Thüringer helfen Nachdrücklich und nachhaltig mitmachen

Sie taten eine abenteuerliche Reise mit einem mitmenschlichen Ziel. Nun berichten die beiden jungen Ilmenauer darüber.

 
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Julia Rothermund und ihr Partner Maximilian Heller sind zu Jahresbeginn von ihrer Abenteuer- und Solidaritätsreise über 6500 Kilometer zur Unterstützung der senegalesischen Schule "Marie Reine" nach Ilmenau zurückgekehrt.

Was sie während der herausfordernden bis strapaziösen Tour auf ihren schweren Gelände-Motorrädern mit Land und Leuten von Marokko, Mauretanien über Gambia bis in den Senegal erlebten, arbeiten sie derzeit auf. Sie verdichten ihre Reiseeindrücke mit 12 000 Fotos, Helmkamera-Videos und Notizen zu einer spannenden Multivisionsschau.

Ein Gespräch über unvergessliche Begegnungen, ihre Ernennung zu Botschaftern der Schule und über Spendenergebnisse zu deren Gunsten, die alle Erwartungen um ein Vielfaches übertrafen sowie über die Tücken von Malaria-Prophylaxe.

Frau Rothermund und Herr Heller, Glückwunsch, dass Sie alles in nur 22 Tagen zwischen der Meerenge von Gibraltar und Mbour bei Dakar am westlichsten Atlantik-Zipfel Afrikas geschafft haben! Alle wieder gut angekommen?

Julia: Na ja, wir beiden schon. Obgleich die Strapazen dann doch die Obergrenze dessen erreichten, was wir uns in etwa vorgestellt oder von früheren Berichten der geografisch einst ähnlich verlaufenden Rallye "Paris - Dakar" angelesen und an Extra-Fitness antrainiert hatten.

Um auf Nummer sicher zu gehen, warfen wir uns kurz vor dem Sahara-Abschnitt die ersten Malaria-Pillen ein. Aber dass die Nebenwirkungen dann so krass würden, dachten wir auch nicht. Dieser Cocktail hat uns in der zweiten Halbzeit sehr geschlaucht, teilweise bedrückende, depressive Zustände verursacht.

Maximilian: Na ja, hätten wir erst bei den ersten Anzeichen von Malaria nur ein Notfallmedikament genommen - das hätte uns das dann ganz aus der Bahn geworfen, sagte unser Erfurter Tropenarzt.

Julia: Aber Sie fragten, ob alle wieder gut daheim angekommen sind. Wir ja, aber unsere wichtigsten Verbündeten, unsere Maschinchen, noch immer nicht, obwohl sie in Hamburg längst abholbereit sein sollten. Man kann zwar im Internet verfolgen, welche Schiffe gerade in Hamburg festmachen. Unser Afrika-Express hat aber offenbar richtig Verspätung.

Was erst auf den Ozeanen bei den Winterstürmen los ist, wenn hier schon tief im Binnenland Orkane die Wellen hochschlagen lassen ... Aber gut befestigt und versichert sind Ihre Motorräder doch ?

Maximilian: Wir hoffen es. Rund 700 Euro für den reinen Seetransport im Container, das ist preislich okay. Doch Versicherung, Zoll, Entladekosten, da gehen noch mal zwei Tausender drauf. Da wir beim Start in Ilmenau selber das Problem eines defekten Spanngurtes beim Befestigen der Motorräder auf einem Auto-Anhänger hatten, wollten wir den Hafenleuten in Dakar nicht dazwischenreden. Als Julias Motorrad über den Auspuff verzurrt werden sollte, musste ich aber eingreifen. Unsere dort mit Drähten, Seilen und Holzklötzen befestigten Maschinen, die waren uns ein paar skeptische Handyfotos wert (lacht) . Beweissicherung ... Es wird spannend in Hamburg. Und das hoffentlich bald.

Julia: Wir hatten ja unseren Urlaub für die An- und Abreise sowie die Tour durch Westafrika mit Hauptziel "École Marie Reine" im Senegal genau verplant und voll ausgeschöpft. Da muss man schon mit viel Vertrauen, auch in sich selbst, an das Abenteuer gehen - und gleich danach wieder auf Arbeit. Das Warten auf Ankunft unserer Motorräder zeigt: Noch ist das Abenteuer nicht so ganz durchgestanden.

Maximilian: Zur puren Erholung war das Unternehmen freilich nicht angelegt. Es war schon anstrengend. Manchen Abend im Zelt unter dem Sahara-Himmel oder in abenteuerlichen Quartieren, dazu mit wund gesessenem Hintern und überall dieser feinsandige Staub in Kameras und Computern: Oft waren wir abends ziemlich erledigt.

Während ich dann noch meine Bilder und Videos bearbeiten musste, um sie in unseren Fotokarawane-Blog einzustellen, machte sich Julia daran, unsere Notizen auszuformulieren und im Netz zu posten. Längst nicht immer hat es geklappt, dass wir online sein konnten. Dazu kamen Sandstürme, die den Empfang noch mehr erschwerten. Das allein war schon Abenteuer (lacht) .

