Bad Salzungen Mit kleiner Tat zur Lebensretterin

Susann Eberlein
essica Melchert hat sich im April 2018 als potenzielle Stammzellspenderin registrieren lassen. Vor knapp fünf Wochen war sie als Lebensretterin gefragt: Sie spendete Knochenmark für ein an Leukämie erkranktes Mädchen. Foto: Susanne Eberlein

Jessica Melchert aus Bad Salzungen hat Knochenmark für ein an Leukämie erkranktes Mädchen aus den USA gespendet. Damit kann die 20-Jährige zur Lebensretterin werden. Die Suche nach einem Spender gleicht oft der nach einer Nadel im Heuhaufen.

 
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Bad Salzungen - Jessica Melchert hat nicht gezögert. "Ich habe sofort zugesagt. Wenn ich mit so einer kleinen Tat helfen und im besten Fall ein Leben retten kann, kann ich nicht ‚Nein‘ sagen. Außerdem könnte ich selbst einmal in der Situation sein und Hilfe benötigen", sagt die junge Frau aus Bad Salzungen heute. Knapp fünf Wochen ist ihre Operation im Klinikum Leipzig her, bei der ihr Knochenmark entnommen wurde. Nur knapp eine Stunde habe der Eingriff unter Vollnarkose gedauert. "Als ich aufgewacht bin, hat mir der Arzt gesagt, dass es schon auf dem Weg nach Amerika ist", erinnert sie sich.

Spenderdatei

In Deutschland gibt es insgesamt 26 Stammzellspenderdateien. Eine davon ist die Deutsche Stammzellspenderdatei (DSD) gGmbH. Der eingetragene Verein beschäftigt sich täglich mit der Gewinnung, der Betreuung und der Begleitung von Stammzellspendern.

Rund 150 000 Spender konnte der Verein bereits registrieren.

Ihr Knochenmark soll ein siebenjähriges Mädchen aus den USA retten. Es ist an Leukämie erkrankt und dringend auf eine Spende angewiesen. Mehr weiß Jessica Melchert nicht, denn eine Stammzellspende läuft (zunächst) anonym ab. "Nach drei Monaten erfahre ich, ob die Spende geholfen hat und ob das Kind auf dem Weg der Besserung ist", sagt Jessica Melchert. In den ersten 24 Monaten kann sie per anonymisiertem Brief Kontakt aufnehmen, Namen und Wohnorte der Spender und Empfänger bleiben dabei jedoch geheim. Erst nach zwei Jahren ist ein persönlicher Kontakt - oder auch ein Treffen - möglich, sofern es von beiden Seiten gewünscht ist.

Erst 2018 typisiert

Jessica Melchert würde einem Treffen zustimmen. "Ich hoffe, dass alles gut geht und wir uns kennenlernen können", sagt sie. Immer mal wieder schaue sie sich Videos von Menschen in ähnlichen Situationen an. "Da geht mir das Herz auf", sagt sie. Dass sie einem noch jungen Menschen das Leben retten kann, berührt sie besonders. Die 20-Jährige absolviert gerade eine Ausbildung zur Erzieherin. "Das Mädchen hat sein ganzes Leben noch vor sich. Wenn man sich vorstellt, dass wir das gleiche genetische Material haben: Das ist schon krass", sagt sie.

Als der Anruf kam, war Jessica Melchert gerade einmal ein paar Wochen als potenzielle Spenderin registriert. Im April 2018 nahm sie an der Typisierungsaktion in der Sole-Welt in Bad Salzungen teil, die damals vordergründig für die an Leukämie erkrankte Lea Becker aus Stadtlengsfeld auf die Beine gestellt worden war. 173 Menschen ließen sich per Blutabnahme oder Speichelprobe registrieren und in die Deutschen Stammzellspenderdatei (DSD), die die Aktion organisierte, aufnehmen. Die Deutsche Stammzellspenderdatei ist eine von vielen Dateien, die in der Bundesrepublik existieren. Alle Dateien sind wiederum im Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) vereint. Dort laufen die Daten aller Menschen, die sich als mögliche Stammzellspender registrieren ließen, anonym zusammen. Mit nur einer einzigen Typisierung im Leben ist ein Mensch also zentral auffindbar. Damit kann die Suche nach einem Lebensretter im Ernstfall verkürzt werden, was unter anderem bei einer Leukämieerkrankung lebenswichtig ist, gleicht die Suche nach dem genetischen Zwilling doch häufig der Suche einer Nadel im Heuhaufen.

Vorbild für die Freunde

Nicht die Blutgruppe ist entscheidend, sondern die möglichst genaue Übereinstimmung der Gewebemerkmale. "Im Idealfall sollten zehn von zehn Merkmalen übereinstimmen. Häufig muss jedoch mit einigen Abweichungen transplantiert werden, weil der optimale Spender noch nicht typisiert ist oder es ihn nicht gibt", sagt Katja Kluger, Mitarbeiterin bei der Deutschen Stammzellspenderdatei. Die Organisation ruft aus diesem Grund weiter dazu auf, dass sich Menschen typisieren lassen. "Männer sind die bevorzugten Spender. Und je jünger die Spender sind, desto sicherer gelingt die Transplantation", sagt sie.

Ein gutes Vorzeichen für die Empfängerin des Knochenmarks von Jessica Melchert. Die Bad Salzungerin wurde bereits im Juli 2018 informiert, dass sie als Spenderin infrage kommt. "Der Prozess hat sich dann ein wenig gezogen. Es gab jemanden, der noch besser gepasst hätte als ich, aber diese Spende kam nicht zustande", sagt sie. Als die Entscheidung für sie gefallen ist, ging alles ganz schnell. Einer Voruntersuchung, bei der ihr Blut noch einmal gründlich gecheckt wurde, folgte ein dreitägiger Krankenhausaufenthalt in Leipzig. Weil ihre Venen nicht mitspielten, entschieden sich die Ärzte für eine Operation am Knochenmark und gegen die Entnahme von Stammzellen aus der Blutbahn. "Das einzige Risiko war die Narkose", sagt Jessica Melchert.

Nach der Operation habe sie keinerlei Schmerzen gehabt. "Am Anfang sah es aus, als hätte ich drei kleine Pickelchen am Rücken. Aber jetzt sieht man davon schon gar nichts mehr", sagt sie. Ihre Mutter habe sie in der Entscheidung, Stammzellen zu spenden, stets unterstützt. "Sie hat mehr Fragen gestellt als ich", sagt sie und lacht. Auch ihr Freundeskreis sei von ihrer Hilfe begeistert. "Eine Freundin", sagt Jessica Melchert stolz, "hat sich aufgrund meiner Geschichte selbst typisieren lassen."

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