Erfurt In Corona-Krise wächst in Thüringen die Hilfsbereitschaft

Einkäufe für auf Corona positiv getestete Personen stehen in einem Hausflur. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Die coronabedingten Einschränkungen machen vielen Menschen zu schaffen. Nicht wenige fühlen sich einsam, brauchen Hilfe beim Einkaufen. Allerdings zeigt sich auch: Die Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen, ist groß.

 
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In der Corona-Krise zeigen zahlreiche Menschen ein großes Engagement für ihre Nachbarn oder auch für Mitmenschen, die sie nie zuvor gesehen haben. Die Bereitschaft, anderen zu helfen sei «sehr groß, und zwar spürbar höher als zuvor», sagte etwa die Sprecherin der Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Susanne Sobko, in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Die Helfer kommen aus allen Altersgruppen und Schichten, auf jeden Fall sind zahlreiche Menschen dabei, die sich erstmals ehrenamtlich engagieren.»

Ähnliches berichtete unter anderem der Direktor des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw), Frank Emrich. «Das Engagement unter Nachbarn kennt keine Altersgrenzen und funktioniert unabhängig von der familiären Situation», sagte er. Viele Wohnungsunternehmen hätten schon in der Vergangenheit Hilfsangebote organisiert und würden das auch in der Corona-Krise tun. Diese Angebote und die Bereitschaft der Menschen sich gegenseitig zu helfen seien «in den schwierigen Zeiten sogar noch gewachsen».

Nach Angaben der EKM und des Bistum Erfurts, der Wohnungswirtschaft, aber auch der Thüringer Ehrenamtsstiftung gibt es im gesamten Freistaat verschiedenste Hilfsangebote für all jene, deren Leben durch die Folgen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus stark beeinträchtigt sind. Darunter sind etwa ältere Menschen, die der Empfehlung folgen, als Risikogruppen-Vertreter nicht mehr selbst einkaufen zu gehen, Menschen, die wegen einer Corona-Infektion oder des Verdachts darauf in Quarantäne sitzen oder Menschen, die wegen Kontaktsperren alleine sind und zu vereinsamen drohen.

Ehrenamtlich kaufen Helfer den übereinstimmenden Angaben nach für solche Menschen Lebensmittel ein, oder besorgen für sie Medikamente aus der Apotheke. Manche helfen bei der Organisation von Videokonferenzen, damit Angehörige mit ihren Liebsten digital in Kontakt bleiben können.

Sobko sagte, zudem hätten manche Ehrenamtler Blumensträuße in Krankenhäusern vorbei gebracht, zum Beispiel um die Arbeit des medizinischen Personals zu würdigen oder sie hätten Ständchen vor Altenheimen gesungen. «Es geht also sowohl um konkrete Hilfe als auch um Zeichen, um die Zuversicht der Menschen zu stärken und Freude zu bringen.»

Einige Helfer bieten anonymere Formen der Unterstützung an. So verwies der Sprecher des Bistums Erfurt, Peter Weidemann, darauf, dass Menschen Lebensmittel oder Hygieneartikel in Plastikbeuteln gepackt an die Gabenwand der Herzen für Bedürftige am Erfurter Dom hängen können - und das auch regelmäßig tun.

Erst vor einigen Wochen hatte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen unter seinen Mitglieder eine eigene Umfrage dazu durchgeführt, wie sich die Nachbarschaftshilfe in Wohnvierteln zuletzt verändert hat. An dieser Umfrage beteiligten sich auch 79 Wohnungsunternehmen, die im vtw organisiert sind. Von ihnen gab ziemlich genau jedes zweite Unternehmen an, dass sich die gegenseitig Unterstützung von Nachbarn in der Corona-Krise verbessert habe. Allerdings haben den Einschätzungen der Unternehmen nach zuletzt auch Konflikte unter Nachbarn und Gewalt innerhalb von Familien durch die Krise leicht zugenommen.

Wer sich für andere in der Corona-Krise engagiert, kann von der Thüringer Ehrenamtsstiftung unterstützt werden. Nach Angaben einer Stiftungssprecherin, Alexandra Sauer, steht dort ein Fördertopf mit einem Volumen von insgesamt 30 000 Euro zur Verfügung, aus dem ehrenamtliche, selbstorganisierte Projekte zur Nachbarschaftshilfe mit maximal 300 Euro pro Projektantrag bezuschusst werden können.

«In der nunmehr siebten Woche der Laufzeit unseres Fonds konnten wir den Eingang von 79 Anträgen verzeichnen», sagte Sauer. So seien landesweit sowohl etablierte Verbände, Vereine, Kommunen, Kirchgemeinden, Bürgerstiftungen und Freiwilligenagenturen aber auch neu entstandenen Initiativen unterstützt worden.

Mancherorts in Thüringen gab es nicht nur in den vergangenen Wochen, sondern gibt es bis heute mehr Hilfsangebote als es Nachfrage danach gibt. Nicht nur Weidemann sagte, er wisse zum Beispiel von Angeboten zur Nachbarschaftshilfe in Saalfeld und Erfurt, die kaum in Anspruch genommen würden.

Auch Stephan Müller, der sich in einem kleinen Hilfsprojekt in der Region Saalfeld engagiert, erklärte, seine Gruppe aus Ehrenamtlern würde derzeit zwar drei ältere Ehepaare mit Einkäufen versorgen. Für diese Hilfe seien die Menschen auch sehr dankbar. «Wir hätten aber mit noch mehr Nachfragen gerechnet», so Müller.

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