"Die Bundesregierung hätte von Anfang an eine einheitliche Regelung treffen müssen. Es kann nicht sein, dass jedes Land, jeder Kreis sein eigenes Ding macht", sagt er und spielt dabei auch auf den teilweise chaotischen Domino-Effekt an. Zeit, und Nerven, die man sich eigentlich sparen könnte? Immerhin entsteht dieser Tage nicht selten der Eindruck, dass die Steine am Ende sowieso alle fallen. Schließlich will sich niemand vorwerfen lassen, im Kampf gegen das Virus weniger getan zu haben als der andere.
Eine Diskussion, ob es richtig oder falsch ist, den Spielbetrieb zu unterbrechen, will er damit jedoch nicht aufkommen lassen. "Die Entscheidung ist nachvollziehbar. Dieses Virus scheint schwer einschätzbar zu sein", so der Vorsitzende des KFA Südthüringen, der seit Samstagnachmittag noch ein paar Sorgenfalten mehr mit sich rumträgt. Da hatte das Landratsamt Hildburghausen eine noch strengere Auflage erlassen. Hieß es am Donnerstag in der Allgemeinverfügung noch, dass Veranstaltungen, Vergnügen und sonstige Ansammlungen, egal ob öffentlich oder nichtöffentlich, egal ob in geschlossenen Räumen oder unter freiem Himmel, ab einer Teilnehmerzahl von über 100 Personen untersagt sind, sind es seit Sonntag, 0 Uhr, sämtliche. Die Teilnehmerzahl spielt keine Rolle mehr. Damit gehen die Hildburghäuser Verantwortlichen sogar noch einen Schritt weiter als das Landesverwaltungsamt Thüringen, welches am Wochenende Veranstaltungen und Menschenansammlungen mit mehr als 50 Personen im ganzen Freistaat untersagt hatte. Und das bis 10. April.
Das heißt wiederum: Die vom KFA Südthüringen bis auf einschließlich 31. März ausgelegte Spielunterbrechung ist hinfällig. Die Geisterstimmung hält länger an. Betroffen sind nunmehr vier Spieltage an denen die Plätze leer bleiben. Der Fußballkreis Südthüringen steht an der Schwelle eines historischen Saisonabbruchs.
"Ich gehe fest davon aus, dass die Saison nicht zu Ende gespielt wird", sagte Dirk Forkel bereits am Freitag. Der Trainer von Kreisoberligist Schleusegrund Schönbrunn hegt starke Zweifel, dass die Situation so schnell unter Kontrolle zu bringen ist, dass das deutsche Gesundheitssystem nicht völlig zusammen bricht. Doch selbst im Falle einer vorzeitigen Saisonabbruchs gibt es verschiedene Szenarien.
Szenario eins: Die große Pause. Die Saison wird zunächst abgebrochen, doch die noch ausstehenden Partien werden nachgeholt. In den Monaten Juni, Juli, August wird die Saison - vorausgesetzt die Situation ist unter Kontrolle - beendet. Eine Variante, die unter Südthüringens Kickern durchaus Anklang findet. "Wir regen uns immer auf, dass wir mit dem Spielen aufhören, wenn eigentlich das schönste Fußball-Wetter beginnt. Da könnte man das doch locker mal nach hinten schieben. Ende August oder im September fangen wir dann mit der neuen Saison an", sagt beispielsweise Daniel Eppler, Vorsitzender des SV 07 Milz. Zwar stößt diese Variante durchaus auf offene Ohren, doch sie hat auch einen Haken. So bluten die Vereine im Amateursport in den Sommermonaten nicht selten aus, Spiele könnten zur Farce geraten, könnten ausfallen, Wettbewerbsverzerrung droht. Zudem müssten die Wechselfristen geändert werden. Auf die Ehrenamtlichen käme bei den Neu-Terminierungen eine Heidenarbeit zu. "Das ist nicht zu packen", schließt KFA-Vorsitzender Dittmar Börner diese Variante kategorisch aus.
Szenario zwei: Play-Offs. Die ersten vier Mannschaften spielen um den Titel; die letzten vier Teams dagegen um den Klassenerhalt. "Es wäre schon schön, eine sportliche Lösung zu finden. Allerdings müssten dann auch die Mannschaften im Tabellenmittelfeld die Platzierungen ausspielen", so Falk Kirchner, Mannschaftsleiter von der SG Goßmannsrod/Oberland, die aktuell Platz sieben in der Kreisoberliga belegt.
Szenario drei: Ein Szenario, das abhängig von den Entscheidungen des Deutschen Fußballbundes und der Deutschen Fußball-Liga in der höchsten deutschen Spielklasse der Bundesliga ist. Die Saison wird abgebrochen. Allerdings wird die 1. Bundesliga mit den ersten vier Teams der zweiten Liga aufgestockt. Offizielle "Meister" gibt es jedoch nicht. Eine solche Maßnahme hätte dann auch Konsequenzen für die unteren Ligen.
