Thüringer helfen "Es ist und bleibt ein Wunder"

Klaus-Ulrich Hubert

Ein fantastisches Ergebnis der Hilfe unserer Zeitungsleser: Die Knedliks haben ihr lang ersehntes Spezial-Familienauto. Der schwer kranken Cora und den zwei wackeren Frauen an ihrer Seite macht es das Leben etwas leichter.

 
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Noch bis zum frühen Morgen findet Jacqueline Knedlik nicht in den Schlaf an diesem Tag, einem, der letzten des Monats Februar. Immer wieder schaut sie durchs Fenster auf das behindertengerechte Auto unten auf der Straße in Unterpörlitz: Es ist wirklich ihrs. Und es ist das im doppelten Sinn des Wortes bewegende Ergebnis, der Weihnachtsaktion 2016 von "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander".

Die frühlingshaften Sonnenstrahlen an diesem Rosenmontag kitzeln die kleine Cora in der Nase. Die Dreijährige sitzt, als würde sie alles Geschehen um sich herum beobachten in ihrem Pflege-Buggy-Stühlchen, das ihr den schwachen Kopf stützt. Und sie schmunzelt. Irgendwie. Man muss der jüngsten Tochter von Jacqueline Knedlik jetzt einfach mit der Hand über das kleine Gesicht streicheln. So wie es ihre fast 13-jährige Schwester Lucy gerade tut.

Gerade erst hatten Mediziner Cora ein "zufrieden" attestiert, als es um den grundlegenden Eindruck vom Gesundheitszustand des behinderten Mädchens ging. Tatsächlich ist das wohl an diesem sonnigen Tag auch die Stimmung Coras, deren schwere genetische Defekte (Trisomie 18) sich in vielfältigsten Behinderungen bemerkbar machen.

Lucy und ihre Mutter sind heute, wie sie sagen, "fix und fertig vor solch großer Freude. Unglaublich!" Dazu die Aufregung. Gleich wird die Familie samt Nacht-Pflegeschwester Monika, die heute dabei ist, vom Hof des Ilmenauer Autohauses fahren können.

Fahren. Und zwar mit dem greifbaren Ergebnis der vorweihnachtlichen Spendenaktion, die diese Zeitung und ihr Hilfswerk "Freies Wort hilft" am 25. November 2016 gestartet hatte. Dass die erfolgreich war, haben wir bereits zu Heiligabend berichtet, als wir über "Coras schönste Weihnachten" schrieben.

Nun, zwei Monate später, nur noch einiger Papierkram, viele Unterschriften, Versicherungsunterlagen, Bedienanleitungen ... Schlüsselübergabe. André Schmidt vom Ilmenauer Autohaus Ehrhardt macht gerade noch den nagelneuen VW Caddy Maxi abfahrbereit; erläutert der überglücklichen (aber immer wieder in Tränen aufgelösten) Mama Jacqueline die Technik-Funktionen.

Dazu gehört eine spezielle teleskopartig verlängerbare Leichtmetallrampe. Über die kann Coras schwerer Pflege-Kinderwagen - und später dann auch der Rollstuhl - durch die Heckluke ins Innere des geräumigen Kastenwagens geschoben werden. "Ständig diese schweren Pflegestühlchen ein-, aus- und umzubauen, mit all der Medizintechnik drumherum und dran - das hätte ich körperlich nicht mehr lange geschafft", sagt Jacqueline.

Der gerade aus Zella-Mehlis angereiste " Freies Wort hilft"-Vorsitzende Kersten Mey, der schon viele Übergabe-Aktionen des Hilfevereins-Vorstandes ohne überschwängliche Emotionen hinbekommen hat, ist heute vom schnellen - sichtbaren und großen - Ergebnis der Leseraktion besonders gerührt.

Mey sucht und findet Glückwunsch-Worte für den Zieleinlauf, den die Spendenaktion heute erlebt: "Vor allem allzeit gute Fahrt für Sie und Ihre beiden Mädchen!"

Jacquelines Hartnäckigkeit auf dem Weg zu dem Erfolg - bewundernswert. Die heute 41-Jährige hatte sich nach abgrundtiefen seelischen Abstürzen schwer gefangen. Nun hat sie sich für ihr schwerkrankes Mädchen Cora ein Jahr lang durch 42 deutschlandweit agierende Stiftungen gekämpft - auf der Suche nach möglichen Geldgebern für das dringend benötigte Auto. Plus Behörden-Kämpfen: Die wollten, dass Cora ins Heim kommt, damit die Mutter wieder in einen Job findet - doch die Mutter könnte die ständig hilfsbedürftige, stark beeinträchtigte Kleine niemals alleine lassen.

