Thüringer helfen Loraine und die Hoffnung auf die Goldene Glocke

Gabi Bertram

Nicht mal zwei Jahre alt, und dann die schockierende Diagnose: Blutkrebs. Die kleine Loraine aus Hildburghausen kämpft tapfer, auch ihre Eltern sind stark. Sie brauchen aber Hilfe unserer Leser.

 
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Die junge Familie ist durch die Hölle gegangen und hat doch Hoffnung. Seitdem Lisa und Andreas Manteuffel aus Hildburghausen am Ende März die Diagnose Akute Lymphatische Leukämie (ALL) für ihr Töchterchen Loraine erhielten, kämpfen sie. Der schwere Schicksalsschlag hat sie getroffen. Er hat sie hart aus dem Alltag, aber nicht aus der Bahn geworfen.

Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL), auch Blutkrebs genannt, ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Lymphozyten sind weiße Blutkörperchen und Teil des Immunsystems. Ihre Vermehrung und Erneuerung sind bei gesunden Menschen strikt reguliert, bei der ALL aber außer Kontrolle: Durch Veränderungen des Erbmaterials einer Vorstufe teilen und vermehren sich die Zellen, ohne sich zu funktionstüchtigen Lymphozyten zu entwickeln. Die so entstehenden Lymphoblasten breiten sich im Knochenmark aus und behindern dort die Bildung gesunder Blutkörperchen. Über das Blut- und Lymphsystem werden die Blasten im Körper verteilt und können andere Organe befallen und schädigen.

Die ALL ist ein seltener Krebs (1,1 Fälle pro 100 000 Einwohner und Jahr). Kinder unter 5 Jahren sind aber fast fünfmal so häufig betroffen.

Seit Dienstag ist Loraine nach monatelanger Intensivtherapie wieder Zuhause, und alle wünschen nichts sehnlicher, als dass in ein, zwei Wochen die "Goldene Glocke" für sie geläutet werden kann in der Kinderkrebsstation in Erfurt. Dort, wo Loraine behandelt wird, bedeutet dieses Ritual: Die Leukämie ist im Griff.

Die Krankheit hat das Kind gezeichnet, aber nicht besiegt. Auf dem Küchentisch liegt eine lange Kette. Unzählige Perlen reihen sich aneinander, eine Wolke für jede Knochenmarktransplantation, orange und lila Perlen für jede überstandene Chemotherapie, ein kleiner Hut für die Zeit, wenn die Haare ausgehen: Das ist die Mutperlen-Kette für Loraine, die am 15. August ihren zweiten Geburtstag feierte.

"Es war die Hölle"

Die Intensivtherapie ist abgeschlossen. Loraine kann wieder lächeln, freut sich über ein spannendes Überraschungsei, quengelt ein bisschen nach dem Papa und will unbedingt Chips essen. Lisa und Andreas hoffen inständig, dass die erreichte Remission bestehen bleibt, also dass die Symptome weiter wegbleiben. Und dass die nun beginnende Erhaltungstherapie erfolgreich ist, dass es keinen Leukämie-Rückschlag und auch keinen anderen Krebs gibt und Loraine ein glückliches Kind werden kann.

Jedes Fiebermessen oder eine laufende Nase, sagt die Mama, verbreiten Panik, und Lisa hat Angst. Am 2. November war Loraine schon einmal Zuhause, bekam in der Nacht Fieber und musste wieder zurück in die Klinik nach Erfurt. Ein herber Rückschlag, und davor war und ist man nicht gefeit. Mama Lisa, eine außergewöhnlich starke junge Frau, kämpft mit den Tränen, als sie erzählt, dass erst am Mittwoch dieser Woche der kleine sechsjährige Krankenhausfreund ihrer Lori einen Leukämierückfall hatte und der kleine Körper es nicht mehr geschafft hat.

Ja, die Angst lebt mit, aber die Hoffnung, sagt Lisa, ist stärker, macht stark und hat die ganze Familie eng zusammengeschweißt.

