Thüringer helfen Hilfe mit Hindernissen in Westafrika

Die beiden Motorrad-Fans Maximilan Heller und Julia Rothermund sind am 6. Dezember in ihrer Heimatstadt Ilmenau aufgebrochen, um ihren motorsportlich ambitionierten Jahresurlaub voll in den Dienst ihrer Aktion "Schulbänke für den Senegal" zu stellen (wir berichteten am 1. Dezember).

 
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Die beiden Motorrad-Fans Maximilan Heller und Julia Rothermund sind am 6. Dezember in ihrer Heimatstadt Ilmenau aufgebrochen, um ihren motorsportlich ambitionierten Jahresurlaub voll in den Dienst ihrer Aktion "Schulbänke für den Senegal" zu stellen (wir berichteten am 1. Dezember).

Nach der Anreise per Schiff von Genua nach Tanger sind sie dort zu ihrer 6500-Kilometer-Fahrt durch Marokko, Mauretanien, Gambia und Senegal aufgebrochen.

Das Ziel ihrer "Fotokarawane", bei der man ihnen im Internet sozusagen zuschauen kann: Eine armselige senegalesischen Vorort-Schule in der Stadt Mbour bei Dakar. Dort gibt es viele Schüler, aber kaum Geld für Stühle und Tische. Schulbänke brauchen die kleinen Senegalesen, damit sie lernen können. Maximilian und Julia werden vor Ort tischlern lassen - mit Spendengelder, die sie selber einwerben. Für 1000 Euro kann man so eine ganze Klasse ausstatten.

Der Verein "Freies Wort hilft" gehörte schon vor dem Start mit 1000 Euro zu den ersten Unterstützern. Aber auch viele andere Thüringer spendeten; inzwischen sind schon 4000 Euro zusammen gekommen.

In der Nacht auf Donnerstag konnte unsere Zeitung die "Bänke-Biker" per Skype kurz vor ihrer heutigen ersten Wüsten-Etappe erreichen.

Ein Gespräch über Afrikas Winterdienst, die gewagte Durchquerung eines Sandsturms und viele andere Begegnungen mit Land und Leuten.

Maximilian und Julia, wie war Ihre zweitägige Schiffspassage von Genua nach Marokko? Wie verlief danach die erste Etappe von Tanger südwärts? Gab's Tops und Flops?

Maximilian: Nicht zum Lachen. Erst mal der deftige Zoll, den die Schweiz auf unser Pkw-Gespann mit den beiden Enduros (Geländemotorräder, die Red.) auf dem Anhänger erhob . Und in Mailand spannende Straßenverkehrs-Erlebnisse, die uns sagen: Wir sind im temperamentvolleren Süden. Aber das Chaos funktioniert, es gab uns einen Vorgeschmack auf marokkanische Vorfahrtsregeln. Dazu das Wirrwarr der Grenzabfertigung in Tanger mit massenhaft überladenen Autos, fliegenden Wasser- und Telefonkartenhändlern. Die sind fixer als der Grenzer,. der sich lange um den Einreisestempel bitten lässt.

Die beiden schreiben in ihrem Reise-Blog, einem Internet-Tagebuch:

Julia: Wir brechen nach Chefchaouen auf, unserem ersten, mit 100 Kilometern bescheidenen Tagesziel südlich Tanger auf. Karge Landschaft, Maut- Autobahn. 18 Uhr, ruckzuck dunkel bei Ankunft auf dem Campingplatz dort. Unser Zelt ist fix aufgebaut, lässt noch Muße genug, die Altstadt mit ihren weiß-blauen Häusern , verwinkelten, farbenfrohen Gassen und Treppen zu erkunden. Mein allerliebster Fotoreporter Maximilian kann sich von den herrlichen Bildmotiven kaum lösen. Wir entspannen dann endlich in einem gemütlichen, kleinen Café mit Galerie, Musik-Bar, Restaurant. Und Gästen aus aller Welt.

Maximilian: Jahrhunderte lang war die "Blaue Stadt" bei Todesstrafe für Ausländer verboten. Am nächsten Morgen schlürfen wir unseren belebenden marokkanischen Kaffee als Starttreibladung für die Weiterfahrt Richtung Volubilis .

Die Weltkulturerbe-Stadt ist besterhaltenes Zeugnis römischer Antike in Nordafrika. In duftenden Zedernwäldern ringsum, kann man buchstäblich dem
Affen Zucker geben.

Die possierlichen Berberäffchen belagern einen bei der Rast. Später bei
Azrou bieten uns Einheimische Erdnüsse an. Die schmecken den Äffchen sehr, während die Probesitzen auf unseren Enduros machen.

Danach war Azrou im Navi programmiert. Das gilt mit 1500 Metern auch als Tor zum Atlasgebirge. Galt dort: Zieht euch warm an?

Maximilian: Au ja. Nicht nur in diesen Höhenlagen drang der in Nord-Marokko kühle Fahrtwind trotz bester Motorradkombis bis auf die Knochen durch. Einmal hat uns auch eine Regen-Tour nasse Gänsehaut gemacht.

Maximilian: Doch wir waren eigentlich gewarnt. Kurz vor unserem Skype-Gespräch jetzt ist uns endlich gelungen, den Hohen Atlas über den Pass Tizi'n Tichka zu überqueren; im zweiten Anlauf! Und uns ein solides, ein aufwärmendes Quartier zu gönnen. In Afrika (lacht) !

Aus dem Reise-Tagebuch:

Julia: Vorher empfiehlt uns noch ein Touristenführer, den Hohen Atlas besser auf kurzer südlicher Route über Midelt zu queren.

