus und Beschimpfungen am Bahnhofsplatz

Sarah Jakob
Auf dem Bahnhofsplatz vor dem Rathaus versammelten sich etwa 180 Menschen. Foto: Carl-Heinz Zitzmann

Zur nächsten Auflage der Demonstrationen am Montagabend hat der Verein "Sonneberg zeigt Gesicht" (SZG) eingeladen. Anna Bernardy  von SZG kritisierte zum wiederholten Male die Entscheidungen der Bundesregierung, allen voran die Waffenlieferungen in die Ukraine. Redner Ingo Schreurs prangerte in seinem Beitrag unter anderem das Verhalten von Klimaaktivistin Luisa Neubauer an und beschimpfte diese anschließend lautstark.    

 
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Zur jüngsten Auflage der von „Sonneberg zeigt Gesicht“ angemeldeten, Demonstrationen am Montagabend  erschienen laut Angaben der Polizei 180 Menschen. Damit sind die Zahlen derer, die sich wöchentlich zum Zug durch die Sonneberger Innenstadt mit anschließender Zusammenkunft vor dem Rathaus aufraffen, im Vergleich zur Zeit vor der Weihnachtspause, weiterhin rückläufig. Ein Treffen von mehreren Tausend Menschen, wie sie nach der Sommerpause von SZG in der Sonneberger Innenstadt stattgefunden hat, blieb demnach zunächst aus („Freies Wort“ berichtete am 19. September 2022).
Jedoch sahen sich auch im neuen Jahr einige Menschen aus Sonneberg und der Umgebung dazu bewogen, ihren Unmut mit den Entscheidungen der Regierung und ihren Entscheidern durch das gemeinsame Marschieren durch die Bahnhofstraße bis hin zum Bahnhofsplatz,  auszudrücken. Ging zwar die Anzahl an Schmähplakaten am jüngsten Demo-Termin gegen Null, hallten am Abend Pfiffe und Glockengeläut durch die Straßen, einige Teilnehmer trugen Lichterketten am Körper. Am Ort der Kundgebung angekommen    bestritten für SZG Anna Bernardy und Ingo Schreurs die ersten beiden Redebeiträge für 2023.

Kritik am Rundfunk wegen Wertungen

ch dem Bericht über die jüngste Demonstration der Gruppe „Sonneberg zeigt Gesicht“ („Freies Wort“ vom Montag) hat Redner Ingo Schreurs aus Neustadt bei Coburg klargestellt, wie verschiedene Passagen seiner Rede gemeint waren.
Die  Kundgebungen in Sonneberg habe er im Gegensatz zum gedruckten Bericht nur strukturell mit der Kundgebung in Lützerath verglichen  und bezüglich eines Vergleichs der Teilnehmerzahlen auf Demonstrationen insbesondere in Berlin Bezug genommen. „Wenn ich dabei von ‚wir‘ gesprochen habe, so ist dies dem Umstand geschuldet, dass eine große Zahl der Teilnehmer an unseren Demonstrationen auch an Großkundgebungen z. B. in Berlin teilgenommen hat“, erklärte er.
Dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wirft er nicht vor, nicht ausreichend über die Demonstrationen aus Südthüringen berichtet zu haben. Vielmehr bemängelt er, dass dieser über vergleichbare Demonstrationen, etwa  in Berlin und Leipzig, auf ganz andere Weise berichtet  habe – im Fall von Lützerath neutral bis wohlwollend, im Fall der Proteste gegen die Coronamaßnahmen jedoch „entweder gar nicht oder grob abwertend“. Eine Forderung, über Proteste in Südthüringen oder in Sonneberg in gleicher Weise zu berichten, wäre laut Schreurs nicht angemessen. Das ZDF habe im Gegenteil sogar über eine der Kundgebungen von „Sonneberg zeigt Gesicht“ berichtet.  „In meinem Redebeitrag ging es unmissverständlich um die, je nach Anliegen der Demonstranten, unterschiedliche Darstellung und Wertung von Demonstrationen in den öffentlich-rechtlichen Medien“, so Schreurs.
An Luisa Neubauer habe er weder deren Flugreise noch pauschal deren Herkunft aus gehobenem Hause kritisiert. „Vielmehr ging es darum, dass Frau Neubauer, die als Kind aus ‚gehobenem Hause‘ in ihrem Leben noch nie hart arbeiten musste und keine existenzielle Not erfahren hat, Menschen, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten müssen und/oder existenzielle Not kennen, vorschreiben will, wie sie zu leben haben und welche Einschränkungen sie für den Klimaschutz auf sich nehmen sollen“, erklärte Schreurs .


Demo-Frequenz wird zurück gefahren


Doch allen Themen voran, die sich Anna Bernardy für ihren Redebeitrag vorgenommen hatte, ging eine organisatorische Ankündigung für die Protestierenden: Anstatt sich, wie es vor der Weihnachtspause üblich war, jeden Montagabend zu treffen, sollen die Kundgebungen von nun an nur noch an jedem ersten Montag im Monat stattfinden.
Dass im Großen und Ganzen weniger Menschen zum Protest in die Innenstadt strömen? Das lässt die Rednerin nicht unkommentiert und begründet die gesunkenen Zahlen mit  einer mögliche Resignation der Teilnehmer. Nach mehreren Jahren der wiederholten Forderungen und zahlreichen Protestabende vermutet sie, dass der ein oder andere sich keinen Erfolg mehr von der Teilhabe verspreche. Deshalb  mobilisierte sie die Zuhörer, sich dennoch nicht  mittels „Netflix in eine Scheinwelt“ zu flüchten, sondern weiterhin auf dem Rathausvorplatz auf die Realität und das politische sowie gesellschaftliche Geschehen zu reagieren. Ihr zufolge wolle die Politik erreichen, dass die Protestierenden denken, ihr Zutun würde „sowieso nichts bringen“.  


