Haßfurt Und plötzlich bleibt ein Platz leer ...

Helmut Will

Vor zwei Jahren stirbt der Sohn von Diana und Enrico Mußbach aus Haßfurt bei einem Unfall - kurz vor seinem vierten Geburtstag. Für die Familie ändert sich das Leben von einer Sekunde auf die andere.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Haßfurt - Mit einem schweren Schicksalsschlag muss das Ehepaar

Diana und Enrico Mußbach aus Prappach bei Haßfurt (Kreis Haßberge) fertig werden. Ihr Sohn Joshua wurde vor zwei Jahren von einem Auto überrollt. Er starb zwei Tage nach dem Unfall und wenige Tage vor seinem vierten Geburtstag.

Diese Woche jährt sich der Todestag von "Joschi", wie das Ehepaar ihren Sohn liebevoll nennt, zum zweiten Mal. "Ja, wir sind bereit darüber zu sprechen, unsere Therapeuten haben uns geraten viel darüber zu reden", sagt Diana Mußbach. Dass manche Leute das nicht verstehen, ist beiden egal.

Ihr Leben hat sich seit dem Unfalltod ihres Joschis grundlegend verändert. "Vieles ist uns nicht mehr so wichtig wie vorher, über manches, worüber sich Menschen aufregen, können wir nur lächeln", sagt die 38-jährige Hotelfachfrau, die derzeit den Haushalt für ihren Mann und ihre beiden Kinder Antonia-Viktoria (8) und Henry (1)führt.

Mit Henry war Diana schwanger, als der schreckliche Unfall vor ihrer Haustür in dem Dorf in Unterfranken passierte. Die Eltern erinnern sich daran, als sei es gestern gewesen.

"Ich kam an diesem Tag von der Arbeit etwas früher nach Hause , sagt der 38-jährige Enrico, der als Verkäufer bei einem großen Discounter arbeitet. "Mein Sohn Joschi begrüßte mich fröhlich und sagte, Papa, ich habe dich ganz doll lieb."

Diana mähte zu diesem Zeitpunkt Rasen und Enrico wollte noch zum Brot holen fahren. "Joschi wollte mit und blieb im Hof, während ich kurz in unsere Wohnung ging", sagt Enrico. Der kleine Junge muss kurz danach auf die Straße gelaufen sein, wo er von einem Auto überrollt wurde, das eine Frau steuerte, die ihr eigenes Kind vom Kindergarten, der dem Haus der Mußbachs gegenüber liegt, abholen wollte. "Die Schreie 'Joschi, Joschi', die ich in der Wohnung hörte, gingen mir durch Mark und Bein", sagt Enrico, der sofort nach draußen eilte, wo ihm sein verletzter Sohn von einer Frau in die Arme gelegt wurde.

Er übergab sein Kind einer Kindergärtnerin und setzte den Notruf ab. "Mittlerweile hatte ich auch mitbekommen, dass was Schlimmes passiert sein muss", sagt Diana, die dann vor dem Haus ihr Kind in die Arme nahm. Sie habe sofort gesehen, dass Joschi sehr schwer verletzt war, da seine Atmung flach wurde.

Das Kind wurde mit einem Rettungshubschrauber nach Würzburg geflogen, wo es am 27. September 2015 starb. "Zuvor hatten wir die Hoffnung nicht aufgegeben, u dass unser Joschi es schafft", sagen die Eltern. "Aber unsere Hoffnung erfüllte sich nicht."

In dieser Phase lebten sie wie in Trance, erzählt das Ehepaar. "Uns wurde von den Ärzten gesagt, dass Joschi hirntot ist, aber das wollte ich zunächst nicht realisieren", sagt die junge Mutter und fährt fort: "Ich denke, da schaltete auch mein Hirn ab." Ihr Mann Enrico kämpft mit den Tränen. "In einer solchen Situation wirst du dann auch gefragt, ob man zu einer Organspende seine Zustimmung geben würde", sagt Diana. "Wir wären eventuell sogar hierzu bereit gewesen. Warum soll man damit nicht möglicherweise einen anderen Menschen helfen?", erklärt sie. Zu diesem Zeitpunkt sei sie, wie sie sagt, in einen gewissen "Vorbereitungsmodus" gefallen, dachte daran, wie es weiter geht - beispielsweise mit der Beerdigung. Zu einer Organspende sei es dann nicht mehr gekommen, weil die Ärzte zweifelten, ob das noch möglich wäre. "Ich wollte dann auch l ieber, dass mein Kind in meinen Armen stirbt, was dann auch so kam", sagt Diana bedrückt.