Lisa ist 30 Jahre, hat einen elfjährigen Sohn, Aaron aus einer früheren Beziehung, und mit Andreas aus Kaltennordheim einen Lebenspartner gefunden, auf den sie sich hundertprozentig verlassen kann. Nach gut zwei Jahren des Zusammenlebens und der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Loraine hatten die beiden am im August 2018 geheiratet. Lisa arbeitet im Kundenservice bei einem Spielzeughersteller in Bad Rodach, Andreas als Anlagenmechaniker in Kaltennordheim in der Rhön.

Als die kleine Loraine am 15. August 2017 in Meiningen das Licht der Welt erblickte, schien das Glück der kleinen Familie perfekt zu sein. "Alles war so wunderbar." Lisas Augen leuchten ein wenig und verschleiern sich gleich wieder. Schon nach ein paar Tagen bekam das Baby Darmprobleme, schrie viel, musste im Klinikum Suhl behandelt werden und hatte sich plötzlich Campylobacter eingefangen, Bakterien, die schweren Durchfall auslösen. Woher, wusste keiner zu sagen. Eine schier endlose Suche nach den Ursachen folgte, nach fast acht Monaten hatte es Loraine geschafft, den Darmkeim wieder auszustoßen.

"Wie andere Kinder auch", erzählt Lisa, "hat Lori gelernt, sich auf den Bauch zu drehen, sich zu setzen, sich hinzustellen und die ersten kleinen Schritte zu tun." Doch dann kam wieder ein Infekt, der diesmal auf die Ohren ging. Unzählige Kinderarztbesuche, Antibiotika, zunehmender Hörverlust, Paukendrainage, Entfernung der Rachenmandeln - all das ließ Lisa und Andreas über Monate nicht zur Ruhe kommen. In der Klinik in Suhl wurde ein bedenklicher Hämoglobin-Wert festgestellt - zu wenig roter Blutfarbstoff. "Lori war bleich, hatte schwarze Augenränder. Noch immer dachte ich, es wäre nur Eisenmangel", erinnert sich Lisa an angstvolle Wochen. Bis zu fünfmal die Woche war sie beim Arzt, und als dann ein Blutbild gemacht wurde, stand fest: Da stimmt was nicht.

Am 27. März dann erstmals der Verdacht: Leukämie. Noch am gleichen Tag wurde Loraine in die Helios-Klinik nach Erfurt überwiesen. "Station 33 - Onkologie für Kinder". Das war für die jungen Eltern ein Schock, wie schließlich die Diagnose "ALL" auch. "Ich wäre fast zusammengebrochen", sagt Lisa und hatte dafür aber keine Zeit. Das Leben war plötzlich ganz anders und verlangte mit aller Macht Stärke, Kraft, Mut.

Dass die betreuende Ärztin Loraine gute Heilungschancen gab, hat die Hoffnung am Leben gehalten. Am 1. April begann die Chemotherapie. "Loraine hat viel geweint, geschrien, war manchmal launisch, aber sie hat trotzdem gut mitgemacht, weil sie lernen musste, dass es gar nicht anders geht. Sie ist ein Kämpfertyp", sagt die Mama mit Stolz.

Für jede Behandlung - Chemo, Bluttransfusionen oder Knochenmarkpunktionen - fädelte Lisa Manteuffel selbst mutig eine Mut-Perle auf, studierte Behandlungspläne, Medikamente und ihre Wirkungen, lernte Blutbilder verstehen, weiß längst um die Bedeutung von Leukozyten und Thrombozyten, wollte nie die Augen verschließen, sondern alles wissen, was mit ihrer Tochter passiert. Sie hat alles durch, was eine Mutter nie erleben sollte. "Wir sind durch die Hölle gegangen. Ohne meinen Mann und meine Familie hätte ich das nie geschafft."

Damit meint sie auch ihren Ex und Vater von Aaron, der sich in den vergangenen Monaten liebevoll und zuverlässig um den Jungen gekümmert hat. Auch für Aaron, sagt Lisa, war das ein schwerer Schlag. "Er liebt seine kleine Schwester über alles und war am Dienstag überglücklich, mich vor der Schule zu sehen. Denn wenn ich da bin, ist es auch Loraine."

