24-jähriger Schwallunger packt an Helfen, bis dort wieder Möbel stehen

Annett Recknagel
Dominik Döllstedt aus Schwallungen (links) und der Steinbach-Hallenberger Konstantin Gramlich in der Einliegerwohnung von Dominiks Eltern in Schwallungen, wo derzeit Hilfsgüter zwischen gelagert sind. Foto: ar/Annett Recknagel

Der Schwallunger Dominik Döllstedt organisiert derzeit mit einem Helferteam einen großen Hilfstransport ins Flutgebiet im Landkreis Ahrweiler.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Schwallungen - Dominik Döllstedt ergriff die Initiative, die sich als Selbstläufer entpuppte. Ein Zeichen dafür, dass der Hilfsgedanke unter den Menschen auch in Pandemiezeiten nicht verloren gegangen ist. Nachdem der 24-jährige Schwallunger Ende Juli drei Tage im Flutgebiet in Mayschoß mit angepackt hat, stand für ihn fest: „Ich muss etwas tun. Uns hier geht es so gut und die Menschen dort haben alles verloren, was sie sich in den letzten Jahren erarbeitet und aufgebaut haben.“

Mit dem Katastrophenschutzzug des Landkreises fuhr Döllstedt gemeinsam mit Kollegen in den Landkreis Ahrweiler. Der Stützpunkt war in Ringen. „Wir blickten von oben hinunter in den Krisenkessel“, erzählte er. Ihm sei zuerst knapp neben dem Fahrzeug, in dem er gesessen habe, eine Frau aufgefallen, die ihre Rosen umsorgt habe. Dort oben, wo noch alles in Ordnung war. Dann wendete er seinen Blick nach rechts und 150 Meter weiter tat sich ein Geisterdorf auf. Keine Straßen mehr, kaputte Häuser, Müll, soweit das Auge reicht. „Eine paradoxe Welt“, meinte Döllstedt und in seinem Kopf begann es zu rattern.

Kaum wieder zu Hause, startete er über Facebook und WhatsApp einen Hilfeaufruf. Gesucht wurden Hilfsgüter. Keine Kleidung, dafür Handwerksartikel. Regale, Kabeltrommeln, Spaten, Leitern, Hacken, Äxte, Bohrmaschinen. Durch seinen Aufenthalt vor Ort , bei dem er Getränke, warmes Essen und Gummistiefel an Betroffene verteilt hatte, wusste Dominik Döllstedt, was im Flutgebiet unbedingt gebraucht wird. Zudem knüpfte er Kontakte zu Personen, denen die Güter seines Hilfstransportes eins zu eins zu Gute kommen sollen.

Kaum hatte er via WhatsApp und Facebook darüber informiert, setzte eine Solidaritätswelle ein. Damit hatte der junge Mann nicht gerechnet. „Das war unglaublich, ich bin seitdem nur am Rudern“, berichtete er. Mittlerweile hat er vier Lagerstätten für Sachspenden. Sie sind in Dreißigacker und Wasungen, in Erfurt bei einem Kumpel von ihm und in Schwallungen in seinem Elternhaus gelagert.

Gemeinsam mit Konstantin Gramlich holte er in dieser Woche Sachspenden bei einem Baumarkt ab. Eine Wasunger Firma spendierte Kinderartikel und Spielwaren, ein einheimischer Fleisch- und Wurstwarenbetrieb gab Lebensmittel, Handschuhe und Desinfektionsmittel dazu. Selbst ein Notstromaggregat wurde abgegeben. Und: Es spendeten auch etliche Privatmenschen. Gab es Geld, hieß Döllstedts Anlaufpunkt Baumarkt, um dort Handwerkliches dafür zu besorgen.

Geplant ist, alle Hilfsgüter am kommenden Montag mit ins Flutgebiet zu nehmen. 13 Helfer fahren dorthin, alles Freunde und Bekannte von Döllstedt. Sein Kumpel Stefan Hartwig, der in Schmalkalden eine Firma für Schutz und Sicherheit hat, brachte den Hilfsgüterzug ins Rollen und organisierte die Fahrzeuge. Mit vier Transportern und einem Pkw mit Anhänger wird sich der Tross Richtung Mayschoß in Bewegung setzen. Gern können sich Interessierte bei Dominik Döllstedt noch melden. „Wer noch mit will – kein Problem, jede helfende Hand wird gebraucht.“

Die komplette Arbeitsbekleidung, die die Helfer im Flutgebiet tragen werden, stellte die Firma „Engelbert Strauß“ aus dem Biebergrund zur Verfügung. Möbel Dietsch aus Springstille versorgte das Helferteam mit einem Transporter und das Opel Autohaus in Schmalkalden stellte eine Laderampe bereit.

Die 13 Personen, die das Team von Dominik Döllstedt bilden, arbeiten größtenteils im Rettungsdienst und als Krankenpfleger. Heißt: der Hilfstransport geht von ihrer Freizeit ab. „Die Zeit nehmen wir uns einfach“, sagte der Schwallunger. Er ist als Notfallsanitäter beim DRK in Meiningen tätig. Sein Arbeitgeber ist übrigens begeistert von seiner Hilfsaktion. „Schon komisch, man kennt die Bilder aus dem Fernsehen, wenn man dann aber drin steht im Schlamm, das ist extrem schlimm“, meinte er.

Seinen Eindruck anderen zu vermitteln, sei nicht ganz so leicht. „Das ist wie eine andere Welt. Es riecht modrig nach Schlamm, Öl, Abgasen – Corona gibt’s dort nicht“, betonte er. Die Masken würden gebraucht, um sich vor Feinstaub zu schützen.

Bei allem Unglück aber hätten sich sehr viele Helfer gefunden. Die Solidarität sei unglaublich. Derzeit würden zum Kellerausschippen noch Leute gebraucht. Auf den Straßen häuften sich Müllberge.

Wenn der erste Hilfstransport in der nächsten Woche Kurs in Richtung Rheinland Pfalz genommen hat, plant das Team bereits den nächsten. Der zweite Zug soll am Samstag, 28. August in Richtung Ahrweiler starten. Was danach geschieht, weiß Dominik Döllstedt auch schon: „ Wir werden so lange dorthin fahren bis in den Wohnungen wieder Möbel sind und wir zum Kaffee eingeladen werden.“

Dominik Döllstedt ist erreichbar unter der E-Mail-Adresse hilfekenntkeinegrenzen@gmail.com.

Bilder