Thüringer helfen "Ich weiß nicht ein noch aus ..."

Für Claudia Jungk aus Lauscha steht die Welt Kopf. Ihren schwerstbehinderten Sohn Marcus hat sie in ein Heim gegeben. Vor wenigen Tagen ist ihr Mann unter tragischem Umständen gestorben. Und als wenn das nicht reicht, hat sie einen Berg Schulden geerbt.

 
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Lauscha - Marcus Jungk kennen viele im nördlichen Kreis Sonneberg. Schon vor einigen Jahren war der heute 27-Jährige immer wieder vor allem Autofahrern aufgefallen, weil er stets und ständig vom Fenster im heimischen Wohnhaus in Lauscha aus den Verkehr beobachtet hatte. Das bedeutete für ihn zumindest ein wenig Abwechslung. Der angeborene Gen-Defekt hat den Zustand des jungen Mannes inzwischen immer mehr verschlimmert. Schon seit langem hatte er große Probleme, überhaupt von einem Zimmer ins andere zu gelangen.

Seine Krankheit geht mit epileptischen Anfällen einher. Eine Laune der Natur hat aus ihm ein großes Kind gemacht, das gewaschen und gewindelt werden muss und das eine ganze Flut von Puppen mit in sein Bett nimmt. Mit dem jedes Gespräch in eine Sackgasse führt. Und das über eine Sonde ernährt werden muss. Die Medikamente, die er gegen die Epilepsie nimmt, schwemmen seinen Körper auf. Der Bewegungsmangel tut sein Übriges. Die Ärzte sagen den Eltern, dass sich der Zustand noch weiter verschlimmern wird.

"Zuletzt war er nur noch gestürzt", berichtet seine Mutter Claudia. Mehrmals mussten Bergwacht und Feuerwehr ihn aus dem Haus bergen und immer wieder kam er ins Krankenhaus. Eigentlich hätte er längst in ein für ihn geeignetes Pflegeheim kommen müssen. Aber Vater Karsten wollte das auf gar keinen Fall. "Er wollte sich um ihn kümmern, so lange er kann. Aber er konnte schon lange nicht mehr", beschreibt Claudia Jungk die tragische Situation.

An ein normales Zusammenleben war da schon lange nicht mehr zu denken. Alles wurde nur am Wohl des Jungen festgemacht. Und wenn Claudia Jungk dann doch einmal anmerkte, dass endlich eine Lösung her muss, dann kamen immer neue Einwände ihres Mannes.

Als im vergangenen Oktober auch noch ihr Vater Wolfgang stirbt, hat Claudia Jungk niemanden mehr, der Marcus nachmittags betreut. Diesmal wendet sie sich an die Lebenshilfe. Dort verspricht man ihr, den Jungen bis spätestens März diesen Jahres unterzubringen. Es ist ein Lichtblick für die verzweifelte Mutter. Bis dahin, so sagt sie sich, schaffe ich das mit einer Überbrückung. Also engagiert sie privat Leute, die sich um ihren Sohn stundenweise kümmern.

Wahre Serie von Schocks

Doch dann im Februar die schlechte Nachricht: Es wird doch nichts mit der Aufnahme ihres Jungen ins Heim. Damit ist Claudia Jungk endgültig gezwungen, ihre Jobs zu kündigen. Eine Welt bricht für sie zusammen. Und trotzdem begibt sie sich erneut auf Suche nach einem Pflegeplatz für ihren Sohn. Was bleibt ihr auch anderes übrig? Von der Krankenkasse, vom Sozialamt in Sonneberg, auch vom Lauschaer Bürgermeister Norbert Zitzmann bekommt sie volle Rückendeckung. Doch einen geeigneten Platz gibt es für ihren Marcus offenbar nicht. Bis nach Sachsen fragt sie an. "Ich rammle nur noch auf Ämtern rum", sagt die Lauschaerin und schüttelt den Kopf.

27 Jahre lang hat sie ihren Sohn, gemeinsam mit ihrem Mann Karsten gepflegt. Und jetzt steht sie ganz allein da. Hinzu kommt, dass sich Marcus bei einem weiteren Sturz unglücklich den Fuß bricht. Er kommt vom Krankenhaus in die Reha, ist für drei Monate nicht daheim. Immer wieder besucht ihn seine Mutter. All das wird Claudia Jungk irgendwann zu viel. "In den letzten Monaten ist so viel passiert. Ich bin mit den Nerven am Ende", sagt sie.

