Suhl So viel Ruhe in Stadt und Partei

Alice Weidel im gläsernen Durchgang vom Hotel ins CCS. Der AfD-Bundesvorstand traf sich am Freitag streng abgeriegelt im Innern des Suhler Congress Centrums. Nur Parteichef Jörg Meuthen und sein innerparteilicher Gegner Andreas Kalbitz sprachen am Rande auch mit Journalisten. Fotos: frankphoto.de Quelle: Unbekannt

Den Streit um die Personalie Kalbitz, der eigentlich ein Richtungsstreit ist, hat die AfD nun in Suhl fortgesetzt. Ziemlich ungestört, im Herzen der Stadt.

 
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Suhl - Andreas Kalbitz will reden. Auch wenn er dabei immer wieder das Gleiche sagen muss. Nicht einmal die Hitze kann den AfD-Rechtsaußen am Freitag davon abhalten, sich mehr als eine Stunde lang in den Halbschatten vor dem Congress Centrum in Suhl zu stellen und dort die Fragen von Journalisten zu beantworten. Er, aus dessen Partei immer wieder gegen die "Lügenpresse" gehetzt worden ist, gibt sich nicht nur ganz geduldig, sondern auch überaus freundlich und höflich.

Jeden Satz sagt er mit einem Lächeln im Gesicht, schaut dem Fragesteller direkt und lange in die Augen. Hinter den Mikros und Notizblöcken kann er das Schild der Freies Wort -Lokalredaktion gegenüber vom CCS sehen. Auch bei der AfD hat man begriffen, dass es zwar beim eigenen Klientel gut ankommt, gegen die Medien Stimmung zu machen. Dass man aber die gleichen Medien braucht, um politisch zu überleben. Und darum kämpft Kalbitz gerade: Um sein politisches Überleben.

Freilich geht es dabei längst um mehr als ihn selbst. Es geht auch um das, wofür Kalbitz politisch steht. Der Streit um die Personalie ist Ausdruck eines Richtungskampfs innerhalb der AfD, bei dem der Teil um den AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen gegen den viel weiter rechts stehenden Flügel um Kalbitz und den Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke kämpft.

Dieser Konflikt ist ziemlich kompliziert geworden. Der AfD-Bundesvorstand hatte Kalbitz im Mai mit knapper Mehrheit aus der Partei gefeuert. Der Vorwurf: Der 47-jährige Landesvorsitzende der Brandenburger AfD habe beim Eintritt in die AfD verschwiegen, dass er Mitglied bei der mittlerweile verbotenen rechtsextremen "Heimattreuen Deutsche Jugend" (HDJ) war. Er sei nie bei der HDJ gewesen, beteuerte Kalbitz und geht juristisch gegen den Rauswurf vor. Das Landgericht Berlin hat die Entscheidung des Bundesvorstandes inzwischen kassiert, das Bundesschiedsgericht der AfD soll sie aber nun bestätigt haben. Schriftlich allerdings haben weder Meuthen noch Kalbitz diese Bestätigung vorliegen, auch in Suhl bekamen sie sie nach eigenen Angaben nicht zu Gesicht.

Und um die Sache noch komplizierter zu machen: Beide Gerichtsentscheidungen sind im Eilverfahren gefallen. Das heißt, sie sind nur als vorläufig zu verstehen. Es gilt deshalb, das Hauptsacheverfahren vor dem AfD-Bundesschiedsgericht abzuwarten. Doch selbst dies dürfte nicht das Ende dieses Konflikts sein; ganz sicher dann nicht, wenn es nicht zugunsten von Kalbitz - und damit im Sinne von Höcke - ausgeht.

So wie es in einem vergleichbaren Fall bei denen, die von der AfD so gerne als "Altparteien" gescholten werden, wohl auch wäre, bemühen sich während der Tagung des Bundesvorstands in Suhl sowohl Kalbitz als auch Meuthen, den großen Grundsatzkonflikt kleinzureden. Wobei ihnen der Versuch umso leichter fällt, weil der Bundesvorstand ganz ungestört im Congress Centrum tagen kann, bevor am späteren Nachmittag dann noch die AfD-Landesvorsitzenden anreisen, um über die aktuelle Lage der Partei und das Wahljahr 2021 zu reden.

