15 Jahre Schlossprojekt: Lebensentscheidung aus Liebe

Vor 15 Jahren - im Januar 2008 - kaufte der gebürtige Münchner Florian Kirner Schloss Weitersroda und fand dort Heimat. Zum Jubiläum blickt er auf die Entwicklung der historischen Immobilie unter seiner Obhut zurück. Sein Schlossprojekt stellt er auf fünf Säulen. Diese bilden die Grundlage für die strategische Ausrichtung des Denkmals, seiner Sanierung und Nutzung.

 
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Dinge, die mit Liebe getan werden, gelingen. Zumindest in diesem Fall ist es so gewesen. Dabei strahlte Schloss Weitersroda recht wenig Liebenswürdigkeit aus, als Florian Kirner an einem nebeligen Novembertag des Jahres 2007 herkam, informierte er anlässlich des Jubiläums. „In der kleinen Kirche gegenüber fand gerade eine Beerdigung statt. Rund um das Schloss und im Gebäude selbst waren die Zeichen jahrzehntelanger Vernachlässigung unübersehbar“, erinnert er sich an seinen ersten Eindruck vom Schloss.

Trotzdem verliebte sich der damals 33-jährige sofort. Schon am nächsten Vormittag rief er die Maklerin an und eröffnete ihr auf gut Bayerisch: „Ich hab mirs überlegt: I möcht des Schloss ham.“ Sechs Wochen später hat er den Kaufvertrag unterschrieben. Mit der Unterschrift kamen die Herausforderungen: Ein einsturzgefährdeter Hauptgiebel, Hausschwammbefall, Mauerschäden, Fachwerkschäden, marode oder fehlende Fenster. Der technische Stand der Haustechnik lässt sich an ölpapierumwickelten Stromleitungen illustrieren. Immerhin: die Dächer waren in gutem Zustand.

15 Jahre später sind nicht nur baulich enorme Fortschritte gemacht worden: Leben ist wieder eingezogen in die ehrwürdigen Mauern. Facettenreiches Leben, gestützt auf mehrere tragende Säulen. „Da ist die Säule der Denkmalsanierung, die Säule des Tourismus, die Säule der Kultur, die Säule der Natur, die Säule zukunftsorientierter Wohnformen. Und auch wenn sich das bisher Gesagte sehr romantisch anhört: um dieses Schloss mit seinen 36 Zimmern zu entwickeln und jede der genannten Säulen stetig weiter wachsen zu lassen, brauchte es mehr als Liebe und gute Ideen“, weiß der Schlossherr. „Ein Mönch im Mittelalter hat Liebe so definiert:Liebe ist das unbedingte Interesse am Wachstum des anderen. Die Liebe zu diesem Schloss bedeutete für mich, alles in meinem Leben dem Erfolg des Schlossprojektes unterzuordnen. Keine Urlaube mehr, hieß das zum Beispiel. Stures Durchhalten in den brutalen ersten Schlosswintern. Alles, was sich an Geld mobilisieren ließ, ins Schloss investieren. Das Schloss war meine Lehrmeisterin und hat mich fundamental verändert. Das war eine knallharte, aber eine gründliche und sehr gute Schule“, sagt Kirner. Vieles habe er auf Gedeih oder Verderb lernen müssen. Den Umgang mit Behörden etwa oder mit Handwerkern. Die Jagd nach Fördergeldern und deren oftmals sehr komplizierte Abrechnung. Rigide Disziplin in finanzieller Hinsicht sei sowieso unverzichtbar für den Erfolg, meint er und lässt sich dabei von der Maxime seines Lieblingsstaatsmanns, des Grafen Maximilian von Montgelas, leiten, die da lautet: „Mut, Geist, Sparsamkeit“

Dieser Trias fühle er sich verbunden: „Ich möchte gestalten, Dinge voranbringen, Ideen praktisch umsetzen. Und ich habe unzählige Ideen. Ich will den Fortschritt aber in der Realität sehen. Ich will, dass es passiert.“

Passiert ist einiges seit Januar 2008 - das kann man deutlich sehen. Etwa an den komplett erneuerten Fenstern. Erst kürzlich sind - mit Hilfe der Thüringer Landesdenkmalpflege - 60 Stück dazugekommen. Oder an einem vollständig sanierten zweiten Stock. Auch an einer im ganzen Haus erneuerten Elektrik inklusive Glasfaserkreuz. „In diesem Haus von 1478 ist das Internet schneller als in mancher Großstadt. Und wir könnten die Leistung sogar noch vervierfachen.“

Florian Kirner weiß aber auch auch: „Es gibt noch jede Menge zu tun. Im ersten Stock ist momentan Baustelle.“

