Nach mehreren Wochen im Krankenhaus, oft sogar im künstlichen Koma, sind die Patienten noch schwach - auch wenn sie vom Coronavirus selbst, gemäß Definition des Robert-Koch-Instituts, geheilt sind. "Der Heilungsverlauf dauert häufig länger als bei einer normalen Lungenentzündung, weil das neuartige Coronavirus im Verlauf der Erkrankung die Zellen angreift, welche für den Gasaustausch verantwortlich sind. Neueren Untersuchungen zufolge können sogar Beeinträchtigungen des Herzens und des zentralen Nervensystems vorkommen. Auch von Blutgerinnungsproblemen und der Neigung zu Gefäßthrombosen und Lungenembolien wird berichtet", sagt Andreas Dösch.
Langer Diagnoseweg
Patientin Anna Schmidt wurde als nicht mehr sauerstoffpflichtig in die Asklepios Parkklinik eingewiesen, ging aber am Rollator. "Jetzt laufe ich schon wieder ohne Rollator und gehe an guten Tagen zwei Mal um den See", sagt sie. Auch die 64-Jährige hatte Covid-19. Und sie kämpfte, seit Tag eins ihrer Erkrankung. "Egal wie schlecht es mir ging: Zum Essen bin ich aufgestanden. Es ist meine Gesundheit, das kann niemand für mich übernehmen", sagt sie.
Bei der Frau aus Jena zog sich die Diagnose wesentlich länger als bei Michaela Bornschlegel. Mitte März fühlte sie sich unwohl. "Schüttelfrost, Durchfall, etwas Temperatur. Ich habe an einen Norovirus gedacht", sagt sie. Am nächsten Tag verstärkten sich die Symptome, so dass ihr Mann telefonisch um ärztlichen Rat bat. Eine Infektion mit dem Coronavirus wurde da noch ausgeschlossen. Eine Woche später, Anna Schmidt fühlte sich immer schwächer, rief er den hausärztlichen Notdienst um Hilfe, der Anna Schmidt aber eine freie Lunge bescheinigt.
Die Entzündungswerte des Bluts, das ihr ihr Hausarzt am Folgetag abnahm, gaben Grund zur Sorge. "Ich habe Antibiotika verabreicht bekommen, es hat aber nicht angeschlagen", erinnert sich Anna Schmidt. Die Werte verschlechterten sich zunehmend, sie kam ins Krankenhaus, wo ein erster Corona-Abstrich negativ ist. Doch der Röntgenblick auf ihre Lunge führte zur Diagnose. "Sie sah sehr schlecht aus. Und die Abstriche danach waren positiv", sagt die 64-Jährige. Sie musste zwei Wochen auf der Intensivstation bleiben, danach einige Tage auf der Isolierstation und dann noch einmal zwei Wochen auf der Lungenstation. Wenn sie daran denkt, winkt sie ab. "Eine schwere Zeit", sagt sie.
In Bad Salzungen tauschen sich die Frauen über die Erkrankung aus - und arbeiten an ihrer Rückkehr in den Alltag. Obwohl sie beide an Covid-19 erkrankt waren, führen sie dennoch nicht die exakt gleichen Therapien durch. "Ein Schema F der Behandlung gibt es nicht. Wir müssen den individuellen Zustand des Patienten betrachten, wenn er zu uns kommt. Einige stehen mitten im Berufsleben, arbeiten zum Teil schwer. Wir müssen eine Lösung finden, wie sie wieder einsteigen können", erklärt Andreas Dösch. Darauf aufbauend wird ein Konzept erarbeitet, in dem unter anderem Atemübungen und Trainingseinheiten, eine Gangschule und inhalative Therapien enthalten sein können. "Gerade weil die Erkrankung so neu ist, müssen wir schauen, was für den einzelnen Patienten Sinn macht", sagt der Chefarzt.
Die Ziele der beiden Frauen: Sie wollen in ihr Leben zurück. "Ich freue mich ein stückweit darauf", sagt Michaela Bornschlegel, wenn sie an das Taxifahren denkt. Anna Schmidt hat noch ein gutes Jahr bis zur Rente. Sie ist Laborantin im Institut für Physikalische Chemie in Jena, arbeitet dort in einem internationalen Team mit jungen Doktoranden zusammen. "Als ich im Krankenhaus lag, haben sie mir ein Päckchen geschickt, was mich sehr gerührt hat. Auch mein Chef hat mich oft angerufen. Das macht sehr viel aus."
Die mentale Unterstützung ist enorm wichtig. Während der akuten Phase im Krankenhaus, bei der die Kranken abgeschieden sind, und auch danach. "Die Krankheitsverläufe sind oft sehr rasant. Wenn Patienten ins künstliche Koma versetzt werden müssen, wachen sie manchmal in einem anderen Krankenhaus auf. Diese Erlebnisse müssen erst einmal verarbeitet werden", betont Andreas Dösch. Zur Reha gehört daher auch eine engmaschige psychologische Beratung, wenn sie der Patient wünscht.
Appell an Verantwortung
Auch Michaela Bornschlegel hat viel zu verarbeiten, selbst wenn sie fast flapsig über die vier Wochen spricht, die über ihr Leben entschieden haben. "Es macht mir so gut wie nichts mehr aus, darüber zu sprechen. Aber die Psychologin geht in die Tiefe. Da bin ich am Abend schon geschlaucht", sagt sie. Dass die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen scheint - mittlerweile demonstrieren hunderte Menschen gegen die Corona-Auflagen und verbreiten teilweise Verschwörungstheorien - , ärgert sie. "Da schwillt mir fast der Kamm. Ich war mittendrin. Wenn sie das so intensiv miterlebt hätten, würden sie ganz anders darüber reden", sagt sie.
Auch Chefarzt Dösch spricht sich dafür aus, die Erkrankung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. "Wie wir sehen, betrifft es auch junge Menschen, die mitten im Leben stehen. Nur weil im Wartburgkreis vergleichsweise wenig Fälle zu verzeichnen sind, heißt es nicht, dass wir sie nicht ernst nehmen müssen", sagt er. Im Gegenteil: Insbesondere die bereits vollzogenen und in Aussicht gestellten Lockerungen seien ein Appell an die Eigenverantwortlichkeit: "Der Abstand und die Schutzmaßnahmen sollten nicht belächelt und nicht boykottiert werden. Wir alle müssen Verantwortung tragen."
Die Coburgerin Michaela Bornschlegel konzentriert sich nun voll auf ihre Heilung, schiebt Fake News und Verharmlosungen rund um das Corona-Virus beiseite. Anna Schmidt will aktuell keine Nachrichten über das Thema lesen und setzt auf ihre Antikörper im Blut. "Ich hoffe, dass ich genügend habe. Und dass sie zu den Viren sagen: Du kommst hier nicht mehr rein. Wie eine Polizei", sagt sie.