Regionalsport "Jeder Kilometer ist gut investiert“

ThomasSprafke
Ski-Alpin-Fahrer Thomas Dreßen absolviert im norwegischen Kvitfjell eine Trainingseinheit. Foto: Stian Lysberg Solum/NTB scanpix/dpa

Olympiasieger und Weltmeister aus aller Herren Länder, doch einen Kitzbühel-Gewinner hatte die Oberhofer Skihalle bislang noch nicht gesehen. Bis zu dieser Woche,inmitten von Corona sowie bei hochsommerlichenTemperaturen außerhalb und kontinuierlichen vier Grad minusin der Halle.

 
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Superstar Thomas Dreßen (26) und die schlag-kräftige deutsche Alpin-Männer-Nationalmannschaftin den Speed-Disziplinen übten von Mittwoch bisFreitag überraschend im größten Kühlschrank Mitteleuropas.

Mit demStreif-Sieger von 2018 sprachen wir über den ungewöhnlichen Abstecher, das spezielle Starttraining, Corona und die anstehende Saison.

Herr Dreßen, wann waren Sie zuletzt in einer Skihalle?

Boah, das ist schon länger her.Vor dreiJ ahren in Belgien zum Slalomtraining. Hier in Oberhof ist es klasse. Das Starttraining unter Anleitung von Axel Teichmann taugt meinen Kollegen und mir sehr. Das ist eine schöne Abwechslung mit einem sportlich ernsten Hintergrund.

Was genau stand auf dem Programm?

Am Mittwoch eine Starteinheit, amDonnerstag Langlauf-und Athletik-Training und am Freitag noch eine Starteinheit. Am Start geht es um Hundertstel, die sich während des Rennens potenzieren können.

Dennoch: Macht die weite, rund 400 Kilometer lange Anreise aus Bayern dafür wirklich Sinn?

Absolut. Man hat deutliche Unterschiede gesehen in den Zeiten. Nicht nur im Hundertstel-, sondern im Zehntelbereich. Das waren teilweise bis zu drei Zehntelsekunden auf den ersten sechs, sieben Sekunden. Das ist wertvolle Zeit, die du dann imRennen nach unten mitnimmst. Gleiches gilt für die Geschwindigkeit. Hier lagen die Messungen zwischen 40u nd 43 km/h.

Ist das hier in Oberhof das erste spezielle Starttraining dieser Art?

Starttraining haben wir ab und an gemacht, aber eben nur auf den richtigen Strecken im Training oder direkt vor den Wettkämpfen. Aber noch nie so detailliert wie hier in Oberhof. Manchem Athleten hat es durchaus die Augen geöffnet. Man kann schon am Start viel Zeit verlieren.

Sind Sie ein guterStarter?

Ja, das bin ich schon. Im Training vor den Rennen starte ich eigentlich nie impulsiv, um mir noch ein paar Reserven zu lassen. Aber auch ich habe natürlich am Start noch Reserven.

Gehen Ihre Konkurrenten wieder Schweizer Beat Feuz diesbezüglich ähnlicheWege?

Das weiß ich nicht. Aber die Österreicher machen mit Sicherheit Starttraining, denn sie starten immer sehr schnell. Auch die Norweger.

Wann standen Sie zuletzt auf Langlaufskiern?

In diesem Sommer habe ich das Skiroller-Training im Skatingschritt als Konditionstraining für mich entdeckt, praktisch als Ausgleich zumRadfahren. Ich stand schon in der Kindheit viel auf Langlaufskiern,denn mein Papa war ma lBiathlet und Langläufer.

ZwischenStraße und Schnee ist aber ein Unterschied,denn auf der Straße hat der Roller eine bessere Führung. Mit den Langlaufskiern bin ich hier in Oberhof gut zurechtgekommen. Ja, das Training mit Axel Teichmann hat wirklich Spaß gemacht.

Welchen Eindruck hat derTechnik-Bundestrainer der Langläufe ralsMentor auf Sie gemacht?

Super,wirklich super. Er hat natürlich viel Ahnung, aber auch die Gabe und das Gefühl, sein Wissen gut zuvermitteln und zu erklären. Da waren echt gute Tipps dabei.

Der wichtigste Hinweis?

Nicht auf die Frequenz kommt es an, sondern auf saubere Stockschübe. Ich bin übrigens nicht nur rund 400 Kilometer bis nach Oberhof gefahren, sondern fast 1000 Kilometer,denn ich lebe in Oberösterreich.

Und obwohl es im Winter dann nur um Hundertstel geht, ist jeder gefahrene Kilometer gut investiert.

Hängt derAbstecher nach Oberhof womöglich auch mit der Coronakrise zusammen? Sie können momentan doch bestimmt nicht so trainieren,wie Sie möchten?

Ja, Corona erfordert in derTat viel Improvisationsvermögen. Doch so ein Starttraining hatten unsere Trainer durchaus geplant. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir noch nicht so etrem viel auf den Gletschern unterwegs. Allerdings haben wir unser für Mitte August in Chile geplantes Schnee-Trainingslager verschieben müssen. Mal sehen, ob wir zu einem späteren Zeitpunkt reisen können.

Wie erleben Sie die Corona-Pandemie?

Hygiene, Mundschutz und andere Vorsichtsmaßnahmen stehen an erster Stelle,um andere Menschen und sich selbst zu schützen. Aber man kann das Thema auch aus anderer Perspektive sehen. Ich war im Frühjahr und im Sommer extrem viel daheim, so viel wie noch nie am Stück als Leistungssportler. Das kam mir ganz gelegen, da wir gerade einHaus bauen. Da konnte ich ab und an mit anpacken. Im Gegenzug habe ich meine Familie in Deutschlandl angeZeit nicht besuchen können. Meine Mama habe ich fast ein halbes Jahr nicht gesehen.

Sie haben zuletzt aus Skiern einen Gartenstuhl gebaut, wie man bei Facebook sehen kann. Welche Corona-Projekte haben Sie noch gestartet?

Das mit dem Gartenstuhl war eine Art Challenge vom Skiverband und einem Sponsor. Die Aufgabe bestandd arin, etwas aus alten Skiernzu machen.Doch, der Liegestuhl ist mir gut gelungen. Ansonsten blieb wegen des Hausbaus keine Zeit für andere Corona-Projekte.

Wo bauen Sie das Haus in Oberösterreich mit IhrerFreundin?

In Scharnstein. Dort leben wir schon seit ein paar Jahren.

In knapp vier Wochen soll für Sie als Abfahrtsspezialist der vorolympische Winter traditionell mit den Weltcups in Nordamerika beginnen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Saison dort planmäßig startet?

Ich bin ein Typ, der von Woche zu Woche denkt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre Amerikad och gefährlich. Ich hoffea ber, die Situation ändert sich noch. Ganz egal, wie der Renn-Kalender am Ende ausschaut, ob nur Europa gefahren werden kann, ob mit oder ohne Zuschauer: Das Wichtigste ist für mich, dass wir überhaupt Rennen fahren.

Interview:ThomasSprafke

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