Thüringer helfen "Gott ist meine Nummer eins"

Verkündigerin, Trostspenderin, Gottes Botschafterin von Herzen: Christel Löbner vor der Kirche in Ilmenau-Roda. Foto: uhu

Lektorin, Ämter in Kirchenparlamenten und in der Diakonie: Christel Löbner engagiert sich aus vollem Herzen in der Evangelischen Kirche. Kürzlich bekam sie mit sieben weiteren ehrenamtlichen Verkündigern - mehrheitlich Frauen - die Berufungsurkunde. Wir sprachen mit der Frau aus Roda bei Ilmenau über Gott und die Welt.

 
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Frau Löbner, Geistliche haben oft Berufspendler- Stress, müssen an einem Tag ihre Predigten in etlichen Orten ihres Kirchspiels pünktlich und immer wieder herzensvoll hinbekommen. Krankheit oder Urlaub sollten sie besser nie haben ... Können Sie mit Ihrem Ehrenamt auch rückläufigen Gemeindemitglieds-Zahlen entgegen wirken?

Ja. Wir unterstützen die Pfarrerinnen und Pfarrer, das Wort Gottes an die Menschen heranzutragen, weil die Wortverkündigung wichtig ist. Wie sollten die Menschen sonst davon erfahren? Wie sollten sie wahrnehmen, wie gut das Wort Gottes im turbulenten Alltag tut, dass man bei Gott Kraft tanken kann, einen Zuhörer und Helfer in der Not in ihm findet?

Wir wollen auch Menschen erreichen, die sich noch nie oder lange nicht mehr mit dem Glauben befasst haben. Schließlich war in der DDR für Viele aktives Christsein ihrer beruflichen Entwicklung abträglich. Wenn nun die nachwachsende Generation von ihren Eltern nicht christlich erzogen wurde, wie sollen sie dann wissen, was Gott Gutes für uns tut? Wir als Laien übernehmen es aus vollem Herzen mit, das Wort Gottes, ehrenamtlich wie einst die Jünger Jesu, weiterzutragen.

Wichtig, dass wir dafür die Hauptamtlichen zur Seite haben, die uns anleiten, begleiten und stärken. Wir sind nur eine Unterstützung für sie, wir können sie nicht ersetzen.

Und sie sind ja nebenbei auch berufstätig ...

... und ich liebe mein schönes, verantwortungsvolles Ehrenamt, würde auch gern noch mehr tun für meine Gemeindeglieder. Man muss aber sehen, das auch familiär und beruflich alles auf die Reihe zu bekommen: Vollzeit in Erfurt bei der Bahn-Tochter, DB Systel, wo ich als Controllerin arbeite. Da kümmere ich mich um alle kaufmännischen Zahlen eines Bereiches von der Planung bis zur Abrechnung inklusive der Überwachung und Dokumentation. Da reduziert viel Zeit für Privatleben.

Wie viele Menschen im Ilmenauer Ortsteil Roda finden denn sonntags zum Gottesdienst?

Durchschnittlich um die zehn. Freilich überwiegend Rentner, die sich diese Zeit zur Besinnung und inneren Einkehr gern nehmen.

Wir freuen uns über jeden Besucher und jede Familie, die zu uns kommt. Die selbst herausfindet, wie gut diese Stunde tut.

Angebote gibt es genügend. Die Hoffnung auf Zuwachs an Gemeindegliedern stirbt zuletzt. Seit den Jüngern Jesu finden sich aber immer wieder Menschen, die es für wichtig halten, Gottes Wort auch weiter zu geben. Viele Menschen scheuen sich nur vor den Kirchensteuern. Ich denke, an Gott glauben viel mehr Menschen, als wir Gemeindeglieder haben.

Vielleicht geht es auch vielen Menschen noch zu gut. In kritischen, schlimmen Momenten, da denken viele Menschen an Gott und bitten um Hilfe. Nun müssen die Menschen noch lernen Gott auch zu danken, wenn es ihnen gut geht.

Wann und wo findet man denn in Ihrer kleinen Gemeinde zusammen, auch, um nur mal die Köpfe zusammen zu stecken, Neuigkeiten austauschen?

Bei uns ist alle 14 Tage um 14 Uhr Gottesdienst. Gerade wollen wir festlegen, wann wir temperaturmäßig wieder aus dem warmen Gemeindehaus in unsere schöne kleine, aber kühle Kirche zurück können.

Außerdem ist jeden letzten Mittwochnachmittag im Monat zum geselligen Gemeindenachmittag und immer freitags ab 16:30 Uhr mit Eltern und ihren Kleinen zur Spiel- und Krabbelgruppe im Gemeinderaum eingeladen. Weitere Höhepunkte sind unser Treppenfest im Sommer, die Kirmes im Oktober, die Jubelkonfirmationen sowie Ostern, Pfingsten, Erntedank und ab Oktober Krippenspieleinstudierungen.

Kirchen boten lange vor der politischen Wende nicht nur Raum, sondern auch Inhalte, sich für eine bessere DDR, dann für ein besseres Deutschland einzusetzen. Im Osten hatte es die Kirche schwer, aber bei so viel Freiheit jetzt bei zugleich immer weniger Kirchgängern: Was lief schief?