Schlimme Tage und Wochen folgten für das Ehepaar und ihre damals sechsjährige Antonia-Viktoria. Über Zuwendung von Freunden und Verwandten waren sie dankbar. Auch über die Betreuung durch die Malteser war das Ehepaar dankbar. "Das hat uns wirklich sehr geholfen", sagen sie. "Wir suchten in dieser schweren Zeit Ablenkung", erzählt Diana.

Sie hätten viel geweint. "Manchmal hatten wir keine Tränen mehr", sagt die junge Frau. "Auch will man mitunter nach außen demonstrieren dass man stark ist, aber das klappt halt nicht immer."

Joschi war eine Hausgeburt. "Ich habe meinen Sohn selbst mit auf die Welt gebracht", sagt Enrico mit Tränen in den Augen. Er war ihr Sonnenschein. "Wenn Joschi in ein Zimmer kam, erstrahlte dieses", sagt der Vater. Auch Diana stimmt dem zu: "Joschi war ein Typ wie Michel von Lönneberga aus dem Kinderfilm", sagt sie mit einem zartem Lächeln.

Enrico erzählt, dass er häufig an das Grab von Joschi gehe, mit ihm spreche, ihm erzähle, was er gemacht hat oder noch vor hat. Die "Pflichttermine", bis es zur Beerdigung kam, seien sehr belastend gewesen, erinnert sich Diana, und auch den Tag der Beerdigung fürchtete sie.

Es sei ein trister Tag gewesen, als Joschi beerdigt wurde. Bekannte ließen an seinem Grab Luftballons in den Himmel steigen. "Da hat sich der Himmel geöffnet und die Sonne spitzte hervor, ein Zeichen, ein Erlebnis, dass ich nie vergessen werde", sagt Diana Mußbach.

Die Familie wird auch künftig am Todestag ihres Joschi Luftballons mit Botschaften aufsteigen lassen. "Das wollen wir beibehalten" sagt Enrico.

Das Familienleben habe sich grundlegend verändert. Diana Mußbach erklärt, dass sich die Eltern nie gegenseitig die "Schuld" am Tod von Joschi gaben. "In solchen Situationen sind schon manche Ehen zerbrochen", wissen beide. Lange waren sie in psychologischer Behandlung, auch jetzt noch sporadisch.

"Nichts ist verblasst"

"Wir opfern uns beide nicht mehr so für andere auf, wie wir das vor dem Tod von Joschi taten", sagt das Ehepaar. Daraus hätten sie auch gelernt, dass die Familie und der Zusammenhalt das Wichtigste seien für den Seelenfrieden und: Für ihre beiden Kinder da zu sein. "Geflüchtet" seien sie an Joschis Todestag auch schon mal - nach Amsterdam. "Wir wollten uns damit ablenken, gelungen ist es nicht wirklich", so Diana.

Daraus habe man auch den Schluss gezogen dass es keinen Sinn mache weg zu laufen, man müsse sich dem Ganzen stellen, sagt die starke Frau mit überzeugender Stimme. Für Antonia und Henry wollen sie so viel Normalität wie nur möglich.

"Nichts ist verblasst, nichts ist schmerzfrei", sagt der junge Vater, und seine Frau Diana ergänzt: "Wir haben nun ein anderes Schmerz-Level als vorher." Sie bekräftigt nochmals, dass, was manche für Probleme erachten, für sie Lappalien seien.

Joschi zählt in ihren Augen und auch in den Augen ihrer Tochter Antonia nach wie vor zur Familie. Diese sage manchmal: "Joschi gehört dazu, er ist jetzt im Himmel." Vater Enrico schaut sich oft Videos an, um die Stimme von Joschi zu hören. "Ich möchte nicht, dass wir sie irgendwann vergessen", sagt er. Für die Familie wird das Leben nie wieder sein wie vorher. "Du wachst früh auf und weißt, da fehlt einer", sagt Diana.

Enttäuscht sind Diana und Enrico, dass die Fahrerin des Unfallautos keinen Kontakt mit ihnen aufgenommen hat. "Eine Entschuldigung, einige Worte des Bedauerns oder auch einige Zeilen, hätten gut getan", sagt das Ehepaar Mußbach. Das Strafmaß, das die Frau vor Gericht erhalten habe, sei ihnen relativ egal gewesen. Sie wurde zu 70 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt.

"Keine Strafe der Welt kann uns unseren Joschi wieder geben", sagt das Ehepaar.

Bilder