Mittlerweile sei das Gebäude immerhin soweit saniert, dass es verschiedensten Projekten ein Zuhause sei, erklärt der 48-jährige, der auch das Erbe seines Vaters in die Schlosszukunft investiert hat - und ein schuldenfreies Denkmal besitzt. Zum Beispiel gibt das Schloss der Kultur Heimat. Im Schlosshof gibt es eine Infrastruktur für Veranstaltungen jeglicher Art. Drei Bühnen, eine Außenküche, eine Taverne, ein Sanitärtrakt und die nötigen Strom- und Wasseranschlüsse. Jedes Jahr zu Himmelfahrt findet hier das Paradiesvogelfest statt, zu dem die deutsche Liedermacherszene nach Weitersroda kommt - und inzwischen 1500 Besucher.

Eine Heimat hat auf dem Schloss auch der Tourismus: Die opulent eingerichtete Ferienwohnung Therese im zweiten Stock lockt Urlauber aus ganz Europa an. Und: „Wirtschaftlich ist die Ferienwohnung das Beste, was hier seit langem entstanden ist“, sagt Kirner.

Schloss Weitersroda beherbergt außerdem mehrere Wohneinheiten in verschiedenen Größen. Zu den festen Bewohnern gehört eine Familie, die Kirner 2008 hier vorfand und die in der dritten Generation das Schloss bewohnt - und Malte Stabenau, der in der Veranstaltungsorganisation der Koordinator vieler entscheidender Abläufe ist. Man wohne hier nicht nur nebeneinander her, sagt Kirner. Eine Kommune sei es aber nicht. Am Ende ist er der Vermieter.

Der Schlosshof mit dem angrenzenden Areal ist zudem ein Biotop, in dem verschiedenste Bäume und Pflanzen gedeihen. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Jahrhunderte alte Schlosslinde im Hof ein. Dazu kommen der ausgiebige Schlossgarten, die Permakulturbeete, die zahlreichen Beerensträucher, die Obstbäume - und 25 Walnussbäume. Gepflanzt vor 14 Jahren, beginnen sie nunmehr zu tragen.

Eine feste Heimat hat auf Weitersroda die Geschichte der Region. Das Schloss spiegelt historische Entwicklungen in seinem Baustil und öffnet jedes Jahr zum Tag des offenen Denkmals seine Tore. Dann wird Geschichte erlebbar, Sanierung sichtbar, Denkmalschutz anfassbar“, so Florian Kirner, der betont, dass der Erfolg des Schlossprojekts ein Gemeinschaftswerk gewesen ist.

„Die Zahl all der Menschen, die in unterschiedlichster Weise mitgeholfen und dazu beigetragen haben, dass es geklappt hat, ist enorm groß. Dabei geht es genauso um Bauwochen und Entrümpelungsaktionen, wie um Solidarität in schwierigen Zeiten oder die Unterstützung von Behörden und Fördergebern. Ich kann hier nur pauschal ein großes, herzliches Dankeschön aussprechen. Ohne diese Hilfe wäre es schlichtweg nicht gegangen.“ Freilich, nicht alles, was begonnen wurde, hat auch geklappt. Die Liste der letztlich gescheiterten Projekte ist ebenfalls nicht kurz. Aber: dazu gelernt habe man dabei, Erfahrungen gesammelt und starke Netzwerke entwickelt.

Florian Kirner: „Die Zahl der Schlossbesucher seit 2008 liegt deutlich im fünfstelligen Bereich. Und am entscheidenden Punkt - dort nämlich, wo es um die Substanzerhaltung des Gebäudes gegangen ist - habe ich mir keine gravierenden Fehler erlaubt.“ Dafür sei eine steile Lernkurve nötig gewesen: „Aber lernen kann ich“, behauptet er, der in München, Hamburg, Köln und Tokio Angloamerikanische Geschichte, Japanologie, sowie Mittlere und Neuere Geschichte studiert und erfolgreich abgeschlossen hat.

Pläne für die Zukunft? Hat er. Allerdings sei Schloss Weitersroda jetzt an einem Punkt angekommen, der eine sehr viel planmäßigere Entwicklung ermögliche. Die wild-romantischen, oftmals aber auch brutal schwierigen ersten Jahre lägen hinter ihm. Jetzt lauteten die sehr konkreten Ziele, eine zweite Ferienwohnung zu erstellen oder den Veranstaltungsbetrieb zu intensivieren. „Das können wir aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln umsetzen“, ist Kirner zuversichtlich.

„Das Schloss ist über den Berg. Meine Methoden waren sicherlich mitunter ungewöhnlich. Aber es hat funktioniert“, resümiert der Schlossherr: „Ich nehme für mich in Anspruch, dieses Denkmal gerettet und für das 21. Jahrhundert aufgestellt zu haben.“

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