Im November 2020 sei der erste Corona-Fall im Seniorenpflegeheim aufgetreten, binnen kürzester Zeit waren 80 Prozent der Bewohner infiziert. Mitarbeiter fielen aus „und wir auch“, erzählt Melanie Böttcher und ist sich sicher: „Die Krise ist noch nicht vorbei.“
Schnell zu handeln sei nach wie vor das Wichtigste. Dass sie Verordnungen der Landkreise aber stets sehr spät kämen, mache es ihnen schwer. „Wir können nicht sofort reagieren, sondern müssen immer erst auf den Verordnungstext warten und schauen, was drinsteht“, sagt Melanie Böttcher.
Virus rottet Indianerstämme aus
Was eine Pandemie bedeute, habe er auf einer Reise nach Chile Ende der 90er Jahre vor Augen geführt bekommen, berichtet der Intensivpfleger im SRH-Zentralklinikum, Dirk Rabatschin. Ein Grippevirus habe dort vier Indianerstämme ausgelöscht. Dass so etwas auch in Europa passieren könne, habe er vermutet, dennoch kam es überraschend. Sein Anliegen sei immer gewesen, sich und andere bestmöglich zu schützen. „Ich hatte immer Sorge, es in meine Familie zu tragen“, sagt er. Nach der ersten Welle, in der viele Patienten aus Seniorenheimen gepflegt werden mussten, entspannte sich im Sommer 2020 die Lage etwas. „Der Hinweis, dass es im Herbst eine zweite Welle geben wird, wurde von den Verantwortlichen nicht wahrgenommen“, kritisiert der Intensivpfleger.
Der Winter sei die schlimmste Zeit gewesen, blickt er zurück. Viele Mitarbeiter seien ausgefallen, viele kündigten, um in anderen Bereichen zu arbeiten. „Wir haben 200 Patienten betreut, 100 haben nicht überlebt“, nennt er erschreckende Zahlen. Das Fruststationslevel bei denen, die Kranken eigentlich helfen wollen, es aber nicht können, stieg. Seit diesem Frühjahr seien es vor allem Ungeimpfte, die auf Station betreut werden müssen, sagt Dirk Rabatschin.
Er ist immer wieder Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt, wenn es um das Impf-Thema geht. „Langjährige Freundschaften sind daran kaputtgegangen“, bedauert er. Rückhalt findet Dirk Rabatschin in der Familie. „Ich bin Opa geworden und meine Tochter hat mitten in der Pandemie geheiratet. Das gibt mir Energie, weiterzumachen,“ sagt er.
Vor den Schnelltests gedrückt
Abstände einzuhalten sei in ihrem Beruf nahezu unmöglich, sagt Edith Ströher von der Sozialstation der Diakonie. Sie betreuen 180 Patienten in ihren eigenen Wohnungen. Lange hätten sie und ihr Team sich davor gedrückt, Schnelltests zu machen: „Was tun wir, wenn einer symptomlos, aber positiv ist?“ Genau dieser Fall trat schließlich ein. Zum Jahreswechsel waren acht Kollegen positiv, drei Fachkräfte sicherten den Betrieb ab. Viele Angehörige hätten die Versorgung ihrer Angehörigen durch die Diakonie-Mitarbeiter abgesagt, aus Angst vor dem Virus. „Corona wird Bestandteils des Lebens bleiben“, vermutet Edith Ströher.
Dass er in der ersten Welle als Seelsorger nicht vor Ort sein durfte, quasi rausgeworfen worden sei aus dem Klinikum, habe Thomas Schumann stark belastet, schildert der Klinikseelsorger der SRH-Zentralklinikums. „Ich konnte nicht da sein, wo mehr Herz schlägt. Das entsprach nicht meinem Selbstverständnis“, sagt er und betont: „Ich laufe nicht einfach weg, wenn es schwierig wird.“ Den Kontakt zu den Patienten, die seine Unterstützung brauchten, hielt er in dieser Zeit nur telefonisch.
Krankheit war eine Katastrophe
Als er wieder arbeiten durfte, infizierte er sich mit dem Virus – trotz Maske und Vollschutz. Für ihn und seine gesamte Familie sei die Krankheit eine Katastrophe gewesen. „Ich stand kurz vor der Einlieferung ins Krankenhaus“, sagt Thomas Schumann. Bis heute spüre er die neurologischen Langzeitfolgen und verliere in Gesprächen immer mal wieder den Faden. „Ich arbeite daran, dass sich das bessert“, sagt er.
Man müsse die Krankheit ernstnehmen. „Abstandhalten ist immer noch der beste Schutz“, so der Seelsorger. Auch müsse man begreifen, dass sich dieses Kapitel nicht mehr herausstreichen lasse aus dem Leben.