Die Herbstbelebung hat zu spürbarem Schwung auf dem Thüringer Arbeitsmarkt geführt. Im September waren im Freistaat 68 100 Frauen und Männer ohne Job, wie die Regionaldirektion der Agentur für Arbeit am Mittwoch mitteilte. Das seien 3300 weniger als im August, aber 11 500 mehr als im September 2019 gewesen. Die Arbeitslosenquote ging leicht um 0,3 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent zurück.

Nach der Sommerpause besetzen Arbeitgeber typischerweise neue Stellen, Jugendliche beginnen eine Lehre oder starten nach ihrer Ausbildung in ihren ersten Job. Im Gegensatz zu den Herbstmonaten vor der Corona-Pandemie bewege sich die Arbeitslosigkeit derzeit aber insgesamt weiterhin auf einem höheren Niveau. Nach Einschätzung des Geschäftsführers der Landesarbeitsagentur, Markus Behrens, wird der Vor-Corona-Status in Thüringen wahrscheinlich erst 2022 wieder erreicht.

«So wie es derzeit aussieht, kommen wir in Thüringen aber mit einem blauen Auge aus der Krise», sagte Behrens. Im September habe sich der Arbeitsmarkt weiter stabilisiert. Dennoch liege die Zahl der Erwerbslosen, die wegen der Corona-Pandemie zwischen März und September arbeitslos wurden und dann nicht in einen neuen Job vermittelt werden oder keine Qualifizierungsmaßnahme antreten konnten, derzeit bei knapp 13 300. Der «Corona-Effekt» bei der Arbeitslosenquote betrage 1,2 Prozentpunkte.

Seit Beginn der Corona-Pandemie sichert Kurzarbeit viele Jobs. Nach Hochrechnungen der Arbeitsagentur sinkt die Zahl aber. Gab es im April 144 300 Kurzarbeiter in 17 400 Betrieben waren es im Juni noch 109 800 Kurzarbeiter in 12 400 Unternehmen. Im September wurde den Angaben zufolge für 2700 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet.

Arbeitsministerin Heike Werner (Linke) rechnet mit einer weiteren Belebung bei der Nachfrage nach Arbeitskräften. «Die Wirtschaft zieht in vielen Bereichen wieder an, auch wenn wir im Automobilsektor gleichzeitig die Auswirkungen eines Strukturwandels zu verkraften haben.»

Der DGB Hessen-Thüringen kritisierte, dass viele Produktionsstandorte in der Automobil- und Zulieferindustrie keine eigenen Entscheidungsstrukturen hätten. Es bestehe daher die Gefahr, dass Eigentümer aus anderen Regionen sich bei Sanierungs- und Investitionsentscheidungen gegen die Thüringer Standorte entschieden, erklärte DGB-Chef Michael Rudolph.

Als beschämend bezeichnete Rudolph die Lohnlücke, die auch nach 30 Jahren Deutsche Einheit weiter zwischen Ost und West klaffe. Das Lohnniveau liege in Thüringen immer noch um rund ein Fünftel unter dem des Westens. Nur jeder fünfte Betrieb zahle Tariflöhne und nicht mal jeder zweite Beschäftigte sei von einem Tarifvertrag geschützt. Arbeitsagenturchef Behrens sieht 30 Jahre nach der Einheit die Fachkräftesicherung vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung als dringliche Aufgabe an. dpa