Gerade als diese Zeitung zwischen mauretanischer Sahara und der Schule im Senegal topaktuell vom Eintreffen am Reiseziel berichten wollte ...

Julia: Ausgerechnet da konnten wir die Internetverbindung voll vergessen. Dadurch kamen die Streckenberichte mitunter etwas unwuchtig durch: Mal gar nichts, dann wieder drei am Stück. Aber wir hatten ja auch eine selbstgestellte Verpflichtung: Alle, die unsere Unternehmung von daheim oder sonst wo in der Welt verfolgen wollten, auf dem Laufenden halten.

Schließlich bekamen wir ja neben der Unterstützung durch Ihre Leser und den "Freies Wort hilft"-Verein sowie Rotary und einzelne Unternehmen sowie Bürger die meisten Spenden via Internet-Klicks. Das ging schließlich so richtig ab! Wie unsere Maschinen, wenn sie endlich mal optimale Piste statt Schotter und Treibsand unter die Räder bekamen.

Mit welchem Tempo ist die Spendensumme denn durchs Ziel gekommen?

Maximilian: Rasant, sag ich mal. Es waren bei unserem Eintreffen in der Schule, der wir ja ursprünglich mit geschätzten acht, neunhundert Euro nur eine Anzahl neuer Schulbänke zum Preis von je 35 Euro sponsern wollten genau 4324,72 Euro.

Mit dem Ergebnis hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht gerechnet. Dickes, dickes Dankeschön! Und unsere Internetseite blog.fotokarawane.de lädt ja noch weiter ein. Zum Nachverfolgen unserer Route. Vielleicht auch zum Nachmachen durch andere Enthusiasten?

Julia: Klar, dass Maximilian und ich derzeit nach Feierabend zuhause zur zweiten Schicht ran müssen: Wir arbeiten an einer Multivisionsschau, die Ende April oder Anfang Mai Premiere haben soll.

Dann vielleicht wieder an der Uni in Ilmenau, an der wir damals unser Vorhaben kurz vor dem Start bei einem afrikanischen Abend einem interessierten Publikum vorstellten. Aber über unseren von Anfang an mitorganisierenden Rotary Club Ilmenau und im Verbreitungsgebiet Ihrer Zeitung bietet sich bestimmt noch manch weitere Auditorium an.

Und wo wir doch nun mal von den Kindern, Eltern und der Lehrerschaft der "École Marie Reine" den Status als deren "Botschafter" überreicht bekommen haben: So was verpflichtet, weiter am Ball zu bleiben, mit den Vorträgen weiter um Spenden zu bitten.

Maximilian: Wobei man in Mbour nicht mal andeutungsweise an uns herangetragen hätte, doch bitteschön recht bald wieder mit den Motorradpacktaschen voller Spenden vor zu fahren.

Wie hatten Sie Ihr Willkommen im Senegal erlebt?

Maximilan: Die Freude der Kinder, ihrer Familien und Lehrerschaft war riesengroß. Sie müssen wissen: Dies ist die erste christliche Schule im Département Mbour. Eine, die in der Region wegen ihrer Ausbildungsqualität so sehr beliebt ist, dass sie dreimal so groß sein könnte. Und das bei nur vier Prozent christlichem Bevölkerungsanteil gegenüber großer muslimischer Dominanz dort.

Selbst viele muslimische Familien sind erpicht, ihre Kinder dort einzuschulen. Ähnlich wie bei mancher christlicher Privatschule hierzulande. Nur eben für Menschen, die sich kaum die Schuluniform für ihren Nachwuchs leisten können - einfache blaue Kittelschürzen. Das alles bei Klassenstärken von rund vierzig Jungen und Mädchen; zumeist von Lehrerinnen geleitet.

Julia: Als wir ankamen, uns zunächst einige Kinder durch die vielen ärmlichen Straßen der wenig schönen Zwanzigtausend-Einwohner-Stadt Mbour zur Schule wiesen, waren dort plötzlich 400 Menschen zu unserem Empfang gekommen, sie erwarteten uns bereits.

Das war so anrührend, hat uns trotz dieser Malariapillen- und Grundmüdigkeit nach all den Strapazen so sehr aufgebaut. Es gab ein riesiges Kulturprogramm, mit Schul- und Nationalhymne. Und dann noch mit Multikulti auf afrikanisch: Man stellte unseren Anreiseweg durch vier afrikanische Länder in deren Nationaltrachten nach.

So viele Kinder, Eltern, Lehrer, obwohl die ja Weihnachtsferien hatten. Dann kamen noch das Fernsehen und sogar ein Deutsch-Dolmetscher hinzu. Eitel sind wir ja nicht - so dreckig und verschwitzt wie wir quasi aus der Wüste angekommen waren. Aber als uns dann auch noch große Banner mit den Max- & Julia- Konterfeis am Schulhaus empfingen ... zeige mir einen, den das nicht berührt hätte.