Kirche setzt sich nicht für eine Gesellschaft ein, ist nicht politisch, oder besser: Sie sollte es nicht sein. Wir wollen Menschen dazu bewegen, nach den Geboten Gottes zu leben, Kirche auch als Zufluchtsort für Menschen, die es schwer haben im Leben. Gott bietet uns Halt, Trost und Zuversicht. Wir können ihm dort nahe sein, ihm danken und ihn um das bitten, was uns am Herzen liegt.

Viele kennen Weihnachten oder Ostern nur als Geschenkerummel. Das ist schon traurig. Uns Lektoren ist es Anliegen, den Menschen den Glauben zu vermitteln, sie abzuholen und mitzunehmen. Und sichtbar zu machen: Gott gibt die Freiheit, sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen, sondern nach seinem Willen und Geboten zu leben.

Würden alle so denken und handeln, hätten wir das Paradies auf Erden. Die Menschen würden einander akzeptieren, untereinander teilen, es gäbe Nächstenliebe, Gerechtigkeit und: Keinen Krieg ...

... was aber schon in "guten, alten" Zeiten mit obligatorischer Kirchenzugehörigkeit kaum klappte. Wie sahen die Kurse in Vorbereitung ihrer Ehrenämter aus?

Die schlossen Theorie und Praxis ein: Also von der Gottesdienstbegrüßung, der Liturgie, den Lesungen und noten-treffsicheren Gesängen, den Gebeten bis zur Predigt.

Mit allem Wissen, warum Gottesdienste so und nicht anders gewachsen sind. Und natürlich auch, was einen gemeinsamen Gottesdienst zum schönen Erlebnis macht. Selbst wenn nicht jeder die Liturgie singend bewältigt. Übrigens auch ein Ehrenamt, das man eher hört als sieht: Organisten!

Wir Lektoren schreiben unsere Predigten nicht selbst, sondern erhalten von Pfarrerinnen und Pfarrern wichtige Hilfe. Eigene Erfahrungen selbst gelebtem Glaubens sind deren feste Bestandteile.

Bibelfest muss man also nicht sein?

Hallo, wir sind "nur" Lektoren im Ehrenamt, die aber fest im Glauben stehen. Mit Grundkenntnissen der Bibel. Praktische Erfahrungen im Verkündigungsdienst brachten die meisten von uns Neuen schon in den Lektorenkurs mit ein. Der hatte übrigens auch Teilnehmer aus Suhl, nicht nur aus unserem Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau.

Unsere Wochenendseminare hatten wir im Allianz-Haus in Bad Blankenburg. Eine schöne Zeit, in der wirviel gelernt haben, die uns bereicherte. Auf unserem Weg. In unserem Glauben. Und im Umgang mit unseren Nächsten.

Kann die Aufgabenfülle an Ehrenämtern noch allein mit "Vergelt's Gott"? erledigt werden? Sind solche Engagements nicht unterbewertet?

Unser schönster Lohn ist Dankbarkeit, die uns entgegen gebracht wird. Die Freude, Menschen hilfreich zu sein: Von der Hospizvereins-Sterbebegleiterin über den Feuerwehr-Maschinisten bis zu unserem offenen Ohr für die Menschen und das Wort Gottes.

Im Gegensatz zum Alltagserleben besagt Matthäus Kapitel 20, Vers 28: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung vieler." Johann Hinrich Wichern, Gründer der Inneren Mission, kannte heutige Ehrenamts-Lesart noch nicht, als er den Finger hob: "Was man will, muss man ganz wollen, halb ist gleich nichts!"

Wir wollen das ganz! Lektoren dienen der Gemeinde gern, geben ihr Bestes. Zurück bekommen sie "nur", dass dies auch von der Gemeinde erkannt und angenommen wird.

Ob wir uns nun geistlich noch weiterbilden wollen, etwa im Fernunterricht zu ordinierten Prädikanten - eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Lektor zu sein, sieht aber niemand von uns als Vorstufe dafür.

Ich möchte Gottes Wort verkündigen können. Dazu reicht es mir, Lektorin sein zu dürfen. Ein offenes Ohr und Herz für alle, die mich erreichen möchten, Fragen oder Sorgen haben. Ich höre gern zu, helfe im Rahmen meiner Möglichkeiten und meiner Zeit nach Feierabend.

Zu Ihrem Hinweis "Halb ist gleich nichts!": Als Mitglied der Kreissynode (Kirchenparlament, die Red.) erlebe ich leider nicht nur, dass Ehrenamtliche sich mühen: In ihren gewählten Ausschüssen auf Kirchenkreisebene mitarbeiten, Sitzungen der Kreissynode wahrnehmen. Leider wird die Zahl derer weniger. Zu viele, die sich von ihren Gemeinden für die Kreissynode aufstellen ließen, aber nicht mitarbeiten, sondern lieber hinterher meckern . Wir hatten schon eine Synode, die nicht beschlussfähig war. Halbe Sachen bringen nichts.

Christel Löbners persönlicher Lieblingspsalm ?

Psalm 84 Vers 12: "Gott der Herr ist Sonne und Schild; der Herr gibt Gnade und Ehre; er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen."

Pathetisch oder nicht: Aber Gott ist meine Nummer eins, an der ich meine Gedanken und Pläne, mein Leben ausrichte, der meine Gedanken, meinen Lebenshorizont erhellt, Perspektive und Farbe in meine Lebenswirklichkeit bringt. So, fertig! Unser Ehrenamt, bringt eben auch Privilegien mit sich.

Interview: Klaus-Ulrich Hubert

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