Die Frage nach der Neutralität


Nachdem alle organisatorischen Anliegen abgehakt waren, widmet sich Bernardy in ihrem Redebeitrag zum wiederholten Male der Frage, wie mittels Waffenlieferungen an die Ukraine, die vor fast einem Jahr durch Russland kriegerisch angegriffen wurde, Frieden gefördert werden soll.  In diesem Zuge verweist sie direkt auf eine weitere Frage, nämlich ob sich Deutschland durch die Unterstützung zur Kriegspartei mache. „Lohnt es sich überhaupt, diese Diskussion noch zu führen?“, will die Rednerin wissen und beantwortete sich die Frage, selbst, während noch ein Raunen durchs Publikum geht: „Die Diskussion ist irreführend, denn unparteiisch sind wir nicht“.  Sie warnt des Weiteren vor einer weiteren Eskalation der Situation in der Ukraine und die Folgen, die für die deutsche Bevölkerung entstehen könnten. Sie fügt im Folgenden noch  hinzu, dass „Diplomatie der Weg sein sollte“, um Frieden zu erreichen. Für diese Aussage erhielt Bernardy zustimmendes Pfeifen und regen Applaus vom Publikum.
Dieses stiftete ihr ebenfalls laut Beifall, als sie den Politikern des Bundes erneut Ignoranz und schlechte Arbeit vorwarf, weil Vollzeitarbeitende bestimmte Hilfen vom Staat, wie Wohngeld, beantragen können. Sie machte deutlich, dass es nicht tragbar sei, dass bereits in Vollzeit tätige Angestellte durch niedrige Löhne, die anhaltende Inflation und die Preissteigerungen durch die Energiekrise nicht genug Geld hätten, um ihren Lebensunterhalt hinreichend zu bestreiten. „Wenn die Politik gut wäre, bräuchten wir solche Hilfen gar nicht“, schlussfolgerte Bernardy.
Kritik aus den eigenen Reihen
Zudem fühlt sie sich noch verpflichtet, den Zuhörern eine Erklärung abgeben zu müssen, warum SZG auf seinem Facebook-Auftritt das Konzert des Thüringer Polizeiorchesters in Sonneberg beworben hat.
Sie rief in diesem Zuge  in Erinnerung, dass unter dem Beitrag im Internet einige negative Kommentare den Verein erreicht haben. Die Fragesteller hätten sich verwundert darüber gezeigt, wieso SZG auf die bevorstehende Veranstaltung hinweise. Schließlich hätten auch Teilnehmer und Redner der Proteste zu Coronahochzeiten „Polizeigewalt erfahren“, auch sie  sei von Wasserwerfern attackiert und durchnässt worden, erklärte Bernardy mögliche Gründe für die Abneigung gegenüber des Post-Inhalts. Anschließend mahnte sie jedoch, dass man niemals eine ganze Berufsgruppe über einen Kamm scheren dürfe.   SZG wolle lediglich auf das Konzert aufmerksam machen, weil der Erlös für einen guten Zweck gespendet werden soll.
Die Kritik von vormaligen SZG-Mitgliedern und Mit-Demonstranten macht auch Ingo Schreurs zum Thema. Er spricht vor der Kamera, die regelmäßig die Protestaktionen für den Live-Stream in den sozialen Medien aufzeichnet, direkt zu jenen, die die Organisatoren „böse angegangen haben“.
Eigentlich, merkt er an, wolle er gar nicht zurückschießen, sondern, dass die Kritiker wieder mit  „für ein gutes Deutschland“ kämpfen. Doch es sei nicht förderlich gewesen, sich über Konzerte und Gespräche oder Nicht-Gespräche mit dem amtierenden Landrat zu zerstreiten. Was die Kritiker für ein Konzept hätten, um „aus dieser verdammten Krise vernünftig rauszukommen“, will Schreurs mit Blick in die Kamera wissen. Eine gemeinsame Protestaktion zwischen SZG und Landkreis war nach gemeinsamen Gesprächen Ende 2022  ausgeblieben. Vize-Landrat Köpper erteilte dem Verein eine schriftliche Absage, nachdem bei einer Friedenskundgebung Pfarrer Rainer Kunz auf die sinnvollen Coronaschutzmaßnahmen hingewiesen und daraufhin zahlreiche Anfeindungen erhalten hatte („Freies Wort“ berichtete am 14. Dezember 2022) . Schreurs macht  gegen Ende der Versammlung  klar, dass er  zudem „noch mehr Druck“ von oben befürchte, da „wir uns gerade in einer Verschnaufpause befinden“. Nach seiner Rede werden die Zuschauer überpünktlich gegen 18.45 Uhr verabschiedet. Die Veranstaltung war nach Angaben der Polizei angemeldet und lief friedlich ab.

 


 

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