Über Wochen sind die Manteuffels täglich nach Erfurt gefahren und konnten zum Glück auch in der Wohnung der "Elterninitiative für Leukämie- und Tumor-erkrankte Kinder Suhl/Erfurt" übernachten. Lisa und Andreas haben Tag und Nacht den schweren Weg ihres Kindes begleitet und sich vom Arbeitsleben eine Auszeit genommen. Beide Arbeitgeber zeigen Verständnis, aber inzwischen sind die Kassen im Hause Manteuffel nahezu leer.

"Ich sitze oft abends mit Zettel und Stift am Tisch, sortiere Rechnungen und überlege, welche ich einfach erst mal zur Seite lege. Muss warten." Oma und Opa helfen aus, zahlen die eine oder andere Tankquittung, auch Lisas Arbeitskollegen haben gesammelt. Von so viel Mitgefühl ist Lisa gerührt. Ihre Kollegin und Freundin Isabel Höfer war es auch, die "Freies Wort hilft" ins Spiel brachte und eine herzergreifende Bitte um Unterstützung an den Verein schickte.

Fahrtkosten und das "Doppelleben" in Erfurt und Hildburghausen, die Kosten fürs Elternwohnheim, wenn auch nur zehn Euro täglich, haben ihren Tribut gefordert. Für Lisa heißt das schlicht, den Gürtel enger schnallen und sich durchzuboxen. Die Erhaltungstherapie wird noch einmal anderthalb Jahre Chemobehandlungen bedeuten. Ambulant, immerhin, das ist der Vorteil.

Ihr Kind steht für Lisa an erster Stelle. Frühestens im Sommer sagt sie, denke sie wieder über Arbeiten nach. Ihr Betrieb kommt ihr entgegen, zeigt Verständnis. Andreas aber wird früher wieder anfangen müssen, in der Rhön zu arbeiten.

Ihrer kleinen Loraine und auch Aaron ein bisschen Glück und Freude zu schenken, ihnen Wünsche zu erfüllen, dafür knapst sich Lisa alles ab. "Es gibt jetzt eben mal Gummibärchen oder Schokolade oder ein kleines Plüschtier, auch wenn nicht Geburtstag ist", meint die Mama und würde am allerliebsten mit den Kindern und Andreas mal für ein paar Tage in den Familienurlaub.

Viel Kraft, wenig Geld

Natürlich ist das nicht drin. Sie zuckt mit den Schultern. Das Leben will finanziert sein, Winterklamotten werden gebraucht, bald ist Weihnachten. All das reicht schon für schlaflose Nächte. Dann die ständige Sorge, bloß keinen Rückfall erleben zu müssen. An das Schlimmste denkt Lisa gar nicht. "Ich bin eine sehr starke Persönlichkeit", sagt die junge Frau, felsenfest überzeugt, und sie weiß auch, dass die Familie ein starker Rückhalt ist. "Egal, was kommt, wir werden kämpfen."

Was alles noch kommt, das weiß keiner, meint Lisa Manteuffel. Mit Bangen wird man in den kommenden Monaten,vielleicht auch Jahren, die Ergebnisse jeder Blutkontrolle abwarten, wird auf jedes Schnüpfchen oder Hüsteln sofort reagieren, sich ängstigen, wenn das Fieberthermometer auch nur minimal vom Normalwert abweicht. Und trotzdem wollen Lisa und Andreas ihren Kindern ein möglichst normales Leben geben. Spenden würden zumindest helfen, den Hinterkopf ein bisschen freier zu kriegen. Lisa und Andreas wären dafür sehr, sehr dankbar.

Aber erst soll in ein, zwei Wochen in Erfurt die Goldene Glocke für Loraine läuten und verkünden, dass die Leukämie im Griff ist. Schwester und Bruder, so stellt es sich Lisa vor, werden das gemeinsam tun, und dann soll es nur noch aufwärts gehen. Hoffnung und Angst freilich, weiß die junge Mutter, werden noch lange ständige Lebensbegleiter sein.

"Freies Wort hilft" unterstützt die Familie Manteuffel im Rahmen seiner jährlichen Weihnachtsaktion. Ab sofort sind Spenden möglich. Kontoverbindung DE39 840500 00 1705 017 017 bei der Rhön-Rennsteig-Sparkasse. Verwendungszweck: "Loraine". Wir garantieren: Jeder gespendete Cent kommt Loraine und ihren Eltern zugute.

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