Bei der Auseinandersetzung vor der Thüringer Staatskanzlei im Zentrum Erfurts hat nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen eine Gruppe die andere angegriffen. Die erste Auswertung von Videos zum Tatgeschehen am frühen Samstagmorgen zeige, «dass das keine gegenseitige Schlägerei ist», sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, Hannes Grünseisen, am Montag. Vielmehr sei nach dem bislang gesichteten Videomaterial eine Gruppe Menschen zu der anderen gekommen.

Teilweise hätten sich einzelne Dazukommende unter die Mitglieder der anderen Gruppe gemischt. Dann hätten die Ankommenden angefangen, auf etwa 15 Männer und Frauen einzuschlagen. Weil die Gesamtsituation sehr dynamisch gewesen sei, lasse sich bislang nicht genau sagen, wie viele Angegriffene es gegeben habe.

An der Schlägerei waren nach Angaben vom Wochenende bis zu 30 Menschen beteiligt. Drei Männer waren wegen des Angriffs kurze Zeit nach der Tat vorläufig festgenommen worden. Alle wurden wieder auf freien Fuß gesetzt. Es lagen keine ausreichenden Gründe vor, um sie in Haft zu behalten. Zum Hintergrund der Tatverdächtigen oder ihren Motiven machte Grünseisen keine Angaben. «Der Grund für den Angriff ist uns bislang nicht bekannt», sagte er.

Nach seinen Angaben muss die Situation sehr unübersichtlich gewesen sein. Alles in allem habe der Angriff nur wenige Minuten gedauert. Es werde nun Videomaterial ausgewertet. Bislang seien vor allem Aufnahmen aus dem Überwachungssystem der Staatskanzlei vorhanden. Außerdem gebe es noch eine Videoaufnahme, die eine attackierte Frau gemacht habe. Wenn Angegriffene weitere Video- oder Bildaufnahmen von dem Geschehen besäßen, sollten sie sich an die Polizei wenden, so Grünseisen.

Nach bislang unbestätigten Meldungen sollen zumindest einige der Angreifer der rechten Szene zuzuordnen und Kampfsportler sein. Einige von ihnen sollen unter anderem szenetypische Kleidung bei dem Überfall getragen haben.

Unklar ist zudem auch noch, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Überfall in Erfurt und einem Zeltlager gibt, das am Samstag in Stützerbach von der Polizei aufgelöst worden war. Die Polizei hatte am Sonntag mitgeteilt, in dem Dorf habe es ein „wildes Camp des rechten Klientels“ gegeben – ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Nach Informationen der Linke-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss sollen sich dort offenbar militante Neonazis aus Thüringen und mehreren Bundesländern getroffen haben, um Kampfsport zu trainieren. Bei dem Treffen habe es sich tatsächlich um ein modernes Wehrsportlager gehandelt, sagte sie.

Erst im April waren die Justiz und die Sicherheitsbehörden in Thüringen und Sachsen-Anhalt gegen gewaltbereite Rechtsextreme vorgegangen, die auch der Kampfsport- und Hooligan-Szene zugerechnet werden. Damals waren drei Männer festgenommen worden, die dem sogenannten Jungsturm des Fußballclubs Rot-Weiß-Erfurt angehören sollen.