Suhl/ Zella-Mehlis Nicht dabei, aber dank Schnappschuss trotzdem vor Ort

Anica Trommer

Es ist ein Gottesdienst, wie er schon hundertfach gefeiert wurde, und dennoch ist am Sonntag vieles anders. Weil die Gläubigen nicht selbst in die Hauptkirche kommen können, haben sie Fotos geschickt.

 
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Suhl - Die ersten sechs Bankreihen in der Suhler Hauptkirche sind gut gefüllt. 71 lächelnde Gesichter blicken zum Altar, darunter Familien und Paare, Ältere und Jüngere. Und dennoch ist es seltsam still im Gotteshaus. Die vielen glücklich dreinblickenden Menschen dürfen nicht selbst vor Ort sein - alle Gottesdienste sind abgesagt, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Stattdessen haben sie Fotos von sich geschickt, um dennoch zusammenzukommen, wenn Pfarrerin Kerstin Gommel, Jugendpfarrerin Anna Böck, Superintendentin Jana Petri und Kantor Philipp Christ den sonntäglichen Gottesdienst gestalten. Es ist eine besondere Aktion in einer besonderen Zeit.

In Freies Wort , in Supermärkten und in Apotheken hatten die Mitarbeiter der evangelischen Kirche in Suhl Werbung gemacht und auf den etwas anderen Gottesdienst hingewiesen. Der Rücklauf zeigt - es ist eine gute Idee.

Wünsche berücksichtigt

Viele Gemeindemitglieder, die auch sonst am Sonntag zum Gottesdienst kämen, hätten ihre Bilder geschickt, erzählt Anna Böck. Und trotz der ernstzunehmenden Lage hätten sie ihren Humor nicht verloren. "Ich habe Hinweise bekommen, wer neben wem sitzen möchte", sagt die Pfarrerin lachend. Beim Ankleben der Fotos an den Kirchenbänken wurden diese Wünsche berücksichtigt, sagt sie.

Auch einige Gäste aus dem Kirchenkreis, in dem Superintendentin Jana Petri zuvor gewirkt hat, haben die Einladung angenommen und ihre Fotos nach Suhl gesendet. "Es ist schön, dass die Leute so interessiert sind an der Aktion und dass sie sich so engagieren. Ich freue mich, wenn möglichst viele Menschen kommen", sagt Anna Böck und berichtigt sich gleich: Es dürfe ja niemand beim Gottesdienst dabei sein, doch dank der vielen Selfies fühle es sich dennoch so an, erklärt die Jugendpfarrerin. Selbst vom Küster gibt es einen Schnappschuss. Doch zum Läuten der Glocken und zum Öffnen der Kirchentüren schaut Torsten Röpke doch persönlich vorbei.

Stille und Diskussion

Die Pfarrer sitzen am Sonntagmorgen auf Stühlen im Halbkreis vor dem Altar. Es hat etwas Familiäres, etwas Geschütztes. Es ist der gleiche Gottesdienstablauf wie an jedem anderen Tag: Es wird gesungen und gebetet, Fürbitten werden gehalten. Und dennoch ist einiges anders. Nicht nur, dass die Gläubigen fehlen. Im Kirchenschiff steht ein Spender mit Desinfektionsmittel. Die Lesung aus dem Evangelium, sonst gehalten von einem Ehrenamtlichen, kommt als aufgezeichnete Sprachnachricht vom Handy. Damit sie durchs ganze Kirchenschiff hallen kann, wird sie auf eine Box übertragen. Statt einer Predigt schließt sich an den Predigttext, den Kerstin Gommel liest, ein stiller Gedankenaustausch und schließlich eine Diskussion unter den Pfarrern an. Ausgelöst wird sie von den Sätzen im Buch Jesaja, in denen es passend zum gestrigen Sonntag heißt: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

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