Das FDP-Bundespräsidium ist scharf auf Distanz zum Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich gegangen. Es wies nach einer Schaltkonferenz am Freitag dessen jüngste Äußerung zu seiner Ministerpräsidentenwahl im Februar mit den Stimmen der AfD zurück. Zugleich kündigte die FDP-Bundesspitze an, falls Kemmerich bei der Landtagswahl erneut für eine Spitzenposition kandidieren sollte, ihn nicht zu unterstützen.

Kemmerich hatte am Donnerstag auf Twitter geschrieben: «Nicht die Annahme der Wahl war der Fehler (...), sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.» FDP-Generalsekretär Volker Wissing antwortete darauf am Freitag: «Die Annahme der Wahl war ein schwerer politischer und persönlicher Fehler. Sie stand in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten.»

Mit Blick auf die Landtagswahl am 25. April kommenden Jahres hieß es in der Erklärung Wissings, die Entscheidung über die Spitzenkandidatur treffe der FDP-Landesverband Thüringen. «Für das Präsidium der FDP steht jedoch fest, dass es keinerlei finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung für einen Wahlkampf eines Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich durch den Bundesverband geben wird.»

Kemmerich war am 5. Februar dieses Jahres überraschend zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden - mit Stimmen der AfD und ihres Fraktionschefs Björn Höcke, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Führungsperson eingestuft wird. Kemmerich nahm die Wahl an und löste damit ein politisches Beben aus, das bis nach Berlin reichte. Auf Druck der Öffentlichkeit und seiner eigenen Partei kündigte Kemmerich einen Tag nach seiner Wahl seinen Rücktritt an, den er wenige Tage später vollzog.

Im Mai sorgte Kemmerich dann erneut parteiintern für Ärger. Er nahm in Gera an einer Demonstration von Gegnern der staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie teil, bei der auch Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker mitgelaufen sein sollen. Für Empörung sorgte dabei auch, dass er Abstandsregeln nicht einhielt und keinen Mund-Nasen-Schutz trug. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, warf ihm daraufhin vor, der Partei «schweren Schaden» zugefügt zu haben. Seitdem lässt Kemmerich sein Amt im FDP-Bundesvorstand ruhen.

Die neue Kontroverse wurde ausgelöst durch Kemmerichs Twitter-Antwort auf einen Nutzer, der ihm geschrieben hatte, es habe nie eine größere Verunsicherung in Thüringen gegeben «als zu Ihrer Amtszeit... nicht zu vergessen der wirtschaftliche Schaden der daraus entstanden ist».

Aus Sicht der FDP-Spitze um Parteichef Christian Lindner wäre es eine Katastrophe, wenn Kemmerich wieder als Spitzenkandidat in Thüringen anträte. Sie fürchtet, dass dies den Liberalen im Bundestagswahljahr erheblich schaden könnte. Schon bei den politischen Wirren im Februar hatte es auch an Lindner massive Kritik gegeben.

Die Thüringer Grünen-Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich wertete die jüngsten Äußerungen Kemmerichs als Beleg dafür, «dass er für politische Ämter und Verantwortungsübernahme nicht annähernd geeignet ist». Er habe offenbar bis heute «nicht reflektiert, welchen Dammbruch er mit dem Tabubruch der Annahme der Wahl durch Faschisten begangen» habe.

Die Distanzierung der Bundes-FDP von Kemmerich komme zwar sehr spät, sei aber folgerichtig. «Spannend bleibt die Frage, wie die FDP-Landtagsfraktion dies sieht, deren Vorsitzender er ja nach wie vor ist und die sich somit mit ihm faktisch gemein macht», sagte Rothe-Beinlich. Vor diesem Hintergrund könne die liberale Fraktion für die Grünen kein verlässlicher Ansprechpartner sein.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) schrieb bei Twitter: «Ich danke der @fdp im Bund für diese klare Distanzierung. Ich hoffe die @fdp_thueringen zieht jetzt die dringend notwendige Konsequenz.» Maier ist auch Landesvorsitzender der Thüringer SPD. dpa