Biberschlag "Von einer Sekunde auf die nächste war alles weg"

Kristin Albert

Der 1. August ist ein schwarzer Tag. Nachdem in Schleusingen das Dach eines Holzhauses durch einen Blitz in Flammen steht, bricht auch in Biberschlag Feuer aus. Sylvia Dötsch kann sich und ihre beiden Kinder gerade noch rechtzeitig retten.

 
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Biberschlag - "Wenn ich den Schlag nicht gehört hätte, wären wir alle verloren gewesen", fasst Sylvia Dötsch den schlimmsten Moment in ihrem Leben zusammen. Es ist 8.30 Uhr am 1. August als die Mutter von drei Kindern einen lauten Knall im Erdgeschoss ihres Mietshauses vernimmt. Nichts ahnend geht sie eine Etage tiefer, um nachzusehen, woher das Geräusch kommt. Bereits beim Öffnen der Badezimmertür quillt dicker Rauch aus dem Nachbarraum. "Ich habe dann sofort alle Türen geschlossen und bin nach oben zu meinen beiden Kindern geeilt", erinnert sich die junge Frau. "Ich wollte sie nur noch in Sicherheit bringen."

Hilfsaktion

Wer Sylvia Dötsch helfen möchte, der kann auf das Konto des Vereins Freies Wort hilft e.V. spenden. Bitte das Stichwort: "Familie Dötsch" nicht vergessen.

Schmerz sitzt tief

Das besonders Tragische daran: Sylvia Dötsch ist vier Wochen vor dem Brand mit Söhnchen Arjen das dritte Mal Mutter geworden. Der mittlere Sohn Edwin steht kurz vor der Schuleinführung. Der Säugling sollte gerade frisch gemacht werden, als das Feuer ausbricht. "Mein Kleiner war so gut wie unbekleidet, als ich mit ihm aus der Wohnung gerannt bin. Und mein Sechsjähriger hatte vor lauter Panik nicht einmal Schuhe an", erläutert Sylvia Dötsch. Wenn sie über ihre Kinder spricht, fällt es der 36-Jährigen schwer, die Fassung zu bewahren. Zu tief sitzt der Schmerz des Erlebten. Doch die Mutter weiß, dass sie nun stark sein muss. Ihrer Kinder wegen.

"Ich habe noch versucht, das Feuer zu löschen", fährt die junge Frau fort. "Aber selbst mit einem Feuerlöscher hatte ich keine Chance mehr. Die Flammen hatten sich in der Zwischenzeit in die anliegende Garage und den Wintergarten gefressen." Deshalb sei auch jeder Versuch, das Auto aus der Garage zu fahren, gescheitert, so Sylvia Dötsch weiter. "Das Feuer hat sich fast alles geholt, was wir besitzen", muss sie schlucken. "Die einzigen Dinge, die ich retten konnte, sind der Maxi Cosi, die Wickeltasche und meine Handtasche." Der Rest ist entweder verbrannt oder das Wasser hat es unbrauchbar gemacht. "Von einer Sekunde auf die nächste war alles weg", sagt Sylvia Dötsch. "Die Kiste mit Erinnerungsstücken, die ich für meine große Tochter Laura gepackt hatte. Der Schulranzen und die Zuckertüte zur Einschulung von Edwin."

Doch die kleine Familie ist nicht alleine. Nach dem schrecklichen Ereignis ist eine wahre Welle des Mitgefühls entbrannt. "Die ersten Tage nach dem Feuer musste ich im Klinikum Suhl verbringen", informiert die 36-Jährige. "Dort haben sich alle rührend um uns gekümmert. Ohne zu fragen, wurde mir sofort Kleidung zur Verfügung gestellt. Ich hatte ja nur noch das, was ich am Leib trug." Auch die Menschen aus der Nachbarschaft zögern nicht lange und helfen, wo sie können. Manch einer gibt ganze Pakete mit Kleidung und Nützlichem ab. "Der Bürgermeister hat sogar einen Spendenaufruf gestartet", berichtet Sylvia Dötsch. "Dem sind auch viele gefolgt. Das Landratsamt in Hildburghausen hat sich auch sofort bei mir gemeldet. Neben einer Spende des Landrates, unterstützen sie mich bei der Wiederbeschaffung der wichtigsten Urkunden."

Die große Hilfsbereitschaft macht die junge Mutter, die mit ihren Kindern erst einmal bei ihrem Lebensgefährten in Waldau untergekommen ist, verlegen. Sie möchte keinesfalls als Bittstellerin erscheinen. Doch Sylvia Dötsch hat keine andere Wahl. Die Hausratversicherung zahlt nicht. "Nach dem Umzug in die Wohnung habe ich versäumt, der Versicherung meine neue Adresse mitzuteilen", meint sie. "Deshalb weigert sich diese nun, den Schaden zu übernehmen. Ähnlich sieht es bei meinem Auto aus. Der Sachverständige war zwar da. Aber bisher ist offen, ob ich es ersetzt bekomme." Denn das Problem sei, dass das Auto in der Garage des Vermieters abgebrannt ist, schüttelt die junge Frau mit dem Kopf. Nun fühle sich keine Versicherung zuständig. "Ich hoffe nur, dass meinem Vermieter keine zusätzlichen Kosten entstehen", sagt Sylvia Dötsch besorgt. "Wir sind sehr gut befreundet. Und das Feuer ist schon furchtbar genug."

Das kleine Häuschen mit Blick ins Grüne ist nicht mehr zu retten. Die Flammen haben sich bis in die obere Etage ausgebreitet. Das Dach musste von der Feuerwehr geöffnet werden, um dem Inferno Herr zu werden. Der Grund für die Flammen ist noch immer nicht herausgefunden. Nun steht das Gebäude vor dem Abriss. Und mit dem Abriss geht nicht nur der materielle Wert verloren, sondern auch zahlreiche Erinnerungen. "Es tut mir sehr weh, dass alles, was man sich aufgebaut hat, mit einem Mal verloren ist", erklärt Sylvia Dötsch bedrückt. Sie habe hier mit Oma Edda und Opa Heinz, wie die junge Frau ihre unmittelbaren Nachbarn liebevoll nennt, eine sehr schöne Zeit verlebt. Man habe sich gegenseitig unterstützt. War füreinander da. "Nun muss ich mich in Waldau ganz neu orientieren", sagt die junge Mutter emotional.

Termin beim Psychologen

Besonders leid täten ihr dabei ihre Kinder. Rausgerissen aus der gewohnten Umgebung, muss vor allem der gerade eingeschulte Edwin das Unglück verarbeiten. "Bei jedem lauten Geräusch zuckt er zusammen", teilt die 36-Jährige mit. "Als in der Wohnung in Waldau der Pellet-Ofen das erste Mal ansprang, ist er panisch aus dem Zimmer gerannt." Um ihren Sohn zu schützen, habe sie deshalb einen Termin bei einem Kinderpsychologen vereinbart, erläutert Sylvia Dötsch. Er soll ihrem Sohn helfen, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.

"Jetzt kämpfe ich jeden Tag für ein bisschen Normalität", berichtet die junge Frau. "Dank der zahlreichen Spenden und vielen Helfern komme ich dieser Stück für Stück näher."

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