Amerikanischer Traum Von Struth-Helmershof nach Maryland

Annett Recknagel

Lana Weisheit hat über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm ein Stipendium für Maryland/USA bekommen. Seit August ist sie dort glücklich und hat Freunde gefunden.

 
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Struth-Helmershof/Maryland - In Schmalkalden ist es 20.30 Uhr. In Columbia/Maryland zeigt die Uhr halb 3 nachmittags. Lana Weisheit ist gerade von der Schule zu ihrer Gastfamilie zurückgekehrt und hat Zeit für ein Telefonat. Am Ohr klingt es, als wohne sie um die Ecke. Dabei trennen uns 6500 Kilometer. „Bei uns stürmt und windet es mächtig“, erzähle ich ihr. „Oh, hier sind 20 Grad und ich habe kurze Sachen an“, sagt sie und, dass sie das warme Wetter sehr genießt. „Okay, Skifahren vermisse ich“, fügt sie hinzu und versichert, dass es ihr sehr gut geht.

Seit einem halben Jahr lebt die 16-jährige Schülerin aus Struth-Helmershof in Columbia bei einer Gastfamilie. Am 11. August 2021 stieg sie in Frankfurt in den Flieger. Damals lagen zehn Monate vor ihr, in denen sie Land und Leute kennenlernen, viele neuen Erfahrungen und noch mehr Eindrücke für ihr künftiges Leben sammeln will. Sechs davon sind bereits vorbei. So weit weg von der Familie – wie sieht es mit dem Heimweh aus? „Jetzt habe ich gar keins mehr“, sagt sie und ihre Stimme klingt ungeheuer fröhlich, fast etwas überschwänglich.

Sofort erinnert sie sich an die Ankunft. Die Gastfamilie habe sie vom Flughafen abgeholt – ein großes Schild half beim Finden. Wobei Lana schon im Vorfeld mit der Familie ausgiebig geskypt hatte. In Columbia waren zum Zeitpunkt von Lanas Ankunft noch Sommerferien. Mit dem Volleyballtraining, für das sie sich angemeldet hatte, sei es aber sofort losgegangen. Das habe ihr von Anfang an Spaß gemacht. Dann begann der Alltag. Und weil die Gasteltern arbeiten mussten, war Lana in der Anfangszeit sehr viel allein. Das Heimweh holte sie ein. Sie telefonierte täglich mit ihrer Mama. Tränen flossen. „Ich habe viel Zeit zum Nachdenken gehabt“, erzählt sie.

Mit dem Schulbeginn am 30. August aber sei es dann nur noch bergauf gegangen. Lana war beschäftigt, hatte keine Zeit mehr zum Trübsalblasen, fand schnell neue Freunde, zu Hause in Struth-Helmershof rief sie maximal noch einmal pro Woche an. Gerade durch den Sport lernte sie viele junge Leute kennen und freundete sich mit ihnen an. Probleme mit der Sprache gab es keine. „Mittlerweile verstehe ich alles, anfangs habe ich immer noch mal nachgefragt, aber jetzt nicht mehr.“ Auch ihr deutscher Akzent sei so gut wie weg. „Es fällt mir beinahe schwer, Deutsch zu reden“, sagt sie. „In meinem Kopf ist nur noch alles in Englisch.“ Sie kommt ins Schwärmen über die Freunde und den Zusammenhalt, beschreibt Ausflüge nach Washington D.C. und New York.

Mit der Gastfamilie verbrachte sie einen Urlaub in Delaware. Die Familie sei sehr nett und zuvorkommend, einfach zum Liebhaben. Lana erzählt weiter, wie sie dem Schul-Lama Babsi-Pascal, einen kleinen Plüschtier, das sie in Amerika überall hin begleitet, den Strand in Delaware gezeigt habe. Und wie schmeckt ihr das amerikanische Essen? „Ich habe noch nicht zugenommen“, antwortet sie und redet natürlich über Fast Food. Tatsächlich gebe es das dort oft. Ein- bis zweimal die Woche Pizza sei nicht selten. Auch das Schulessen bewege sich zwischen Pizza und Burger. „Schulbrot macht sich hier niemand, es gibt Chips zum Mittag. Mein Gott, wie ich unser Brot vermisse.“

Fit hält sie der Sport. Lana hat angefangen mit dem Laufen. Im März möchte sie ihren ersten Halb-Marathon durchziehen. Auch Leichtathletik trainiert sie und natürlich Volleyball. Anfang Dezember feierte sie ihren 16. Geburtstag in Amerika. „Das war sehr schön“, berichtet sie. Die Gastfamilie habe ein typisch amerikanisches Frühstück mit Pancakes arrangiert und ihr ein Geburtstagsständchen gesungen. Am Abend habe es ein Treffen mit allen 15 Austauschschülern und deren Gastfamilien des Bezirkes gegeben.

Und Weihnachten? Am Heilig Abend sei nicht sehr viel passiert, das habe sich komisch angefühlt. Thanksgiving sei besser gewesen – mit einem Riesen-Truthahn. Und Halloween erst recht. „Das ist in Amerika echt abgefahren. Meine Pati dekoriert schon immer gerne, aber im Vergleich zu Amerika ist das nichts. Das ist hier echt eine ganz andere Dimension.“ Mit ihren Freunden habe sie sich als M&M’s verkleidet, an den Haustüren geklingelt und viele Süßigkeiten bekommen. Der Jahreswechsel sei dann eher langweilig gewesen. Bei der Mama ihrer Gastmama habe man zusammengesessen und gespielt.

Zum Schluss interessiert mich noch Corona? „Schon im Sommer hat hier keiner mehr eine Maske getragen“, berichtet Lana Weisheit. Das habe sich nicht gut angefühlt. Sie selbst ist geboostert und gesund geblieben. „In unserem Bezirk hier sind 90 Prozent geimpft“, weiß sie. Ende November habe Omikron um sich gegriffen, jetzt sei es wieder besser. Lana freut sich auf den Frühling, auf die Ferien und auf Konzerte.

Die zehn Monate Amerika werden über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (siehe Kasten) möglich. Dahinter verbirgt sich ein Stipendium des deutschen Bundestages, das jungen Berufstätigen und Schülern die Möglichkeit gibt, ein Jahr lang in den USA in einer Gastfamilie zu wohnen und zur Schule zu gehen. Lanas Patenabgeordneter ist Gerald Ullrich, der FDP-Bundestagsabgeordnete aus ihrem Heimatort.

Für die 16-Jährige erfüllt sich damit ein Traum: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, das alles hier wieder zu verlassen“. Das werde ganz schwer. Aber ihre Familie wolle dann noch mal in den Urlaub hierher zurückkommen. Ich freue mich auf das nächste Telefonat mit ihr. Wir einigen uns auf nach Ostern.

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