Thüringer helfen Schieben, schnaufen, helfen

Klaus-Ulrich Hubert
Geschafft: Die schwerstbehinderte Elena im Ziel des Halbmarathons im Oktober in Halle/Saale. Das Team aus einer Freundin, Daniela, deren Partner Thomas und dem kleine Bruder Till (von links) hatte die Zwölfjährige mehr als 20 Kilometer weit geschoben. Quelle: Unbekannt

Gemeinsam stark: Selten trifft ein Slogan so sehr zu wie für die rasante Unterstützung, mit der eine Frau aus dem Ilm-Kreis das Leben ihrer behinderten Schwester anschiebt.

 
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Drei Geschwister hat Daniela Mückenheim. Eines davon. die Schwester Elena, verharrt durch schwerste Behinderungen mit ihren inzwischen zwölf Jahren im Entwicklungsstand eines Kleinkindes.

Umso hinwendungsvoller ist die familiäre Liebe zu ihr. Aber eben auch die kräftemäßigen Herausforderungen, wenn Daniela ihrer Mutter bei Elenas Pflege kräftig hilft. Als Verkäuferin mit kleinem Einkommen und Schichtarbeit hat die Mutter der drei Kinder nicht die einfachsten Voraussetzungen.

Danielas Credo und ihr Nahziel lautet "Gemeinsam stark - Run for Handicaps". Das hört sich nach sportlichem Ehrgeiz an, schließlich ist sie eine passionierte Langstreckenläuferin. Aber da steckt viel, viel mehr dahinter. Keine regionale Lauf-Veranstaltung bei der Daniela Mückenheim nicht besonders herzlich von den Sprechern und Zuschauern begrüßt wird. Und zwar immer dann, wenn sie mit ihrer behinderten "Kleenen", wie sie sei selber nennt, im Rollstuhl den Zieleinläufen entgegen schnauft.

Fast so, als wolle sie sich entschuldigen, dass sie die bergige Topografie von Südthüringens Langstrecken nicht in Angriff nehmen kann, sagt die sympathische junge Frau, die als Integrations-Managerin im Landratsamt des Ilm-Kreises in Arnstadt arbeitet: "Seit 2014 brauche ich buchstäblich Kraft für zwei. Weil ich irgendwann gemerkt habe, wie meine Elli draußen in der Natur, zwischen all den Menschen, Geräuschen und dabei von mir flott durch die Landschaft kutschiert, so richtig auflebt."

"Ich laufe für sie"

Seit drei Jahren bestreitet die 24-Jährige für ihre Schwester und mit ihr im eigens dafür dreirädrig umgebauten Rollstuhl Langstreckenläufe. An ihrer Seite ist dabei meistens ihr drei Jahre älterer Partner Thomas Nolde aus Gräfinau-Angstedt. Gern ist auch ihr siebenjähriger Bruder Till mit von der Partie. So wie zuletzt am 15. Oktober in Halle.

"Unsere Elli kann nicht laufen. Also laufe ich, laufen wir für sie. Und sehen Sie, wie ihr das gefällt!", hatte Daniela voller Stolz gesagt, als sie in der Saale-Stadt erstmals die 21 Kilometer des Mitteldeutschen Marathons unter die Füße nahm. "Im schön flachen Halle", wie sie lächelnd anmerkt.

Unter die Füße? Wohl eher unter die Rolli-Räder. "Unter die verbliebenen zwei", lacht die Junge Frau. Denn als das vordere kleinere Rad kurz nach dem Start kaputtgegangen war, schoben sie und ihr Partner fast 20 Kilometer den Rolli angekippt. "Nur auf den Hinterrädern." Großes Interesse der Medien und der Zuschauer war dem ungewöhnlichen Team da sicher.

Laufen, schieben, schnaufen mit zusätzlichem Handicap: Diese besondere sportliche Anstrengung hatte ihr "bis zum Zieleinlauf die "Beine immer kürzer werden lassen", wie Daniela erzählt. Umso deutlicher wurde da zugleich das Motto: "Gemeinsam stark". Und umso mehr Sympathie und Hochachtung hatten Mitläufer und das Publikum für die Leistung und das Anliegen der Thüringerin auf den Hallenser Straßen

Solche Art Unterstützung braucht es, um den Ehrgeiz zu befeuern. "Unseren wichtigsten, aber nicht allein sportlichen Ehrgeiz, bei solchen Läufen dabei zu sein", wie es Daniela formuliert. "Längst übrigens nicht mehr nur mit Blick auf unsere Elli!"

Daniela hat Motto-T-Shirts und Flyer drucken lassen, zum wiederholten Male. Sie hofft, in absehbarer Zeit genügend Mitbetroffene, Sympathisanten und Unterstützer zusammenbringen zu können, damit ihr wichtiger Plan erreicht werden kann: Die Gründung eines Vereins.

Delfintherapie als Ziel

Doch ihr ganz besonderes, anfänglich zunächst speziell für Elena postuliertes Ziel - das hat Daniela auch nicht aus den Augen verloren: "Ich habe zwar mal Psychologie studiert, aber was das Wunder einer Delfintherapie ausmacht? Keine Ahnung. Meine Mutter und Elena konnten es mit viel finanziellem Kampf dennoch schon einmal erleben. Mit nie geahnten Therapieergebnissen."

Daniela Mückenheim versucht beim nächsten Satz tapfer und wacker zu wirken. Das klappt aber nicht so, wie es im beruflichen Alltag ihrer Integrations-Arbeit im Landratsamt funktionieren muss.

"Wenn ich mir überlege", sagt sie zögernd. Und fährt fort: "Wegen ihrer schwersten Behinderungen ... Es waren Mediziner-Fehler bei der Geburt, wie es im Nachhinein bestätigt wurde. "Sauerstoffmangel, Atemstillstand und schließlich Not-Kaiserschnitt."

Pause. Dann erinnert sich Daniela: "Sie hatten unserer Kleinen damals maximal zwei Überlebensjahre prognostiziert. Doch sehen Sie, wie weit wir es gemeinsam gebracht haben, statt das Kind einfach aufzugeben. Und eine weitere Therapie würde die Resultate der ersten vervielfachen."

Rad nicht neu erfinden

So steht neben dem begonnenen Zusammentun mit anderen ähnlich betroffenen Familien auch noch der Team-Name (#GemeinsamStarkfürElli) für dieses bereits von vielen Thüringern unterstützte Ziel.

Und weil aller guten Dinge drei sind: Im kommenden Jahr wollen Daniela und ihr Partner Thomas die sportliche Aktionsfläche für die beiden Anliegen sogar noch erweitern: Zu Fuß, auf dem Wasser und per Rad: Beim Triathlon. Alles mit Elli als Teilnehmerin.

Zunächst mal nehmen es die beiden jungen Leute es im wahrsten Sinne des Wortes auch dabei wieder sportlich: "Denn dafür müssten wir ein spezielles, dreirädriges Fahrrad konstruieren und bauen zu lassen."

Vielleicht müssten sie aber das Rad nicht nochmal erfinden. "Wir sind für jeden Tipp, jede Unterstützung dankbar", sagt Daniela.

Wer die Aktivitäten für Elli unterstützen will, kann Kontakt zu Daniela aufnehmen:

facebook.com/daniela.mueckenheim

oder (0176) 70 79 95 85

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