Zella-Mehlis "Probleme der Gegenwart und Zukunft nur gemeinsam lösbar"

"Mehr Ladesäulen und mehr Elektroautos lösen unsere Probleme nicht. Sie lösen nicht einmal das Verkehrsproblem, geschweige denn unsere ökologischen Probleme", sagt Frank Eckardt am Mittwochabend in Zella-Mehlis. Denn Probleme könnten nicht mehr nach Sparten getrennt gelöst werden. Foto: ari

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Frank Eckardt liefert in der Reihe "Querdenken" eher unbequeme Antworten. Seine These: Wir müssen streiten. Und kommunizieren.

 
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Zella-Mehlis - Mehr Grün, mehr Platz für Radfahrer. Und Fußgänger. Für Alt und Jung. Und natürlich sozial gerecht und ökologisch. So soll die Stadt der Zukunft aussehen? Alles schöne Wünsche, doch alles viel zu einfach. Und vor allem alleine nicht zu realisieren, sagt Frank Eckardt, Professor für Urbanistik in der Bauhaus-Universität in Weimar, am Mittwochabend in Zella Mehlis. In der Reihe "Querdenken" haben diese Zeitung, das Kulturprojekt Aufwind und der Verein Provinzkultur den Wissenschaftler dazu eingeladen, seine Vision einer Stadt für das Jahr 2069 zu entwerfen.

Keine einfache Aufgabe, wie Eckardt einräumt. Eine Planung für eine Stadt, wie sie in 50 Jahren sein soll? Doch es führe kein Weg daran vorbei, wenn die Menschheit die Umweltprobleme in den Griff bekommen wolle, sagt Eckardt. Und erklärt, dass Prognosen über mehrere Jahrzehnte durchaus möglich seien. Der Club of Rome habe das 1972 mit seiner Studie zum Verbrauch der Ressourcen bewiesen. "Nach fast 50 Jahren stellte man dann zwar fest, dass die Ergebnisse nicht genau so eingetroffen waren, wie die Wissenschaftler von damals sie prognostiziert hatten. Doch das lag vor allem daran, dass sie damals nicht wissen konnten, dass wir neue Methoden zur Förderung von Erdöl entwickeln. Unser Verbrauch von Ressourcen ist tatsächlich also noch viel schlimmer ausgefallen, als 1972 gedacht", sagt Eckardt.

Weniger verbrauchen

Und die Antwort darauf? "Können Stadtplaner nicht alleine liefern", sagt Eckardt. Die Menschheit müsse endlich aufhören, in Disziplinen und Schubladen zu denken. Die aktuellen Probleme der Menschheit ließen sich nur interdisziplinär lösen. Die Antwort auf unsere Verkehrsprobleme könne daher nicht nur eine Verkehrswende sein und der Aufbau von Millionen von Ladesäulen für Elektroautos. "Wenn wir unsere mehr als 40 Millionen Autos in Deutschland alle durch Elektroautos ersetzen, dann haben wir nichts
gewonnen", sagt Eckardt. Schließlich verschlinge die Gewinnung der Rohstoffe für ein Elektroauto 400 000 Liter Wasser. "In Regionen, die schon heute an Wasserknappheit leiden."

Die Lösung der Verkehrsprobleme müsse also auch der Frage nachgehen, wie viel Gesellschaft sich Deutschland künftig noch leisten kann und will. Für seine eigene Disziplin bedeute die Entwicklung von Lebensräumen der Zukunft ebenfalls einen radikalen Wandel. Beim Aufbau des Lehrstuhls in Weimar sei bewusst auf den Begriff Stadtplanung verzichtet worden. "Doch 2015 haben unsere Studenten rebelliert, weil wir die Komponente Ökologie in unserem Lehrangebot vergessen hatten", sagt Eckardt. Also holte die Hochschule das nach. Als bisher einzige in Deutschland.

Die Stadt, oder vielmehr das Wohnumfeld der Zukunft, denn Dörfer und das platte Land bezieht Eckardt ausdrücklich mit ein, müsse aus seiner Sicht drei Dinge erfüllen: Sie müsse politisch sein, lernend und gemeinschaftlich. So könne eine Postwachstumsstadt entstehen. Wobei das nicht bedeute, dass die Einwohnerzahl nicht mehr wachsen dürfe. Es bedeute, dass die Stadt ihren Ressourcenverbrauch nicht immer weiter steigere, beim Konsum nicht immer weiter wachse. Es bedeute, dass Städte nicht allein ihre Probleme lösen könnten. Unsere Probleme der Gegenwart und Zukunft können wir nur gemeinsam lösen", so Eckardt. Konkret vor Ort also nur Zella-Mehlis gemeinsam mit Suhl eingebunden in Thüringer und deutsche Strategien. So könnten Konzepte entstehen, den Ressourcenverbrauch einzudämmen. Denn wir Deutschen würden uns von gelben Tonnen blenden lassen. Die Wahrheit sei, dass asiatische Länder unseren Plastikmüll inzwischen nicht mehr haben wollten. Nur 14 Prozent unseres Hausmülls werden wirklich recycled.

Die Stadt der Zukunft, sie ist für ihn aus Sicht des Stadtplaners auch eine, die die Bevorzugung des Autos überwinden muss. "Es scheint in Deutschland das ungeschriebene Recht zu geben, sein Auto vor der eigenen Haustür abstellen zu dürfen. Versuchen Sie das einmal mit einem Kinderwagen. Ich prophezeie Ihnen, dass Sie schnell Besuch vom Ordnungsamt bekommen werden."

Die Stadt der Zukunft muss für Eckardt auch eine sein, die das Problem des Bauens löst. Unser Glaube an Beton führt zu einer weltweiten Sandknappheit. Und so schließt sich bei Querdenken ein Kreis. Hatte doch Erwin Thoma, Gast der Veranstaltungsreihe im vergangenen November, erklärt, dass unsere heutige Art zu bauen vor allem eines produziere: Viel zu viel Müll.

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