Thüringen Streit um Gebietsreform: "Jetzt wird's unverschämt!"

Auf Abstand: Martina Schweinsburg und Bodo Ramelow. Foto: dpa

Als wären die Worte nicht genug, haben sowohl Landräte als auch Bodo Ramelow bei der jüngsten Versammlung des Landkreistages durch ihre Körpersprache deutlich gemacht, was sie von den Argumenten des jeweils anderen halten: Nichts.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Erfurt - Am Anfang war eben nicht das Wort. Sondern die Mimik. Noch lange ehe Bodo Ramelow in einem Saal in der Erfurter Innenstadt ans Pult mit den Mikrofonen tritt und erklärt, warum er an den rot-rot-grünen Plänen für eine Gebietsreform festhält, ist deshalb in seinen Gesicht abzulesen, wie sehr ihm das missfällt, was Martina Schweinsburg da sehr lange sagt. Die Mundwinkel des Thüringer Ministerpräsidenten zeigen nach unten, seine Augenbrauen formen einen Pfeil, der auf seine Nase zuläuft, sein Blick geht starr ins Leere. So als würde er die vielen Landräte und Landrätinnen gar nicht sehen, die da gerade vor ihm sitzen.

Und immer dann, wenn es ganz schlimm wird für Ramelow, dann kommt zur Mimik noch die Gestik dazu. Mehr als einmal schüttelt er den Kopf, als Schweinsburg etwas sagt. Zum Beispiel unmittelbar nachdem die CDU-Politikerin und Präsidentin des Landkreistages, die Fraktionsvorsitzende der Linke-Landtagsfraktion, Susanne Hennig-Wellsow, vor allen Anwesenden dafür rüffelt, dass diese während der Rede Schweinsburgs auf ihrem Handy tippt. "Meine Rede wird erst dann ins Internet eingestellt, wenn ich fertig bin", blafft Schweinsburg Hennig-Wellsow an.

Dann fährt sie mit ihrer Rede fort: "Die Finanzpolitik des Landes gegen den ländlichen Raum muss endlich ein Ende haben." Ramelow bewegt den Kopf da noch immer schnell von links nach rechts.

Kommunen rufen Fördergelder nicht ab

In der Debatte um die Finanzausstattung der Thüringer Kommunen hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow den Landkreisen vorgeworfen, zwar einerseits über fehlendes Geld zu klagen. Gleichzeitig riefen sie aber für sie bereitstehende Fördermittel nicht ab. Aus einem Bund-Länder-Programm stünden den Kommunen im Freistaat insgesamt 86 Millionen Euro zur Verfügung, sagte Ramelow am Mittwoch in Erfurt. Das Geld sei zum Beispiel für den Städtebau, für Abwassersanierungen und den Breitbandausbau gedacht. Davon seien bislang lediglich drei Millionen Euro abgeflossen. Deshalb frage er bei all den Klagen über Finanzen zurück: "Warum fließt das Geld nicht ab?" sh

Eigentlich ist es also gar nicht nötig, dass Ramelow, als er am Pult steht, bekennt: "Ich wusste, dass dieser Tag für mich nicht einfach werden würde. Ich will auch gestehen, ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen." Wie kalt die Eiszeit ist, die derzeit zwischen der Thüringer Landesregierung und vor allem CDU-Landräten im Freistaat herrscht, erkennt jeder, der auch nur flüchtig auf die Körpersprache derer schaut, die an diesem Mittwoch an dieser Tagung des Landkreistages teilnehmen.

Wobei - es sind eben nicht nur CDU- und CDU-nahe Landräte, die einen derart offenen Konfrontationskurs zu Ramelow und seiner Regierung fahren. Ja, die Angriffe von Landräten mit diesem Parteibuch auf Ramelow sind besonders heftig - auch jenseits der Angriffe Schweinsburgs, die schließlich mit einem vielsagenden Einwurf ihre Kollegen zu weiteren Verbalattacken auf Rot-Rot-Grün einlädt: "Es gibt jetzt zwei Wortmeldungen, keine Mordmeldungen", sagt sie.

Der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU) wirft Rot-Rot-Grün beispielsweise vor, Rot-Rot-Grün habe vor lauter Visionen für das Land die Bodenhaftung und das Gespür für das Alltagsgeschäft im Land verloren. "Wir brauchen keine Programme zur Schaffung einer neuen Welt, die auch noch das gefährden, was noch funktioniert", sagt er. Dann schiebt er nach: "Wir sind die Fachleute. Vertrauen Sie uns doch, dass wir es besser wissen, wie wir das Tagesgeschäft händeln." Und: "Sie sind alle in Ihre Ämter als Laien hineingekommen." Die Ex-CDU- und noch immer Sonneberger Landrätin Christine Zitzmann fordert von Ramelow in einem zehnminütigen Monolog mehr Respekt und Wertschätzung für ihre Arbeit und die ihrer Kollegen. "Ich lebe genau wie Sie in diesem Freistaat!", ruft sie Ramelow zu.

Doch eben auch der Landrat des Kreises Schmalkalden-Meiningen, Peter Heimrich, setzt Ramelow an diesem Vormittag schwer zu. Der ist qua Parteibuch Sozialdemokrat. Und nun stellvertretender Präsident des Landeskreistages - und ganz auf Schweinsburgs Linie. Ramelow steht am Pult und redet, als, als Heimrich schließlich in den Saal ruft: "Jetzt wird's unverschämt! Das ist unverschämt!" Ramelow hatte den Landräten da gerade vorgeworfen, sie gäben gerne das Geld anderer Leute aus - weil die Landkreise keinen eigenen Steuereinnahmen haben, sondern fast alle ihre Einnahmen von den Gemeinden und kreisangehörigen Städten oder vom Land kommen. Die Mine Schweinsburgs wird in diesem Moment noch finsterer. Angespannter. Ihre Mundwinkel zeigen nicht mehr nach unten. Während ihre Augenbrauen einen Pfeil bilden, ebenso wie sie es bei Ramelow getan haben, ist ihr Mund zu einem schmalen Strich geworden, so fest presst sie die Lippen aufeinander.

Ist das alles nur Show? So wie Mitglieder des rot-rot-grünen Bündnisses es nach dieser Sitzung des Landkreistages behaupten. Wenn man mit den einzelnen Landräten hinter verschlossenen Türen spreche, seien die viel umgänglicher als bei solchen Auftritten, sagt einer aus dem Bündnis. Hildburghausens Landrat Thomas Müller (CDU) sieht das ganz anders. Show? "Das hier war doch noch schaumgebremst", ätzt er - und zieht von Dannen.

Autor

Bilder