Es ist ein halbes Jahr her, dass Roman Bialas schwer an Covid-19 erkrankt ist. Drei Wochen wurde der 69-Jährige aus Gera im SRH-Krankenhaus behandelt, im August war er zur Reha an der Ostsee - doch die Folgen spürt er noch immer. «Es ist nicht mehr wie zuvor», erzählt der Senior. Er spricht von einem ständigen Druck beim Atmen. «Das fühlt sich an, als läge ein fünf Kilo schwerer Kartoffelsack auf meiner Brust.» Er habe Gewicht verloren, Mühe mit der Feinmotorik seiner Finger, fröstelt auch an heißen Tagen und kommt bei kleinsten Anstrengungen ins Schwitzen. Vieles im Alltag falle deswegen schwerer als früher. Damit ist der Geraer nicht allein: Viele Patienten litten nach einer Covid-19-Erkrankung an Spätfolgen, berichten Ärzte.

Wo sich Bialas angesteckt hat, weiß er nicht. Kurz bevor im März die ersten Symptome auftraten, war er auf einer Fachmesse und hatte dort viele Kontakte etwa zu ehemaligen Kollegen, wie er erzählt. «Erst dachte ich, ich habe eine Grippe. Ich hatte Schüttelfrost, Fieber und alles hat weh getan.» Als sein Gesundheitszustand nicht besser wurde, brachte ein Corona-Test die Gewissheit. Noch am selben Abend wurde er ins Geraer Wald-Klinikum gebracht. «Da habe ich alles um mich herum schon nur noch durch einen Schleier wahrgenommen», erinnert er sich an die Tage im Frühjahr. Es wurde eine ausgedehnte Lungenentzündung festgestellt und er musste drei Wochen mit Sauerstoff versorgt werden.

Neben der Eindämmung der Corona-Pandemie selbst und der Behandlung von Erkrankten rücken für Ärzte immer stärker auch die Spätfolgen bei Patienten in den Blick. Dabei geht es längst nicht nur um Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf wie bei Roman Bialas. Und nicht nur die Lunge kann deutlichen Schaden nehmen. «Die Viren können nahezu alle Organe befallen und so können auch an nahezu allen Organen Folgeschäden auftreten», erklärt Professor Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Jenaer Uniklinikum.

An der Universitätsklinik wurde im Sommer eine Post-Covid-Ambulanz eingerichtet, deren Koordinator Stallmach ist. Und der Bedarf ist offensichtlich groß. Rund 40 Patienten wurden den Angaben nach bisher dort betreut, die Warteliste reicht aktuell bis Ende November. Der Experte spricht von zwei Gruppen an Hilfesuchenden.

Die einen wollten nach einer überstandenen Infektion wissen, ob sie weiter Antikörper haben und vor einer erneuten Infektion geschützt sind. «Ob ein solcher Schutz besteht, ist nicht sicher zu sagen», betont Stallmach. Auch beim Robert Koch-Institut heißt es, dass der Patient bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 zwar Antikörper bildet. «Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, wie regelhaft, robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird.»

Die andere, größere Gruppe seien jene Patienten, die zwar eine Covid-19-Erkrankung überwunden, aber mit deren Langzeitfolgen zu kämpfen haben, berichtet Stallmach. Das reiche von Luftnot über Konzentrationsstörungen und Depressionen bis hin zu Beschwerden mit Magen und Darm. Der Experte schätzt, dass mehr als die Hälfte derer, die wegen Covid-19 in einer Klinik behandelt werden mussten, Folgeschäden haben. Es gebe aber auch Menschen mit nur leichtem Krankheitsverlauf, die mit Spätfolgen zu kämpfen hätten. Sie alle bräuchten individuelle Hilfe von jeweiligen Spezialisten.

Halt und Unterstützung hätten ihm in diesem schwierigen Jahr die Freunde und seine Familie gegeben, sagt der passionierte Hobbymusiker Bialas. «Ich habe hier viele Menschen, bei denen könnte ich nachts zwei Uhr klingeln und die wären für mich da.» Dennoch ist er seither kürzer getreten, hat schweren Herzens seinen Garten abgegeben und überlegt in die Nähe der Familie seines Sohnes nach Niedersachsen zu ziehen. Kein Verständnis hat der 69-Jährige nach seinen Erfahrungen allerdings für Mitmenschen, die Corona leugnen und die Pandemie herunterspielen: «Da sind viele Menschen gerade sehr leichtsinnig und egoistisch.»

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