Maximilian: Aber auf der Passroute pustet der Wind uns bei gefühlten fünf Grad fast um. Wir kommen nur mit knapp 50 Sachen voran; immer in Schräglage nach Luv, gegen den Wind. Unsere Helmkamera summt, meine mutige Julia immer in Sichtweite vor mir auf ihrer Maschine.

Julia: Es kommt dann mit einem Sandsturm noch "besser". Der erste in unserem Leben! Zwischen Ifrane und Beni Mellal taucht diese rötliche Wolke vor uns auf. Und zack, wir mitten drin, nur noch über unsere Gegensprechanlagen im Helm verständigt. Und geflucht: "Mann, Mann, Mann, Max, siehst du noch was? Mein Helmvisier ist dicht. Deins auch, alle ok? Over."

Die Frage, wie das wohl in der bevorstehenden Westsahara werden könnte, und ein sehr gastliches, gemütliches kleines Café in Timahdit wärmen uns aber wieder auf. Irre süßer Minztee und Kaffee und unsere Biker-Welt ist nach dem ersten Schluck wieder in Ordnung.

Nochmal zu diesem Regengebiet zwischen Ifrane und Beni. In M'rirt hoffen wir, dass es vorüber zieht. Doch es zieht mit uns, den ganzen Tag. Bis in meinen Stiefeln das Wasser gluckst. Vor der - hier extrem kurzen - Abenddämmerung rettet uns ein Hotel kurz vor Beni Melall. Und unsere Stimmung, wir lassen unsere Sachen trocknen. Und wärmen uns wieder auf. Unseren Start in Afrika hatten wir deutlich wärmer erhofft.

Julia: Kommt schon noch, Max! Wir trafen vor der Atlas-Querung um die 2200 Meter über Normal null einen mahnenden Mann; Meteorologe: "Auf eurer geplanten Route nach Midelt dürfte ab heute der Winter hereinbrechen." Sein Tipp: Wieder zurück in Richtung Azrou. Und nun eine Strecke in tieferen Lagen so um die 500 Meter nehmen.

Hallo? Ihr erzählt unseren Lesern, die gerade mit stürmischen Schneeverwehungen und Straßenglätte kämpfen, dass Ihr das in Afrika auch habt?

Julia: Ja. Nur eine ehrliche Antwort auf Ihre Frage nach Tops und Flops der ersten Etappen:

Aus dem Reise-Tagebuch:

Julia: Nach unserem eigenen ungläubigen Online-Wettercheck machen wir uns über den Pass wieder zurück auf den Weg nach Azrou.

Maximilian : Glaubt zu Hause keiner. Aber wieder in Azrou, werden da echt die Räumfahrzeuge mit Schneeketten klar gemacht. Also rasch weg hier, weiter südlich, wo es milder und vor allem weniger windig ist. Dann liegt das sagenhafte Marrakesch vor uns. Wie aus 1001 Nacht.

Zunächst noch ein Flop neben vielen wunderbaren Landschafts- und Architekturerlebnissen, die gar nicht ins Blatt passen: Unser sehr ungutes Bauchgefühl bei der Campingplatz-Suche. Wegweiser lotsen uns immer tiefer in slumähnliche Stadtgebiete. Wir also etwas "Dampf" gekriegt, so entscheiden wir uns für ein stinknormales Hotel in Marrakesch.

Julia: In Ifrane und Beni Mellal war's uns auch mal bissel unheimlich. Da waren wir quasi die einzigen Gäste.

Wir mussten noch nicht tiefer auf den Kontinent, sondern sehen hier schon viel Armut in den kleinen Dörfern entlang der Straßen mit den klassischen Touristenfängern. Besonders auch in Marrakesch und Umgebung.

Macht Ihr eigentlich täglich eine Routen-Konferenz?

Maximilian: Meistens früh, gut ausgeschlafen. Abends fällt man nur noch ins Bett oder auf die Iso-Matte im Zelt, ist klipperklar. Und schreibt noch die Blogs, stellt Fotos und Videos ins Netz. Heute waren's gut 300 Kilometer. Aber eben mit vielen Stopps für Foto und Video, auch mit unserer Drohne.

Nicht vergessen, unsere Tour geht zu 40 Prozent off Road über Stock und Stein, durch Flüsse, Schluchten In Mauretanien wird es behördlich und wegen mangelnder Tankstellen spannend. Uns wird ein Ortskundiger begleiten, wir müssen sogar eine Einladung vorlegen. Dann aber dürften wir auf der Atlantikküstenroute voll durchatmen. Der Weltnaturerbe-Nationalpark Banc d'Arguin ist Winterlager für Millionen Zugvögel. Dazu Flamingos und -pelikane...

... und ab dem Fischerort Louik mal wieder richtig schön durchs Flache am leeren Strand gebrettert?

Julia : Ja, was aber nur bei Ebbe funktioniert (lacht). Auf Strandpiste reimt sich aber ab Freitag erstmal Sandpiste: Mindestens über das kommende dritte Adventswochenende hat uns erstmal die westliche Sahara.

Advent bedeutet Ankunft. Die werden Sie wohl bis Weihnachten nicht bis zur Schule in Mbour schaffen. Was schenken Sie sich denn in der Wüste zum Fest?

Maximilian: Psst, geheim. Unser größtes Geschenk wird sein, wenn die Spendebegeisterung über "Freies Wort hilft" und unsere Homepage so weiter geht. Da sind alle Erwartungen schon übertroffen. Wir sagen ganz lieb danke nach Thüringen!

Dann wünsche ich Ihnen auch im Namen vieler Leser viel Glück bem Wüstenritt.

Gespräch: Klaus-Ulrich Hubert

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