Meiningen/Weimar - Auf den ersten Blick klang die Nachricht gut, die die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen am Donnerstag verbreiteter. "Viele Bewerbungen auf freie Arzt- und Psychotherapeutensitze in Thüringen", lautete die Überschrift. Doch ein genauerer Blick in die Zahlen offenbart, dass sich der Mangel vor allem an Haus- und Augenärzten auch in Südthüringen in den kommenden Jahren weiter verstärken dürfte. Auf die ausgeschriebenen freien Arztsitze gab es nur wenige oder - im Fall der Augenärzte - gar keine Bewerbungen.

Der Bedarfsplan

Wie viele Ärzte und Psychotherapeuten welcher Fachrichtungen für die ambulante Versorgung von wie vielen Menschen ausreichend sind, hat der Bundestag per Gesetz definiert. Details dazu legt der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest, ein Gremium aus Vertretern der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Auf Basis dieser rechtlichen Vorgaben errechnet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen, wie viele Ärzte bzw. Psychotherapeuten in welchen Thüringer Regionen (Planungsbereichen) praktizieren dürfen. Das Ergebnis wird Bedarfsplan genannt.

So teilte die KV mit, dass bei den Thüringer Zulassungsausschüssen für Ärzte und Psychotherapeuten nach Veröffentlichung des neuen Bedarfsplanes mehr als 300 Bewerbungen eingegangen seien. Besonders groß sei das Interesse an Sitzen für Psychotherapeuten. "Für die 17,5 freien Sitze gingen 237 Bewerbungen ein", so KV-Sprecher Veit Malolepsy .

Viele Psychotherapeuten hätten sich mehrfach beworben, jeweils in verschiedenen Regionen. Der Zulassungsausschuss für Ärzte erhielt 68 Bewerbungen, verteilt auf unterschiedliche Fachgruppen.

Deutlich schlechter fällt das Verhältnis aus freien Arztsitzen und Bewerbungen schon bei den Hausärzten aus. Auf die aktuell 55 freien Sitze für Hausärzte in Thüringen bewarben sich 14 Interessenten, fünf von ihnen im Raum Meiningen. In dem flächenmäßig relativ großen Planungsbereich im Südwesten Thüringens sind aber sechseinhalb Hausarztsitze frei.

Vor allem in Orten, die weiter von der Kreisstadt entfernt sind, war es Hausärzten zuletzt schwer gefallen, Nachfolger zu finden. Vachdorf ist dafür nur ein Beispiel. Patienten hatten ihre liebe Mühe, einen neuen Hausarzt in der Nähe zu finden, der sie überhaupt noch aufnimmt.

Bewerbungen von Hausärzten gab auch es in den Regionen Neuhaus-Lauscha, Bad Lobenstein, Eisenach-Land, Arnstadt, Kahla, Hildburghausen und Zeulenroda/Triebes.

Im fachärztlichen Bereich erhielt der Zulassungsausschuss allein 24 Bewerbungen auf Sitze für Nervenärzte (Neurologen und Psychiater). In dieser Fachgruppe waren durch die neue Bedarfsplanung mit 21,5 die meisten Arztsitze neu entstanden. Außerdem bewarben sich Urologen, HNO-Ärzte Kinderärzte und zwei Rheumatologen.

Geradezu dramatisch spitzt sich die Situation bei den Augenärzten zu. Sie sind schon jetzt Mangel, vor allem auch in Südthüringen, wo Patienten mittlerweile bis nach Schweinfurt oder Würzburg ausweichen, um zeitnah einen Termin zu bekommen.

Entsprechend besorgt zweigt sich Annette Rommel, erste Vorsitzende der KV Thüringen, über die jüngste Entwicklung. "Die Zahl der unbesetzten Augenarztsitze steigt kontinuierlich und beträgt aktuell 13,5. Auf keinen dieser Sitze erhielt der Zulassungsausschuss eine Bewerbung", berichtete Rommel. Das sei besonders ärgerlich, da die KV die Niederlassung von Augenärzten zum Beispiel mit dem Programm "WeitBlick" fördere.

Das Problem, junge Augenärzte für Thüringen zu finden, beschränke sich jedoch nicht auf die ambulante Versorgung, so Rommel. Es beginne beim Studium, setze sich in der Facharztweiterbildung fort und zeige sich in der Versorgung in Praxen wie Kliniken. Die KV Thüringen ruft alle Beteiligten auf, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Insgesamt aber zeigte sich Rommel erfreut über das Interesse an der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung in Thüringen. "Besonders freut mich, dass sich die Bewerber für Stadt und Land gleichermaßen interessieren. Die KV wirbt seit Jahren für die ambulante Tätigkeit in Thüringen. Wir fördern junge Ärzte, die zu uns kommen wollen, sowohl inhaltlich als auch finanziell. Das löst zwar nicht jedes Problem, bewirkt aber mehr als Jammern über Ärztemangel."

Die Bewerbungen auf die freien Sitze werden jetzt vom Zulassungsausschuss für Ärzte und dem für Psychotherapeuten in Thüringen geprüft. Ab dem Herbst entscheiden die Ausschüsse über die Besetzung. Ärzte und Psychotherapeuten, die den Zuschlag erhalten, haben dann jeweils drei Monate Zeit, um ihre Praxis zu eröffnen bzw. ihre Arbeit als Angestellte aufzunehmen. Bewerbungen auf noch freie Sitze sind jederzeit beim Zulassungsausschuss möglich.