Ohrdruf Büffeln fürs Abitur: Schulalltag in der Pandemie

Helmut Holter (Die Linke) besucht das Gleichense-Gymnasium. Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Nichts ist normal in Zeiten der Krise. Seit Montag dürfen angehende Abiturienten wieder in die Schule, bis Anfang Juni sollen alle Altersgruppen wieder Präsenzunterricht haben. Organisatorisch ist das für Schulen und Schulträger eine Herausforderung.

 
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Mit einfachen Mitteln haben sie am Gleichense-Gymnasium Ohrdruf versucht, sich auf den Schulbetrieb in Corona-Zeiten vorzubereiten. Pfeile auf dem Boden sollen den Weg zum Essensraum so weisen, dass genügend Abstand zwischen den Schülern möglich ist, in etlichen Gängen und im Eingangsbereich wird zum Händewaschen aufgefordert, auf rollbaren Tafeln steht: «Abstand halten!»

Seit Montag sind einige Schulen in Thüringen trotz Corona-Pandemie wieder geöffnet. Zunächst dürfen nur die angehenden Abiturienten in die Schulen, um sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Schon nächste Woche sollen weitere Abschlussklassen folgen. Schrittweise - so der Plan - sollen bis Anfang Juni dann wieder alle Altersgruppen Präsenzunterricht in den Schulen bekommen. Zumindest an einigen Tagen in der Woche - in einem rotierenden System, bei dem es auch Zeiten für das Lernen zu Hause gibt.

«Ich möchte nicht, dass der Corona-Jahrgang in der Qualität unter den anderen Jahrgängen liegt», sagt Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke), der sich zum Neustart des Schulbetriebes am Gleichense-Gymnasium in Ohrdruf selbst ein Bild davon macht, wie Schulalltag in der Pandemie aussieht. Holter macht aber auch klar, dass die Bedingungen nicht an jeder Schule in Thüringen so gut sind wie in Ohrdruf. Die Schülerzahl ist überschaubar, die Sanitäranlagen in Ordnung.

In zwei Gruppen haben sie am Gleichense-Gymnasium die angehenden Abiturienten eingeteilt. Nur 28 Schüler legen an der Schule in diesem Jahr ihre Abi-Prüfung ab. In anderen Jahren waren es nach Angaben des Schulleiters Volker Rühl auch schon 40 bis 50.

Am ersten richtigen Schultag nach gut sechswöchiger Pause steht Wahrscheinlichkeitsrechnung auf dem Programm. Mathe-Lehrerin Angela Amli hat die Schüler in der Zwischenzeit frühere Abituraufgaben lösen lassen - zur Übung. «Die Kommunikation war schwierig», sagt Amli. In der Schule würden sich Schüler auch gegenseitig helfen, Fragen könnten viel schneller geklärt werden.

Und dann ist da noch der innere Schweinehund. «Ich habe gemerkt, dass wenn man ihnen ein Datum für die Aufgaben setzen muss. Sonst schieben sie es vor sich her», sagt die Lehrerin. Dies gelte weniger für den Abiturjahrgang, aber schon eher für die Jugendlichen in der achten Klasse. Eine Schülerin sagt, es sei nicht immer einfach gewesen, sich zu motivieren, für die Abi-Prüfungen zu lernen.

In einer Befragung des Kinderschutzbundes und der Fachhochschule Erfurt gab fast die Hälfte der Eltern an, dass ihnen die Begleitung ihrer Kinder bei schulischen Aufgaben nur teilweise gut gelinge. 15 Prozent fühlten sich dazu vor allem aus Zeitmangel, wegen Mehrfachbelastungen oder der ungewohnten Ersatzlehrer-Rolle nicht in der Lage. Nach Angaben des Kinderschutzbundes wurden mehr als 3000 von Eltern ausgefüllte Fragebögen ausgewertet. Die Online-Befragung sei vom 1. bis 12. April gelaufen.

Vieles ist anders in der Krise. Klassenfahrten gibt es derzeit nicht. Und wann die Ohrdrufer Schüler ihren Abiball feiern können, ist völlig ungewiss.

Derzeit hat jeder Schüler am Gleichense-Gymnasium eine Schulbank für sich. Viele haben neben sich ihre Maske liegen. In Thüringen sollen Schüler in den Pausen und beim Wechsel eines Raumes solche Nase-Mund-Schutzmasken in der Schule tragen. Im Unterricht ist dies nach den Regeln des Bildungsministeriums nicht nötig. Eine Ausnahme macht allerdings Jena, wo Schüler ab 4. Mai auch im Unterricht einen Nase-Mund-Schutz tragen müssen, im Freien aber darauf verzichten können.

«Ich bedauere, dass Jena diesen Schritt gegangen ist, weil Jena damit auch wieder Verunsicherung erzeugt», sagte Holter bei seinem Besuch in Ohrdruf. Damit entstünden Fragen bei Schülern, Eltern und Lehrern. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder seien für ein abgestimmtes Vorgehen in der Corona-Krise. «Nun ist Jena wieder vorgeprescht», sagte Holter. Dies sei unnötig.

Auch für eine Regelung im Altenburger Land, wo bei Lehrern, Mitarbeitern und Schülern die Körpertemperatur gemessen werden soll, bevor sie die Schule betreten, lässt Holter Unmut erkennen. «Ich hätte mir gewünscht, dass wir in Thüringen einheitlich vorgehen.» In den landesweiten Regelungen seien die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und des Gesundheitsministeriums berücksichtigt. Der Minister selbst spricht an diesem Tag ohne Maske, trägt den Schutz aber beim Wechsel des Raumes.

Holter betont mehrmals, ihm sei klar, dass Schule in Zeiten von Corona eine Herausforderung sei. Das gelte auch für die Schulträger, die etwa den Schülertransport zu organisieren hätten. Auch dort sollen Abstände gewahrt werden. «Uns wäre es perspektivisch lieber, wenn wir einen sechsten Unterrichtstag einführen könnten als jeden Tag doppelten Busverkehr zu organisieren», sagt der Landrat des Landkreises Gotha, Onno Eckardt (SPD).

Dafür aber müsste das Schulgesetz geändert werden. Holter macht wenig Hoffnungen. Er bräuchte dafür eine Mehrheit im Landtag, die Linke, SPD und Grüne allein nicht haben. «Ich habe aus heutiger Sicht nicht vor, das Schulgesetz zu ändern», macht Holter klar.

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