Maximilian: Als absehbar wurde, dass die Spendensumme bereits bei über 4000 Euro lag, als unser senegalesischer Treuhänder Gabriel und seine christliche Hilfsorganisation zunächst das Geld für die ursprünglich geplanten 20 Schulbänke auf dem Schulkonto hatte, als die Tischler loslegen konnten - da gab es natürlich keine Ratlosigkeit, wie man den "Rest" von weit über 3000 Euro nützlich einsetzen würde.

Für dieses vergleichsweise wenige Geld kann man in Afrika einen kompletten Klassenraum inklusive Mobiliar realisieren und mit Computer-Technik ausstatten.

Julia: Wir haben in Mbour auch eine wichtige Entbindungsstation dieser Hilfsorganisation besucht. Diese Stadt, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Dakar, ist ein typisch senegalesischer Vorort: Kleinhandel, Fischerei und sowas. Und mit Menschen, die ein klein wenig vom Tourismus partizipieren. In der Nähe gibt's ein Reservat mit Tieren, die fast ausgestorben sind. Um das herum wächst eine Tourismus-Traube.

Freunde und Kenner der Situation in und um die Passage durch das nördliche Nachbarland Mauretanien hatten ihnen zuvor etwas Respekt bis Angst gemacht.

Max: Nicht ganz zu unrecht. Wunderbare Menschen, aber eben ein nahezu reiner Wüstenstaat. Wir hatten dort einen Lotsen, der uns begleitete, wo's brenzlig werden könnte. Das Berliner Außenministerium breitet über Mauretanien immer noch Reisewarnungen aus. Auch wegen der Konflikte mit Anrainer-Staaten. Marokko beansprucht südlich seiner jetzigen Grenzen Land, genauer gesagt in der Region Westsahara.

Julia: Und das, obwohl dort nichts als Sand zu holen ist. Und dazwischen eine - durch UN-Truppen abgesicherte - entmilitarisierte Drei-Kilometer-Zone. Dazu gefährliche Landminen!

Fast als touristischen Service konnte man die Kette von mauretanischen Gendarmerie-Posten verstehen, die uns regelrecht durchreichten. Alle 30 Kilometer ein Posten. Kam man beim nächsten nicht wie ungefähr erwartet an, hätte man sich auf die Suche gemacht. Nur keine Zwischenfälle mehr mit entführten Touristen! So sagt man sich dort.

Und prompt erlebten wir in Atar, wie nach zwei Jahrzehnten Unterbrechung der erste Direktflug aus Paris mit Weihnachtsurlaubern ankam.

Und sie, Maximilian und Julia, hatten um die Weihnachtszeit in der mauretanischen Wüste nicht mal vor Erschöpfung ein Flimmern, eine Fata Morgana vor Augen?

Maximilan: Nö, auch keine Bauchtänzerinnen (lacht) , aber dennoch einige wundervolle Oasen. Ich hatte mein Französisch noch mal aufgefrischt, um wenigstens die Alltagsbegriffe in der Amtssprache aus Kolonialzeiten halbwegs zu verstehen.

Julia: Aber dann hast du doch diesen seltsamen alten Mann nicht verstanden, der uns irgendetwas verklickern wollte...

Maximilian: Na ja, der hatte so was von heftig gestottert, dass wir ihm zunächst einfach mal nicht abnahmen, der einladende Oasen-Besitzer zu sein. Er war es aber! Und dann erlebten wir erneut auf der Reise die Wunderkraft von Wasser dort, wo es rar ist.

Hatten Sie auch mal eine Art Totpunkt erleben müssen?

Maximilian: Und wie! Das soziale Elend, diese Armut vielerorts, das lässt einen nie kalt. Und: In der Sahara oftmals früh zunächst das schönste Erwachen, der schönste himmelblaue Morgen. Es ist dort mithin sogar kühl, nur die Sonnenstrahlen sind tagsüber gefährlich. Aber dann, von null auf hundert diese Sandstürme. Unsere Fotodrohne, die konnten wir gar nicht mehr benutzen. Die hat's einfach davon gepustet. An die Spätfolgen für Max' Foto-Equipment noch gar nicht zu denken. In Nordafrika, oben im Atlasgebirge, war noch Schnee ein Thema. Hier zwang uns ein Sandsturm sogar mal zum Umkehren. Es sieht böse aus, wenn man seine große schwere Enduro im Sturm nicht halten kann. Und ablegt, wie wir mit Humor sagen.

Ihr Urlaubsmodell hieß ja "Hinfahren, helfen, staunen und ein wenig erholen". Gibt's neue Projektideen in dieser Art?

Julia: Ich würde es mit diesem meinen Max hier wohl immer wieder machen. Aber neue Ideen - psst - die sind noch Betriebsgeheimnis. Jetzt wollen wir mit der Multivisionsschau erst mal viele andere Menschen an unseren insgesamt doch unvergesslichen Erlebnissen teilhaben lassen.

Interview: Klaus-Ulrich Hubert

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