Szenario vier: Der Supergau: Die Saison wird annulliert. Es gibt keinen Meister, keinen Pokalsieger, keine Absteiger. Alles auf null. Man tut quasi so als hätte es die Saison 2019/2020 nie gegeben. Eine solche Variante befürwortet Schönbrunns Trainer Dirk Forkel. In Anbetracht der ganzen Komplikationen, die andere Alternativen mit sich ziehen würden, sei das "vermutlich der beste Weg", so Forkel. Es sei sicherlich kein schönes Gefühl, oben zu stehen, die Möglichkeit zu haben, eine Spielklasse aufzusteigen, "doch es gibt Situationen im Leben, für die niemand was kann", sagt er und spielt dabei auf Szenario drei und eine vielerorts dann durchaus berechtigt empfundene Ungerechtigkeit an. Ähnlich sieht es auch Markus Lauth, Trainer von Kreisoberligist Schleusingen. Wenngleich er eine Play-Off-Variante durchaus als attraktiv empfindet. Allerdings betont auch er, dass dieses Szenario mit zu viel "Wenn" und "Aber" verbunden ist. Planungssicherheit gibt es hier ebenfalls nicht.
Dass das Gefühl von Sicherheit in diesen Tagen nicht gerade zu den Konstanten zählt, mussten die Schleusinger am Samstag am eigenen Leib erfahren. Aufgrund der neuen Festlegung des Landratsamtes wurde die Jahreshauptversammlung des Sportclubs aus der Burgstadt kurzfristig abgesagt. Auch das Mannschaftstraining findet vorerst nicht mehr statt. Stattdessen hat der Trainer des Aufsteigers seinen Spielern einen individuellen Trainingsplan zukommen lassen.
"Das Training beinhaltet selbstverständlich nicht nur Läufe, sondern auch das Training mit dem Balance Pad, der Black Roll oder dem Theraband. Das benutzen wir ohnehin im Training. So können wir die Athletik und die Beweglichkeit der Spieler fördern und fordern", berichtet er. Zudem erwartet der Trainer zwei Mal die Woche eine Rücksprache mit den Spielern. Telefonisch, per WhatsApp und persönlich. Ähnlich sieht es auch bei anderen Vereinen aus. Die Spieler sollen sich mit individuellem Training fit halten. Von Trainingsplänen für zu Hause hält Schönbrunns Trainer Dirk Forkel dagegen nicht viel. "Da macht doch eh keiner was. Komm heute nicht zum Training, geh selbst laufen, gehört im Übrigen zu den besten drei Ausreden im Amateurbereich", berichtet er.
Ob andernorts Mannschaften weiterhin gemeinsam trainieren, ist nicht auszuschließen. Der Begriff der Versammlung ist immerhin sehr dehnbar. Ähnlich sieht es auch Falk Kirchner von der SG Goßmannsrod/Oberland bei der am Sonntagvormittag das Training ebenfalls abgesagt worden ist. "Wie definiert man so etwas?", fragt er. Wenn es danach ginge, dürfte man auch nicht in den Betrieb oder ins Büro gehen. "Und da gibt es nochmal weit mehr Leute, mit denen man in Kontakt kommt als mit zehn, elf Mann beim Training. Ich sehe das etwas problematisch", sagt er. Weiterhin auf dem Platz trainieren und das Risiko eingehen, dass jemand juristisch gegen den Verein vorgeht, wolle man jedoch nicht eingehen. Auch wegen dieses Themas glüht bei KFA-Vorsitzendem Dittmar Börner seit Samstag der Draht seines Telefonapparats. Doch mehr als Trost spenden kann Börner in diesen Tagen auch nicht. Wenngleich auch er seine Meinung zu diesem Thema hat. "Wenn wir so weit gehen, dann müssten auch die Kaufhallen geschlossen werden", sagt er.
In Zella-Mehlis stellt sich diese Definitionsfrage zumindest in Sachen Training auf dem Platz inzwischen nicht mehr. Da hat die Stadt bereits am Freitag alle Turnhallen und sogar Sportplätze gesperrt. Das Training der WSG Thüringer Wald Zella-Mehlis, Kreisklasse-Vertreter im KFA Rhön-Rennsteig, wurde am Freitag kurzfristig abgesagt.
Ob solche Auflagen auch im Landkreis Hildburghausen folgen? Generell weiß niemand so recht, wie es weitergeht, und welche Einschränkungen möglicherweise noch kommen werden. Für Dittmar Börner gibt es jedoch schon jetzt kaum eine andere Alternative als
einen Saisonabbruch. Doch dazu wolle man sich im KFA Südthüringen Ende März nochmal gemeinsam beraten. Bis dahin bleibt Börner in Kontakt mit Funktionären anderer Fußballkreise im Freistaat. Wie er die fußballfreie Zeit ansonsten nutzt? "Ich habe noch einen Berg Papierkram auf dem Schreibtisch liegen. Es gibt immer was zu tun", sagt er. Langweilig wird es jedenfalls nicht so schnell.
Wenngleich Daniel Eppler vom SV 07 Milz angesprochen auf die fußballfreie Zeit und ruhende Sportplätze mit seiner Aussage "Es ist ein sehr komisches Gefühl" wohl vielen aus der Seele sprechen dürfte.