Brief an Müller Mordlust ohne schlechtes Gewissen

Alfred Salamon (43)
Herr Müller bekommt täglich Post aus der Lokalredaktion. Foto: Freies Wort

Alfred Salamon schreibt an Herrn Müller und macht sich Gedanken zu lästigen Fliegen.

 
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Natürlich haben Sie recht, lieber Herr Müller, ... ... aber wenn der tägliche Krimi mit dem Verhör beginnt, schwören die schlimmsten Mörder zunächst: „Herr Kommissar, ich könnte keiner Fliege ein Leid zufügen.“

Ich weiß nicht, ob ich ehrlich wäre, aber mit Fliegen hält sich mein Mitleid in Grenzen. Wenn so ein Brummer immer wieder versucht, sich gierig auf mein Honigbrötchen zu stürzen, kommt in mir sofort Mordlust auf. Selbst das von mir geschätzte „Freie Wort“ ist mir nicht zu schade. Zu einer handfesten Fliegenklatsche zusammengefaltet, wird es zum Mordwerkzeug und ich schleiche zum Landeplatz des gefräßigen Ungeheuers. Schon hat es ein paar Krümel angepeilt und versucht, sich damit den Bauch zu füllen. Vorsichtig schleiche ich herbei. Ja, es ist Heimtücke, aber die dicke Fliege ist aufmerksam und schnell davon. Ha, endlich hat sie sich ans Fenster gewagt, unter die Gardine. Jetzt brauche ich nur zuzuschlagen, aber ich sehe schon Uschis vorwurfsvolle Blicke, wenn sie den roten Fleck auf dem guten Stück sieht. Aber einmal muss sie dran glauben, wenn sie es nicht schafft, sich davonzumachen. Ich werde aber kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich sie endlich erwische.

So ungerecht geht es zu auf dieser Welt. Auch eine Fliege hat nur ein Leben.

Es grüßtAlfred Salamon

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