Und es soll noch weit schlimmer kommen. Weil die Eheleute nur noch für ihren Sohn da sind, zerbricht die Beziehung. Vor wenigen Wochen dann erreicht die Frau ein Anruf: Ehemann Karsten hatte einen Autounfall, ist verletzt. Für einige Zeit ist er in einer Klinik untergebracht. Das auf Kredit gekaufte Auto hat Schrottwert.

Der nächste Schock soll nicht lange auf sich warten lassen. Nur Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus erhält Claudia Jungk die Nachricht, dass ihr Mann unter tragischen Umständen gestorben ist. In diesem Moment will sie nur allein sein, keine Menschenseele sehen. Das Schicksal, es meint es wirklich nicht gut mit dieser Frau.

Wie geht es bloß weiter ?

Gerade jetzt, wo sie Hilfe und Sicherheit braucht, erreicht sie ein wichtiger Brief der Krankenkasse. Eine einmalige Hilfe in Höhe von 6000 Euro sei gewährt worden, um die Kurzzeit- und Verhinderungspflege von Marcus für 52 weitere Tage zu finanzieren. Ist bis dahin kein passender Pflegeplatz für ihn gefunden, dann kann es passieren, dass er am 21. Dezember wieder nach Hause zurückkehren muss.

Verzweifelt hat sie sich deshalb mit einem Brief an Ministerpräsident Bodo Ramelow gewandt. Darin beschreibt sie ihre Situation - vor allem den Kampf um eine geeignete Einrichtung. "Für ein Heim in Coburg war mein Sohn zu gesund, da er noch selbst atmen kann. Eine Kurzzeitpflege in Hildburghausen, verbunden mit einer Änderung des zuständigen Landratsamtes, wurde genehmigt. In diesem Heim ist mein Sohn etwas zur Ruhe gekommen. Leider war eine Unterbringung auf Dauer nicht möglich. Er wurde nach Schleusingen verlegt, und als er dort angekommen war, hat man festgestellt, dass er für dieses Heim nun wiederum zu krank ist und die erforderliche Intensivbetreuung nicht geleistet werden kann, da der vorhandene Pflegegrad fünf finanziell nicht ausreicht."

Wie verzweifelt die Lauschaerin ist, zeigen folgende Zeilen an den Ministerpräsidenten: "Ich weiß nicht ein noch aus und bitte sie um unbürokratische Hilfe für meinen Sohn Marcus, denn ich bin am Ende meiner Kraft."

Eine Antwort hat sie bisher noch nicht erhalten. Dabei drängt die Zeit. Denn wie soll Claudia Jungk ihren Marcus alleine versorgen? Wie soll sie die horrenden Schulden zurückzahlen, auf denen sie nach dem Tod ihre Mannes sitzt? Was passiert, wenn sie bis dahin wieder einen Job angenommen hat? Momentan lebt sie nur von ihrem Krankengeld. Viel ist das nicht gerade. Und es reicht schon gar nicht, um Marcus neue Bekleidung zu kaufen. Vom gewährten Kleidergeld in Höhe von 25 Euro pro Monat kann sie nicht viel kaufen. Hinzu kommen Fahrkosten zu den Ämtern und ins Pflegeheim. Alles dreht sich nur noch ums Geld.

Momentan türmen sich die Probleme wie Berge vor der Mutter auf. Sie kann nicht schlafen. Nicht einmal mehr Tränen hat sie - sie sind alle schon lange geweint. Trotzdem: Claudia Jungk hat einen Wunsch. Sie möchte wieder raus und arbeiten. Am liebsten in einer Pflegedienstleitung oder einer Heimleitung.

Doch ohne Auto? Ihre eigene Klapperkiste ist 18 Jahre alt, hat so manches Wehwehchen und kommt ganz sicher nicht mehr durch den anstehenden Tüv. Kurzstrecken sind noch möglich. Aber längere Fahrten? Lieber nicht, falls der Wagen unterwegs den Dienst versagt. Das heißt aber auch, dass Claudia Jungk ständig jemanden braucht, der sie fährt: Zu den Ämtern oder zu Sohn Marcus.

Ein Auto muss also her. Klein, gebraucht, Hauptsache es fährt. Dann endlich hätte sie die Chance, noch einmal durchzustarten - vielleicht beruflich. Und ganz sicher mit ihrem Sohn Marcus.

"Freies Wort hilft" möchte Claudia Jungk und ihren Sohn unterstützen. Spenden sind möglich auf das Konto des Hilfsvereins (siehe Infokasten). Verwendungszweck: Marcus. Jeder Cent kommt ohne Abzug an .

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