Thüringer helfen Wie die Solidarität der Leser die Folgen der Flut lindert

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Das Jahrhunderthochwasser hat auch Thüringer hart getroffen, war für manchen ein Schicksalsschlag. Die enorme Spendenbereitschaft hat viele Familien aus der Not gerettet. Mit Geld und mit menschlicher Solidarität.

 
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Hin und wieder Hochwasser, klar, das sind sie fast alle gewohnt, jene Thüringer, die in der Nähe von Flüssen und Bächen wohnen. So kurz und schmal aber sind die Flussläufe hier, zumal im Süden, dass das Wort "Katastrophe" im Zusammenhang mit dem Pegelstand bisher ein Fremdwort war. Seit der Flut Anfang Juni ist das anders. Es waren auch die Schicksale im eigenen Freistaat, die die Thüringer so bewegten und für Spendenhöchststände beim Hilfswerk dieser Zeitung sorgten. Und so gehen - anders als bei einer ähnlichen Aktion zur Flut von 2002 - sämtliche Spendengelder an Betroffene aus Thüringen.

Auch in Gößnitz im Altenburger Land kam das Hochwasser quasi über Nacht. "Mit Taschenlampen haben wir, bangend und unsicher, die Pleiße abgeleuchtet", berichten Altstadt-Anwohner über den Moment, als die Pleiße durch die Altstadt schoss. "Und als wir sahen, wie Kühltruhen und Möbel davonschwammen, die Feuerwehr mit Lautsprechern zur Evakuierung aufrief, da wussten wir: Hier müssen wir raus." 520 geflutete, oftmals zerstörte Wohnungen, kaputte Läden und Kleinbetriebe, rund 20 Millionen Euro Schaden: Gößnitz an der Pleiße ist die am schlimmsten betroffene Stadt weit und breit. Familien aus dieser Kleinstadt erhalten deshalb auch den größten Batzen der Spendensumme von "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander".

Viele der Betroffenen in Gößnitz sind allein Erziehende, Arbeitslose. Leute, die nie etwas abzwacken konnten für Rücklagen. Ältere Menschen mit bescheidenen Häuschen und Mini-Rente, oft zusätzlich belastet durch schwere Leiden. So wie bei der dreifach krebskranken Birgit Schulz und ihrem Mann und Ingo Krautwurm in Caaschwitz, einem zweiten Spenden-Schwerpunkt des Zeitungshilfswerks. Jäh krachte die Flut der Weißen Elster in das Natur-Idyll und ein funktionierendes Nachbarschaftsleben in dem Dorf bei Bad Köstritz, drückte Deiche samt asphaltierten Radwegen vom Ufer weg auf Felder. Wie in Gößnitz liefen nahezu alle Keller in den tieferliegenden, älteren Ortslagen voll. Kaputte Heizungen, aufgequollene Möbel, nasse Wände, Böden, Türen, zerstörte Geräte: Da kamen bei etlichen Familien schnell mehr als zehn- oder zwanzigtausend Euro zusammen, bei Schäden an der Haussubstanz in Einzelfällen noch viel mehr.

Versicherungen? "Hier in Flussnähe war es niemandem gelungen, eine Police gegen Hochwasserschäden zu bekommen", berichtet der Caaschwitzer Bürgermeister Dieter Dröse. Im wenige Kilometer südlich gelegenen Gera-Thieschitz darf die Familie Reitz ebenso wenig auf Schadensregulierung hoffen: Den Schaustellern, die mit ihrer Losbude und ihrem Süßigkeitenstand auch in Südthüringen bekannt sind, ersparen die Spendengelder nun wenigstens die schlimmsten Zukunftssorgen. Allein die Stromrechnung für die wochenlang laufenden Trocknungsgeräte hätten viele ohne Unterstützung nicht zahlen können.

Am Stiller Tor in Schmalkalden waren zwar einige Anlieger (mit hoher Selbstbeteiligung) versichert - doch die Wucht, mit der das Flüsschen Stille die geduckten alten Häuschen durchspülte, richtete ein Chaos an, das keine Assekuranz in vollem Ausmaß abdeckt. Die Brücke vom Grundstück weggerissen, das Erdgeschoss verwüstet: Familie Klaedtke kann immer noch nicht wieder in die Wohnung einziehen, viele Nachbarn müssen ihr Häuschen wieder von Grund auf sanieren. "Da helfen die Spendengelder schon ein ganzes Stück weiter", sagt Jürgen Klaedtke.

Während es am Stiller Tor einen ganzen Straßenzug traf, wütete die Flut in anderen Schmalkalder Stadtteilen nur vereinzelt - dafür aber teils richtig heftig. Eine weggerissene Ufermauer wieder aufbauen, jede Menge Hausrat ersetzen, Wasser, das teils eine Woche lang stand: Die Hilfsgelder lindern die Not. Auch in Schmalkalden sind mehrere der Betroffenen überdies schwer krank oder Invalidenrentner.

Doch auch jüngere Menschen im vollen Berufsleben können schwer getroffen werden. Wie im Rhön-Dörfchen Andenhausen. Dort, an der Grenze zu Hessen, war es kein klassisches Bach-Hochwasser, sondern extremer Starkregen, der die Dorfstraße völlig unerwartet in einen reißenden Strom verwandelte. Fünf Autos weggerissen, Uferbefestigungen weggespült, Heizung und Böden unbrauchbar: Die Spendengelder sind immerhin ein Zuschuss zu den hohen Summe, die zwei Familien nun aufbringen müssen.

Extrem hoch ist der Betrag, um den es im Bad Salzunger Ortsteil Kloster geht, genauer bei Anliegern einer Straße unterhalb des steilen Uferhangs: Dort haben Werra-Hochwasser und Dauerregen zwar kaum direkte Schäden hinterlassen. Der indirekte Schaden hat es aber in sich: Die Erdmassen des Hangs drohen abzurutschen. Akut tat sich ein großer Riss auf, so dass etliche Familien zwischenzeitlich ihre Häuser verlassen mussten. Schlimmer noch: Um beim nächsten Regen nicht einen gewaltigen Erdrutsch zu riskieren, muss der gesamte Hang aufwendig gesichert, werden. Kostenpunkt: Mehrere Hunderttausend Euro, die von vier Familien aufgebracht werden müssen. Die kann und will das Zeitungshilfswerk nicht zahlen. Wohl aber ermöglichen wir den (keineswegs betuchten) Betroffenen durch eine Finanzspritze, Kredite für diese gewaltige Zukunfts-Investition aufzunehmen.

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