42 Mal sehr umfangreiche Antragsmappen samt ausführlichen Belegen für Stiftungen ... und Ämter. Alles zehrte zunächst noch viel von ihrem Optimismus auf.

Am Ende waren es neun gemeinnützige Geldgeber, denen Jacqueline ebenfalls sehr dankbar ist, die schließlich die dringlichen Bitten der Mutter aus dem Ilmenauer Stadtteil Unterpörlitz hörten und halfen.

Doch brachten diese Vorab-Zusagen am Ende deutlich weniger als die Hälfte der Kaufsumme für ein geeignetes Auto zusammen.

Langer Weg zum Ziel

Aber viele Tausend Euro Eigenanteil zu leisten für das neue Auto? Unmöglich. Die allein erziehende Mutter lebt von Grundsicherung.

Eine weitere, kürzere Resignations-Phase folgte bei Jacqueline und ihrer großen Tochter Lucy, die sich nach der Schule längst auch als aktive Assistentin in Sachen Antragsstellungen bewährt hatte: "Die ganze Wohnung voller Antragskopien, die zu sortieren, die zu überarbeiten und zu versenden waren", erinnert sich das sympathische, aufgeweckte Mädchen bittersüß lächelnd.

Wie ihre Mama am vergangenen Montag bei der Autoschlüsselübergabe, als die beiden zusammen mit ihrer Pflegeschwester Monika endlich mal all ihre herzhaften Freudentränen aus den Augen zu bekommen schienen: "Vom Team des Sozialpädiatrischen Zentrums am Zentralklinikum Suhl, von unserer Ärztin Dr. Christiane Weiland, von Therapeuten wie Margit Wiktor und Vicki Ritzmann haben wir schon so viel Hilfe bekommen. Und dann auch noch im richtigen Moment die Adresse des Vereins ,Freies Wort hilft'. Den Rest und den guten Ausgang der Geschichte kennen Sie ja", so die überglückliche Jacqueline Knedlik.

Es riecht noch alles so sehr "nach neu", schmunzelt die beim ersten Platznehmen auf dem Fahrersitz, traut sich erst gar nicht so richtig ran an die Technik. Der Spezial-VW hat immerhin in seiner Maxi-Version den Radstand eines Kleinbusses.

Der kleinen Cora im Kreise ihrer sehr fürsorglichen Familie bietet das Auto nun für viele Jahre bestmögliche Unterwegs-Pflege, Platz für schnelles Helfen in Notfallzuständen des Kindes. Vor allem aber für Fahrten zu Therapien, Untersuchungen. Und dafür, dass die ganze Familie Knedlik am Leben teilhaben kann.

Noch am gleichen Tag wird sich beweisen, wie nötig all dies ist. Der wunderschöne aber aufregende Tag ... Cora bekommt am Rosenmontag dann leider einen ihrer vielen, aus heiterem Himmel auftretenden, schweren epileptischen Krämpfe.

Eine Kommunikation mit dem Umfeld, wie man sie von anderen Kinder diesen Alters gewohnt ist, fällt dem vor gut drei Jahren mit Trisomie 18 geborenen Mädchen gewiss schwer. Also hält sich Mama Jacqueline mit Interpretationen des eingangs genannten Lächelns ihrer Kleinen ein wenig zurück. Aber so viel weiß sie aus dem oft schweren Alltag mit ihrer Kleinen, bei dem ein Lächeln und Zappeln Lohn für manche Entbehrung ist: "Cora spürt genau, was um sie herum passiert."

Das beweist sich am Montag gleich am Ziel der Premiere-Fahrt: "Zu meinem Papa in Ilmenau. Mein Vater, der uns mit seiner Partnerin so oft zur Seite stand und steht!" Stolz fahren drei Knedliks mit ihrer "Weiberwirtschaft" (wie sie selber ihren Haushalt nennen) gleich am nächsten Tag mit ihrem Neuen zum Physiotherapie-Termin.

Kein besseres Dankeschön an alle Spender der Leseraktion als Jacquelines Frage "Wie soll ich sie alle umarmen?" Dazu auch am Donnerstag noch staunendes, fast zweifelndes Kopfschütteln: "Nun gehört uns das lang ersehnte Cora-Auto. Aber es ist und bleibt ein Wunder für uns!"

Bilanz großer Hilfe

Genau 15 845 Euro und 29 Cent: Diese gewaltige Summe haben Leser unserer Zeitung für Cora und ihre Familie gespendet. Es war eine der erfolgreichsten der traditionellen Weihnachtsaktionen, mit denen "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander" immer im Advent Spenden für vom Schicksal hart getroffene Menschen sammelt. Zusammen mit den Zuwendungen mehrerer anderer Hilfswerke und einem fairen Angebot von VW reicht die Summe aus, um einen speziell umgebauten Kastenwagen ("Caddy") zu finanzieren.

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