Mit den Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson kann sich schon jetzt jeder impfen lassen. Sie können aber in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen haben und sind daher in der Regel bei Menschen ab 60 vorgesehen. Bei Jüngeren sind vorher ärztliche Aufklärung und eine individuelle Risikoanalyse vorgeschrieben. Die Aufhebung der Priorisierung solle es erlauben, die Impfkampagne voranzutreiben, hatte Spahn gesagt.
Der Sinn der Priorisierung
Eingeführt wurde die amtliche Reihenfolge wegen des anfangs absehbaren Mangels an Impfstoff. Erklärtes Ziel: Menschen mit höchstem Risiko auf schwere und tödliche Corona-Verläufe rasch zu schützen. In Gruppe 1 kamen daher über 80-Jährige, Menschen in Pflegeheimen und Gesundheitspersonal mit hoher Ansteckungsgefahr dran. Es folgte die Gruppe 2 mit Menschen ab 70, mit Erkrankungen wie Krebs, Kita-Erzieherinnen und Lehrkräften an Grundschulen. Inzwischen laufen Impfungen in der dritten und letzten Gruppe, zu der neben über 60-Jährigen auch Berufsgruppen gehören, die nicht im Homeoffice sein können - etwa Supermarktverkäuferinnen und Busfahrer. Eine Gruppe 4 gibt es in der Impf-Verordnung nicht: Dann kommen alle dran.
Der Deutsche Hausärzteverband sprach von einer großen Herausforderung für das Praxispersonal, das schon von Anfragen überrannt werde. „Bei allem Verständnis dafür, dass jede und jeder jetzt so schnell wie möglich dran kommen will, appelliere ich an die Patientinnen und Patienten: Habt Geduld!“, sagte der Vorsitzende Ulrich Weigeldt der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte in der Zeitung, nicht ein Datum dürfe das Ende der ethischen Reihenfolge bei der Impfung bestimmen. Allein der Impffortschritt in den drei Prioritätsgruppen müsse der Maßstab dafür sein.
Insgesamt wurden inzwischen mehr als 40 Millionen Impfdosen verabreicht
Mehr als 70 Prozent der Über-60-Jährigen sind mindestens einmal geimpft, fast 25 Prozent vollständig. Insgesamt wurden inzwischen mehr als 40 Millionen Impfdosen verabreicht. 37 Prozent der Bundesbürger (30,8 Millionen) sind mindestens einmal geimpft - 11,2 Prozent (9,3 Millionen) voll. Die höchste Quote an mindestens Erstgeimpften hat das Saarland mit 41,4 Prozent. Sachsen liegt mit 32 Prozent zurück. Bis Ende Mai sollen über 40 Prozent mindestens einmal geimpft sein. Jeder Siebte werde dann wohl vollen Impfschutz haben, erwarten Bund und Länder.
Entwarnung will die Bundesregierung weiter nicht geben. Die täglich fallenden Neuinfektionszahlen und die Impfkampagne könnten zuversichtlich machen - aber nicht voreilig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir haben noch nicht die Voraussetzungen dafür erreicht, einen genauso entspannten Sommer wie letztes Jahr zu genießen.“ Ziel müsse bleiben, die Zahl der Ansteckungen deutlich weiter zu senken. Vor einem Jahr habe die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz um diese Zeit bei 5 gelegen, erläuterte Seibert - am Montag waren es laut Robert Koch-Institut 83,1 gemeldete neue Fälle pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen.