Fambach Isabells Schatz hat drei Räder

Die kleine Isabell aus Fambach ist glücklich. Endlich hat sie ihr Fahrrad, endlich kann sie damit umherdüsen. Lange hatte sie darauf gewartet. Es musste für die Sechsjährige ein Liegerad sein, denn Isabell kann das Radfahren nicht auf einem normalen Fahrrad lernen.

 
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Fambach - Die Krankheitsgeschichte der Sechsjährigen aus Fambach ist länger als die vieler Erwachsener. Im Alter von sieben Monaten wird bei ihr festgestellt, dass sie wahrscheinlich bei der Geburt einen Schlaganfall erlitten hat. Die Eltern wundern sich, dass sie schon in diesem Alter alles mit der linken Hand macht und nichts mit rechts. Es gab zunächst mehrere Vermutungen, was der Grund dafür sein könnte, ehe eine Computertomografie Gewissheit brachte. Weite Teile der für die Bewegung zuständigen Bereiche des Hirns sind geschädigt, als Folge eines Schlaganfalls. Sie kann die rechte Hand nicht nutzen, nicht greifen oder etwas halten.

Als das Mädchen laufen lernt, wird schnell klar, dass auch das rechte Bein in seinen Bewegungen eingeschränkt ist. Zahllose Arztbesuche und verschiedene physiotherapeutische Behandlungen - manchmal wahre Torturen für die Kleine - folgten seitdem. Aber es kommt noch schlimmer. Seit sie zwei Jahre alt ist, wird Isabell in unregelmäßigen Abständen von epileptischen Anfällen heimgesucht. Krankenhausaufenthalte sind beinahe schon traurige Routine für das Mädchen. Auch das Sprechen bestimmter Laute bereitet Isabell Probleme. Dass sie eine kleine Kämpferin ist, hat sie aber schon sehr oft bewiesen. Sie hat alles ertragen, sich jeden noch so kleinen Fortschritt erkämpft. Obwohl sie das rechte Bein beim Laufen nachzieht, wünschte sie sich von ihrem Opa Fußballschuhe und will Fußball spielen. Und der Wunsch wurde natürlich erfüllt. Wobei der Fußball und die Schuhe jetzt öfters in der Ecke liegen bleiben - denn jetzt hat Isabell ja ihr Rad!

Andere Kinder in Isabells Alter haben längst Radfahren gelernt. Ihr ist es wegen der eingeschränkten Beweglichkeit der rechten Hand nicht möglich, dies so zu lernen, wie es andere Kinder tun. Sie könnte den Lenker immer nur mit der linken Hand halten. Irgendwann kommt Isabells Vater Sascha der Gedanke an ein Liegerad. Ein solches Rad ist teuer und der nötige Umbau kostet auch noch extra. So muss zum Beispiel die Bremse von der rechten Seite des Lenkers, wo sie von Isabell ja nicht bedient werden kann, auf die linke Seite verlegt werden. Außerdem muss die Schaltung umgebaut werden. Das Angebot für das Rad und den Umbau reichen die Ilgens 2017 bei der Krankenkasse ein. Es folgen lange Verhandlungen, bis schließlich die Ablehnung ins Haus flattert.

Alles selbst finanziert

Und dann lesen Isabells Eltern im Ablehnungsbescheid der Krankenkasse diesen Satz, der wie ein Schlag ins Gesicht für sie ist: "Das Mädchen kann laufen und damit am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Ein Fahrrad ist dafür nicht nötig." Ein Satz, wie er wohl empathieloser nicht sein kann. "Während andere Mädchen und Jungs in ihrem Alter längst Rad fahren, kann Isabell es noch nicht. Und ein solcher, für die Entwicklung eines Kindes gravierender, Nachteil wird einfach so abgetan mit diesen Worten", ist Vater Sascha fassungslos.

Er entschließt sich, das Fahrrad selbst zu kaufen und auch den Umbau selbst zu zahlen. Nebenbei klagen die Eltern gegen den Ablehnungsbescheid vor dem Sozialgericht. Doch auch hier bekommen die Ilgens kein Recht. In der Begründung hieß es unter anderem, dass die Wirtschaftlichkeit des Rades nicht gegeben sei und, dass das Rad nicht zu einhundert Prozent einen therapeutischen Nutzen erfülle. "Andere Kinder brauchen, bis sie erwachsen sind, drei oder vier Räder. Isabells Rad ist so gebaut, dass sie es viele Jahre fahren kann. Deswegen denke ich auch, dass diese Investition sinnvoll ist", schildert Sascha Ilgen seine Sicht der Dinge.

Die Ilgens sind in Berufung gegangen. Bis vergangene Woche lag noch kein Ergebnis vor. Die Krankenkasse habe allerdings angekündigt, dass für den Fall, dass sie letztlich doch zahlen müsse, andere Maßnahmen gestrichen würden. Die Kasse zahlt zum Beispiel Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Auch bei anderen Hilfsmitteln für Isabell hatten die Eltern erst Widerspruch einlegen müssen, ehe die Kosten übernommen worden waren. "Was ist das nur für eine Welt? Unsere Krankenkassen erwirtschaften jedes Jahr Milliarden Euro an Überschüssen und dann so was", sagt Sascha Ilgen und schüttelt den Kopf. "Als ob es für jeden ein Budget gibt. Dabei kann doch niemand etwas dafür, wenn er krank ist und viel Hilfe braucht und genauso kann auch niemand etwas dafür, wenn er kerngesund ist." Manchmal frage er sich, ob die Entscheidungsträger anders urteilen würden, wenn sie selbst betroffen wären.

Wer die Familie unterstützen möchte, kann auf das Konto des Hilfswerks der Heimatzeitungen Freies Wort und Südthüringer Zeitung unter dem Stichwort "Isabell" spenden, IBAN: DE39 8405 0000 1705 0170 17 bei der Rhön-Rennsteig-Sparkasse. ilg

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