Dass mit dem AfD-Bundesvorstand alle illustren Führungsfiguren in Südthüringen versammelt sein werden, war erst am Donnerstagnachmittag aus Berlin durchgesickert. Weder die AfD noch der Vermieter noch die Polizei gingen an die Öffentlichkeit. Schon Donnerstagabend patrouillieren Beamte durch Suhl. Am Tag danach wird bekannt, warum: Beatrix von Storch und Jörg Meuthen waren schon angereist, sie hatten am Abend auf der Terrasse eines Griechen in der Suhler Fußgängerzone gespeist.

Am Freitag stehen mehrere Einsatzwagen im Umfeld des Congress Centrums, Polizisten peilen die Lage. Im Inneren des CCS patrouillieren Polizisten in Uniform und in Zivil, belehren Journalisten darüber, dass Bildaufnahmen der AfD-Leute dort unzulässig seien. Das ist der Grund, der Kalbitz vor die Tür zwingt, um mit den Medien zu sprechen.

Am späten Nachmittag schließlich taucht eine kleine Gruppe von Demonstranten vor dem CCS auf. Grüne, Linke, SPDler, die ihren Unmut über die AfD kundtun. "Nazis nein danke", steht auf einem der Plakate, die sie in die Sonne halten. Der Suhler Linken-Landtagsabgeordnete Philipp Weltzien hatte zur Spontandemo aufgerufen. "Ein unerträgliches Maß an Provokation" sei das AfD-Treffen in Suhl, sagt er und kritisiert das Hotel, in dem die AfD-Spitze nächtigt: Das City-Hotel neben dem städtischen CCS, die Dependance einer regionalen Gastro-Kette, zu der auch das bekannte Suhler Gasthaus "Goldener Hirsch" gehört. Dessen Chef habe "willfährig den Rechtspopulisten die Unterbringung ermöglicht", sagte Weltzien.

Dass die AfD vielerorts in Deutschland ein ungebetener Tagungsgast ist, "schränkt die Anzahl der zur Verfügung stehenden Einrichtungen in erheblichem Maße ein", erklärte ein Sprecher des Thüringer AfD-Landesverband, der nach eigenen Angaben auch erst kurzfristig vom Suhl-Besuch der Bundesspitze erfahren hatte

In praller Suhler Sonne

Suhl gehört nun in die Reihe der Städte, in der die Partei es da offenbar leichter hat. "Die AfD ist ein Kunde wie jeder andere", sagt City-Hotel-Chef Andress Sommer-Kessel nur. Die AfD hatte die Tagung beim Hotel gebucht, dessen Chef wiederum mietete den "Saal Simson" im stadteigenen CCS an. Dabei soll er erst ganz kurzfristig mitgeteilt haben, um welche Art Gäste es sich handelt, hieß es. Wie die Stadtverwaltung das sieht und was sie von dieser besonderen Suhl-Werbung hält, ist unbekannt. Anfragen an das Büro von Oberbürgermeister André Knapp (CDU) blieben am Freitag unbeantwortet.

Zu diesem Zeitpunkt haben sowohl Meuthen als auch Kalbitz schon erklärt, trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen zur Personalie Kalbitz gehe die Arbeit im AfD-Bundesvorstand - dem der Brandenburger angehört - sachlich weiter. Nachdem Kalbitz Meuthen und dessen Unterstützern einmal mehr "den Versuch von Tricksereien" vorgeworfen hat, bekräftigt er sogleich, trotzdem werde sich die Partei nicht spalten. Das sei nur ein Wunschgedanke der politischen Gegner. Die AfD lebe von ihrer inhaltlichen Breite.

Während Kalbitz das wieder und wieder sagt, wandert der Schatten weiter, sodass der Mann schließlich in der prallen Suhler Sonne steht.

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