Thüringer helfen Tage des Glücks nach langer Zeit des Leidens

Sabine und ihre Familie erholten sich eine Woche an der Ostsee. Foto: dpa

Ihrer an Krebs erkrankten Nachbarin eine kleine Freude bereiten, wollte eine Frau aus Südthüringen. Sie wandte sich deshalb an den Hilfsverein "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander".

 
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Den "schönsten Geburtstag überhaupt" hat sie gefeiert, erzählt Sabine*. Und schaut dabei ihre Nachbarin Elke* an, die in den letzten Jahren zur Freundin geworden ist. Elke nickt.

Kennengelernt haben sich die beiden Frauen im Krankenhaus im Jahr 2011. Beide wurden damals in einer Klinik in Südthüringen wegen Brustkrebs behandelt. "Ich sah sie auf der Station und dachte, das Gesicht kennst du doch", erinnert sich Elke. Doch ansprechen tut sie die Frau, die damals Mitte 30 ist, noch nicht. Als sie aber nach Operation, Bestrahlung und Chemotherapie in ihrem Wohnort spazieren geht, läuft ihr Sabine wieder über den Weg. Jetzt traut sich Elke, die beiden kommen ins Gespräch, das gemeinsame Schicksal verbindet. Und man stellt fest, dass die Familien nur ein paar Häuser voneinander entfernt wohnen.

Bei Elke geht alles gut. Sie arbeitet nach erfolgreicher Therapie wieder in ihrem Beruf, der Krebs ist nicht wieder zurückgekommen. Anders ist es bei Sabine. Sie ist selbstständig, arbeitet schon bald nach der OP weiter. Nach drei Jahren wird bei Sabine plötzlich Leberkrebs diagnostiziert, der Bauch hatte sich mit Wasser gefüllt. 70 Prozent der Leber sind befallen. Zwei Jahre Chemotherapie folgen. Arbeiten kann sie nun nicht mehr. "Das war das Schlimmste", sagt Sabine. Schließlich hat die Familie mit den Einnahmen aus der Selbstständigkeit gerechnet, aber auch der Kontakt zu den Kunden fehlt der damals 38-jährigen Mutter.

Doch Sabine ist eine Kämpferin, "ein kleiner Rebell", sagt Freundin Elke. Sie nimmt alle Behandlungen auf sich, um wieder gesund zu werden, für sich, ihren Mann und ihre Tochter. Und es sieht auch ganz gut aus, die Metastasen gehen zurück, auch wenn sich Sabine darauf einstellen muss, dass das Organ nie wieder so arbeiten wird wie früher. Eine Transplantation komme bei Leberkrebs nicht in Frage, sagen ihr die Ärzte. Sie geht zur ambulanten Chemo, macht sich auch dort gerne nützlich, verteilt Kaffee.

Hartnäckiger Krebs

Kaum hat sich die kleine Familie mit dem Rückschlag arrangiert, bekommt Sabine Schmerzen im Genick. Ihre Hausärztin schickt sie zum MRT. Das Bild ist eindeutig: Ein vier Zentimeter großer Tumor im Rückenmark. Und er streute schon in den Kopf, Metastasen hatten sich dort gebildet. Sabine erzählt das äußerlich ruhig. Erzählt, dass sie vorigen Dezember erneut operiert werden musste. Dass wieder Bestrahlungen folgten, diesmal am Kopf, um die Metastasen zu vernichten. Doch alles geht gut. Einzig ihre rechte Hand gehorcht ihr seit der OP nicht mehr, das Gefühl ist weg. Sie kann nicht greifen.

Sabine vertraut den Ärzten, geht parallel aber auch zum Heilpraktiker. "Die Misteltherapie", berichtet sie, "tut mir gut". Zweimal pro Woche wird sie gespritzt, 35 Euro kostet eine Spritze. Die Kasse zahlt nicht. Außerdem muss sie ständig zur Physiotherapie. Die Beweglichkeit erhalten. Die OP am Rückenmark hat ihr zugesetzt, den Kopf kann sie nur langsam bewegen, es schmerzt. Doch Sabine weiß, wofür sie das alles macht. Sie ist mit ihrer Familie umgezogen. Ein eigenes Haus stand schon lange auf der Wunschliste. Nun hat es geklappt. Das Haus musste allerdings erst auf Vordermann gebracht werden, auch jetzt ist noch viel zu tun. Doch die neuen Nachbarn halfen mit, das Umfeld stimmt, freut sich Sabine. Ihre Tochter kann jetzt Freunde mitbringen, wann sie will.

Ihr Mann hatte die meiste Arbeit, weiß Sabine. Er hatte ja nicht nur seinen Job zu erledigen, der die Familie ernährt, nun lastete auch noch alles, was mit dem Hauskauf und der Renovierung zu tun hatte, auf ihm. "Deshalb habe ich gedacht, man müsste der Familie einfach mal etwas Gutes tun", sagt Elke. Im Januar fragt sie beim Vorstand des Hilfsvereins der Heimatzeitungen Freies Wort und Südthüringer Zeitung an, ob man Sabine und ihrer Familie irgendwie helfen könne. Doch womit? Vielleicht ein paar Tage Ruhe, Erholung, einfach mal abschalten, den Stress, die Krankheit so weit wie möglich wegschieben. Elke fragt Sabine, was sie sich wünschen würde. Sie erzählt, dass der letzte Urlaub der Familie in Scharbeutz an der Ostsee so schön war, aber auch schon fünf Jahre her ist. Na, das wäre doch was!

Die Zeitung hilft

Der Vorstand entscheidet, der Familie eine Woche Urlaub zu bezahlen. Auch wenn es Sabine peinlich ist, wie sie sagt, vom Verein unterstützt zu werden, von Fremden Hilfe anzunehmen. Deshalb will sie nicht mit richtigem Namen in der Zeitung erscheinen. Doch Elke freut sich für ihre Freundin: "Das habt ihr euch als Familie wirklich verdient!", bestärkt sie Sabine, dass es richtig war, auch mal Hilfe anzunehmen. Die erzählt dann auch, sie sei, für ihre Verhältnisse, "wahnsinnig viel gelaufen" im Urlaub. "Wir haben Steine und Muscheln gesammelt, Krebse gesehen und am Strand gelegen."

Und nun konnte im neuen Haus Geburtstag gefeiert werden. So frei habe sie sich schon lange nicht mehr gefühlt, sagt Sabine. Erst der Umzug, dann der Urlaub, der auch der neunjährigen Tochter sehr gut getan hat, und nun die erste Feier im neuen Heim mit Freunden, Nachbarn und Schwiegereltern. "Im Haus machen können, was man will, das ist das Beste. Ich bin jetzt einfach nur gechillt", sagt Sabine. swo

*Namen von der Redaktion geändert

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