Thüringen Stadt gegen Land: Streit ums Suhler Flüchtlingsheim geht weiter

Grüner Minister, schwarzer OB, keine Einigkeit: Dirk Adams, André Knapp Quelle: Unbekannt

Neuer Zündstoff beim Reizthema Flüchtlings-Erstaufnahme: Suhl plant eine Videoüberwachung, Land lehnt Obergrenze für die Zahl der Bewohner ab.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Suhl - Die Gleichzeitigkeit war Zufall, passte aber zur Stimmung: Gerade hatte der Suhler Stadtrat am Mittwochabend im CCS beschlossen, künftig per Videoüberwachung Regelverletzer und Straftäter in der Innenstadt abzuschrecken. Da entwickelte sich draußen vor der Tür aus der Belästigung einer jungen Frau eine Massenschlägerei, wie sie Suhl wohl lange nicht gesehen hatte. Zwei Gruppen von je sechs Männern gingen heftig aufeinander zu, es gab Flaschenwürfe, zwei der Streithähne wurden verletzt, als einer mit einem großen Ast auf sie eindrosch. Polizei und Rettungskräfte kamen mit einem Großaufgebot vor Ort, Passanten verließen erschrocken den Platz. "Es war ein Hauen und Stechen, eine Treibjagd", berichteten Augenzeugen, ein Urlauberpaar aus Stuttgart.

Die Missetäter waren offenbar nichtdeutscher Herkunft. So wie auffallend oft bei den Einbrüchen, Diebstählen und alkoholgeschwängerten Pöbeleien, die in den vergangen Wochen in Suhl zugenommen haben. Die Spuren führten zumeist ins Erstaufnahmeheim (EAE) auf dem Friedberg, wo derzeit offenbar mehr als nur die übliche Handvoll Bewohner zu jenen zählt, die es mit Recht und Ordnung nicht so genau nehmen.

Das Gefühl von Unsicherheit und Überlastung hatte zuletzt die CDU und die von ihr geführte Stadtverwaltung dazu bewogen, heftig gegen die Zustände in der vom Land betriebenen EAE zu protestieren. Mit rund 600 beträgt die Bewohnerzahl dort zwar nur ein Drittel der Anfang 2016 üblichen, dennoch sieht die Stadt sich selbst überlastet. Auch die große Mehrheit der schutzbedürftigen und anständigen Bewohner leide unter den Bedingungen, so die Argumentation.

Im Fokus des Suhler Frusts steht Migrationsminister Dirk Adams, dessen liberale grüne Flüchtlingspolitik ohnehin ein rotes Tuch für die CDU ist. Während Knapp insistiert, schon die eigenen Corona-Regeln des Landes mit all den Hygienevorschriften ließen kaum mehr als 300 Bewohner zu, will Adams von einem solchen Limit nichts wissen. Zwar gehe er davon aus, dass sich die Belegung demnächst ohnehin bei unter 400 einpendeln werde, dennoch seien durchaus 1000 Bewohner möglich.

Indem Adams die Verbindlichkeit des 300-Leute-Limits in dem vom Land entworfenen ersten Hygienekonzept abstreitet, räumt er zugleich ein, dass ein solches immer noch nicht in Kraft ist. Dies ist aber eigentlich bereits seit Monaten laut Landesverordnung vorgeschrieben. Zuständig ist aber nicht Adams’ Ministerium, sondern das Landesverwaltungsamt, auf dessen Agieren der politisch verantwortliche Minister offenbar keinen direkten Einfluss hat.

Knapp und die CDU werfen dem Freistaat genau dieses Kompetenzgerangel vor, das auch dazu führe, dass der Ausbau des Sicherheitszauns und die aus ihrer Sicht dringend nötige Aufstockung des Betreuungspersonals blockiert werde.

"Wir kümmern uns um jeden Missstand so schnell wie möglich", konterte Minister Adams auf Nachfrage unserer Zeitung. "Da können Sie mich beim Wort nehmen." Zwar dauerten einige Behördenvorgänge auch aus seiner Sicht leider zu lange. Den von der CDU behaupteten Ausgabenstopp gebe es aber nicht. Der Zaun um das Gelände, mit dem vor allem unerlaubte Eindringlinge ferngehalten und dunkle Geschäfte mit der Außenwelt verhindert werden sollen, sei in einer angemessenen Weise fertiggestellt worden. "Ich mache alle vernünftigen Sachen mit", sagte Adams, aber bei Stacheldraht oder Beton sei für ihn Schluss. "Die EAE ist kein Gefängnis."

Adams ist zugleich Justizminister, und als solcher versprach er, alles Nötige zu tun, damit die Staatsanwaltschaft bei Verfahren gegen mögliche Straftäter aus der EAE zügig und gerichtsfest ermittelt. "Wer gegen Gesetze verstößt, muss bestraft werden", sagte der Minister. Dazu muss aber eine Anzeige vorliegen. OB Knapp appellierte an alle Betroffenen, stets eine solche zu erstatten. er

Autor

Bilder