Erfurt/Sonneberg - Schlachthof-Schließung wirkt bis in Thüringer Schweineställe

Andreas Hummel, Birgitt Schunk
Müssen Thüringer Schweine nun länger im Stall bleiben, weil bei Tönnies in Nordrhein-Westfalen Corona ausgebrochen ist? Archiv Foto: dpa

Die Corona-bedingte Schließung eines Mega-Schlachthofs in Westfalen bereitet auch Thüringer Schweinehaltern Probleme. Allerdings ist die Betroffenheit regional sehr unterschiedlich.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Erfurt/Sonneberg - - Die Schließung des größten deutschen Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen) nach einem Corona-Ausbruch beschert Thüringer Schweinehaltern Absatzprobleme. "Die Situation ist sehr angespannt", sagte die Nutztier-Expertin des Thüringer Bauernverbandes, Anne Byrenheid, am Donnerstag. Zwar würden an anderen Schlachthöfen Sonderschichten gefahren, doch der Abverkauf schlachtreifer Tiere stocke. Das führe nicht nur zu Einbußen bei den Mastbetrieben, auch die Schweinezüchter bekämen ihre Ferkel schlechter los.

Mehr als 1550 Beschäftigte des Schlachtbetriebs in Westfalen haben sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Deswegen war er geschlossen worden. Die weggebrochene Kapazität könne nicht sofort von anderen Schlachthöfen aufgefangen werden, betonte Byrenheid. Nur etwa jedes zehnte in Thüringen gemästete Schwein werde im Freistaat geschlachtet, viele kommen nach Weißenfels (Sachsen-Anhalt). Der Fall in Westfalen habe aber zu einer Verschiebung am Gesamtmarkt geführt, erläuterte die Expertin. "Der Abfluss der Tiere läuft auch bei uns in Thüringen deswegen nicht mehr reibungslos."

Allerdings ist die Betroffenheit regional sehr unterschiedlich, wie eine Nachfrage bei mehreren Betrieben in Südthüringen ergab. In der Agroprodukt Sonneberg e.G. beispielsweise gibt es keine Sorgen wegen der Vermarktung der Schlachtschweine. Der Betrieb liefert in überschaubarer Größenordnung an den regionalen Schlachthof Kronach. "Pro Woche lassen wir 25 Schweine schlachten, das Fleisch geht alles in unsere Direktvermarktung", sagt Vorstandsvorsitzender Volker Ehrlicher.

Auch die Bäuerliche Produktion- und Absatz AG Hellingen (Kreis Hildburghausen) ist von Absatzproblemen aktuell nicht tangiert. "Vor drei Wochen haben wir die letzten Schweine schlachten lassen", sagt Chef Ralf Röder. Die nächsten Schlachttiere müssen erst wieder heranwachsen. Das Unternehmen liefert seine Tiere in Schlachthöfe in Weißenfels und Hof. Röder ist sich sicher, dass der jetzige Aufschrei über Arbeitsbedingungen bei Tönnies und Corona schnell vergessen sein wird. "In vier Wochen ist das den Leuten wieder egal, dann wollen sie wieder billig, billig, billig."

Probleme altbekannt

Dass die Schweinebranche generell Probleme hat - egal ob mit oder ohne Corona - ist offenkundig. Und so hat auch das Familienunternehmen Norbert Wirsching aus Rieth (Kreis Hildburghausen) jetzt entschieden, seine Schweineproduktion auslaufen zu lassen. Zeitweise hatte der Betrieb 1700 bis 1800 Mastschweine. "Jetzt haben wir nur noch 500", sagt Wirsching.

"Die Schweineproduktion lohnt sich nicht mehr." Strenge Auflagen, Preisdruck, notwendige Investitionen und vieles mehr hätten die Arbeit immer mehr erschwert. "Wir können nicht bei jedem Schwein, das wir verkaufen, drauflegen", sagte er mit Blick auf die Erlöse. "Bei uns ist deshalb Schluss." Für die Bauern bedeute die Schließung des größten Schlachthofs zum Beispiel höhere Kosten, etwa weil sie die Tiere länger füttern müssen, hieß es vom Bauernverband. Zudem wachsen sie weiter und nehmen zu. Größere Tiere brauchen mehr Platz. Und weil die Abnehmer weitgehend genormte Schlachttiere haben wollen, bekämen die Bauern Preisabschläge bei zu schweren Tieren, erklärte Byrenheid. Auch komme es zu einem Rückstau bei den Ferkelerzeugern, wenn die Masttiere länger in den Ställen bleiben. Immerhin sei der Preis angesichts der guten Nachfrage in der aktuellen Grillsaison bisher stabil mit derzeit 1,66 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht.

Nach Einschätzung Byrenheids könnten die Schweinehalter die Mast ihrer Tiere um etwa zwei Wochen hinauszögern. "Alles darüber ist problematisch." Sie verweist auf die USA, wo es in ähnlichen Fällen Nottötungen gab. "Wir hoffen, dass das bei uns nicht nötig sein wird."

Nach Angaben des Landesamtes für Statistik wurden zuletzt in Thüringer Betrieben mit mindestens 50 Tieren oder 10 Zuchtsauen mehr als 691 000 Schweine gehalten (Stichtag: 3. November 2019).

Bilder