Tessa weint, wenn er ihr Videos von den Kindern vorspielt. Immerhin: Ein Auge kann sie öffnen. Jeder noch so kleine Fortschritt wird ein kleines Fest. Zwei Mal schon habe sie die linke Hand gehoben und ein Mal mit dem Daumen zugedrückt, erinnert sich Sven Köhler. Ob sie jemals wieder aufwacht? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Vielleicht in einem Jahr, in fünf Jahren oder zehn Jahren?
Hier, im Erfurter Krankenhaus, bekommt die werdende Mutter beste Versorgung für sich und das Kind. "Ich hätte jeden Tag zu ihr gehen können", berichtet Sven Köhler. Aber der große Haushalt fordert seinen Tribut. So fährt er damals nur ein Mal in der Woche mit Schwiegermutter Nikoletta von Schmalkalden nach Erfurt. Der Termin der Geburt rückt näher. Am 15. Juli darf der werdende Vater noch einmal vor der Entbindung zu seiner Frau. Das Baby soll mit Kaiserschnitt geholt werden. Die Geburt verläuft erfolgreich. Edward kommt auf die Welt, das neunte Kind der Familie.
Direkt danach darf er mit dem Neugeborenen in den Aufwachraum zu seiner Tessa. Am nächsten Tag ist er wieder da. Für eine Nacht bekommt er ein Zimmer in der Klinik. Danach nimmt er den kleinen Edward mit zu sich nach Hause. Alle drei Stunden gibt er nun Fläschchen, wickelt das Baby und kümmert sich um den Rest der Familie.
Vor allem zu Lockdown-Zeiten war das alles hart. Da hat er die Kinder zur Schule mit den versetzten Unterrichtszeiten gefahren, mit ihnen Home-Schooling erlebt - bei vier Schulkindern in unterschiedlichen Klassen mehr als nur nervenaufreibend. Ganz nebenbei muss er sich um das alte Wohngebäude im Wald kümmern, das einst eine bekannte Ausflugsgaststätte war. Es muss dringend umgebaut werden. Denn sobald Ehefrau Tessa aus der Reha, zu der sie nun wieder gebracht wurde, entlassen wird, möchte er sie zu sich nach Hause holen. Zeitlich wird das aber leider nicht zu stemmen sein.
Ein paar Wochen, so rechnet Sven Köhler, muss sie in eine Wohngemeinschaft mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung. "Egal wie, du kommst wieder nach Hause", hat der Familienvater seiner Frau versprochen. Reagiert hat sie mit Tränen.
Aber anders geht es irgendwie auch gar nicht. Die Kinder fragen nach ihrer Mama. Er hat ihnen alles erzählt. Nun graut ihm vor dem ersten Kontakt seit jenem schlimmen 29. Februar. Denn die Jungen und Mädchen haben ihre Mutter seit Monaten nicht gesehen. Und wissen daher noch nichts von ihren Veränderungen. Wenn schon Ehemann Sven sie nicht erkannt hat ... Deshalb sucht er nun nach psychologischer Betreuung für seine Kinder.
Das nächste Problem ist das Geld. Beide Elternteile bekommen momentan nur 68 Prozent des Lohns als Krankengeld. Denn auch Sven kann derzeit nicht arbeiten, sonst wäre die Betreuung des Jüngsten nicht möglich. Das schlägt ins Kontor. Der Umbau für die Bedürfnisse der kranken Tessa muss finanziert werden. "Die 4000 Euro von der Kasse reichen dafür nicht aus", gesteht Sven Köhler. Und dann kommt noch das altersschwache Familienauto, ein Kleinbus, bei dem Reparaturen anstehen.
Die Sorgen des Mannes sind erdrückend. Und trotzdem schaut er nach vorne, daheim im engen Pfaffenbachtal zwischen Schmalkalden und Trusetal. "In der ganzen Situation sind wir noch gut dran, weil wir hier im Waldhaus leben und sich die Kinder viel im Freien bewegen können". "Das Leben geht weiter, es geht eben nur ganz anders weiter", sagt Sven Köhler. Aber auf jeden Fall hält die Familie zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten.
Der Verein "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander" unterstützt die Familie Köhler mit einer Soforthilfe von 3000 Euro.
"Freies Wort hilft" nimmt weitere Spenden entgegen. Jeder Euro kommt ohne Abzug bei der Familie an und ist steuerlich absetzbar. Kontoverbindung: IBAN DE39 8405 0000 1705 017 017. Bitte Verwendungszweck "Waldhaus" angeben.