Oft werde sie für eine „Gringa”, eine aus den USA stammende Ausländerin, gehalten. „Das ist unangenehm, weil US-Amerikaner hier oft nicht den besten Ruf haben, aber insgesamt bin ich wirklich gut aufgenommen worden, mit viel Interesse, Offenheit und Geduld”, so die 41-Jährige. Das Leben in einem fremden Land berge etliche Kleinigkeiten, über die Karen anfangs gestolpert sei: das Leitungswasser nicht trinkbar, Warmwasser und Ofen funktionieren in Mexiko mit Gas, die Kommunikation natürlich auf Spanisch. Inzwischen könne die Deutsche von vielen Erlebnissen berichten, die sie gemeistert habe.
„Als ich Fragen beim Elternabend gestellt habe und dort bei einer Diskussion mitgemacht habe, hat mich das schon Überwindung gekostet und da war ich schließlich sehr stolz auf mich, dass ich mich in einer Fremdsprache ausdrücken kann”, sagt die Thüringerin. Gerade freue sie sich darüber, dass sie mit ihrer Familie noch über 25 Grad und länger Tageslicht als in Deutschland genießen könne.
Klischees und Wirklichkeit
„Es ist ein Unterschied, durch ein Land zu reisen und Dinge toll oder exotisch zu finden oder eben seinen Alltag in diesem Land zu verbringen und auch ganz normale Dinge tun zu müssen“, stellt Karen klar.
Was sie an den Menschen hier beeindruckt sei die „Jeder ist seines Glückes Schmied“-Mentalität. „Natürlich muss es die auch gezwungenermaßen geben, weil das staatliche Netz eben nicht so eng gewebt ist wie in Deutschland“, erklärt die Sprachbegeisterte und ergänzt: „Hier entwickeln viele Menschen ihr eigenes kleines Unternehmen, wenn es nicht klappt, wird eben etwas anderes probiert. Dieser Unternehmergeist und Fleiß entsprechen nicht dem Klischee, das man so von den Mittel- und Südamerikanern hat.“
In Sachen Pünktlichkeit stimme das stereotypische Urteil eher. Anfangs sei Karen immer zu der angegebenen Startzeit zu Kindergeburtstagen gekommen und habe sich gewundert, dass noch keiner da war. „Jetzt habe ich mir angewöhnt, es etwas gelassener zu sehen und nicht zu sehr nach der Uhr zu leben“, informiert die dreifache Mutter und fügt hinzu „Wo mich die Mexikaner bestimmt als etwas exotisch ansehen ist, dass ich mich einfach nicht so warm anziehe.“ Für die Deutsche sei es in Zapopan immer warm, oft zu warm. „Ich besitze vielleicht vier Paar Strümpfe, weil ich sie hier einfach so gut wie nicht anziehe“, schildert Karen. So höre sie oft die Frage, ob sie nicht friere.
Sehnsucht
Ein wichtiger Aspekt in Karens Leben in dem knapp 130 Millionen-Einwohner Land ist der der Sicherheit. „Häuser verschwinden hier hinter großen Zäunen oder Mauern, man grenzt sich ab“, erklärt Karen und ergänzt: „Nie würde jemand auf die Idee kommen, die Kinder in dem Park vor unserem Haus alleine spielen oder sie allein in die Schule gehen zu lassen.“ Selbst als sie noch in Präsenz an der Sprachschule gearbeitet habe, habe sie sich im Winter, wenn es früher dunkel wurde, lieber abholen lassen.
„Das finde ich ganz schön traurig, die Mexikaner sind selbst sehr frustriert über diese Situation“, berichtet die Lehrerin. Trotzdem ist Karen dankbar, dass ihre Kinder mit zwei Kulturen aufwachsen. Weihnachten feiert die Familie gleich doppelt - zuerst das klassische deutsche mit Kartoffelsalat und Würstchen als erstes Essen und dann sei die Familie oft noch zu einem größeren Abendessen eingeladen.
„Am Heiligabend packen wir das Paket aus Deutschland aus“, erläutert Karen „und dann gibt es noch ein mexikanisches Weihnachten, einen Tag später.“ Am 25. Dezember, dem einzigen Weihnachtsfeiertag in Mexiko, gebe es „recalentado“, also Aufgewärmtes.
Karen vermisse ihre Heimat sehr. Der gewohnte Sommerurlaub in Deutschland musste durch Corona zwei Mal ausfallen. „Der Spagat, den man da so mental macht, ist manchmal schon schwierig, da helfen auch WhatsApp und Videoanrufe nicht“, sagt Karen und fügt hinzu „Es ist toll, dass wir diese Möglichkeit haben, wir sind einfach schneller und einfacher vernetzt, aber Digitales ersetzt keinen echten verquatschten Abend am Küchentisch.“