Suhl - Konstantin Wecker, Gregor Gysi, Egon Bahr, Hellmuth Karasek, Ephraim Kishon, Erwin Strittmatter, Stefan Heym, Avi Primor, Erich von Däniken Reinhold Messner, Helmut Recknagel, Hilmar Thate und Angelica Domröse, Reinhard Hess, Markus Wolf, die Domenica, Wolfgang Leonhard, Peter Sodann, Wilhelm Dietl, Winfried Glatzeder - illustrer kann die Schar derjenigen, die schon in diesem Haus gelesen hat, kaum sein.

Und damit wäre die Aufzählung noch lange nicht zu Ende. Plakate und Fotos in den oberen Büroräumen erinnern daran. Und auch Fritz Waniek und seine Kinder Heike Becker und Michael Waniek erinnern sich daran. An jede Begegnung, aber nicht minder an die Begegnung danach, als das Publikum längst zu Hause war und noch Zeit blieb mit dem Gast auf ein Schlückchen Wein, ein Bier oder ein Wasser.

Geschichte begann 1924

Steht ein rundes Jubiläum ins Haus, kramt wohl jeder gern in seinen Erinnerungen. Da macht die bekannte Suhler Buchhändler-Familie Waniek keine Ausnahme. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums - am 6. Juli 1979 wurde das "Haus des Buches", so damals sein Name, mit großem Bahnhof eröffnet - haben sie auf mehreren Tafeln die Geschichte in Fotos und Zeitungsausschnitten dokumentiert. Die werden im Verkaufsraum aufgestellt, und da kann sich jeder Besucher über die wechselvolle, interessante Historie informieren. Diese Geschichte, sie ist zugleich eine des mehr oder minder intensiven Umgangs der Suhler mit dem Buch, mit der Literatur.

Wer weiß schon noch, dass die erste Volksbuchhandlung um 1924 am Mühlhügel eröffnet wurde? Später zog sie in die Poststraße. Ab 1953 hieß die Einrichtung "Bücherfreund", befand sich im heutigen Wäscheladen gegenüber vom Kaufhaus Ruppert und hatte dort bis 1979 ein kleines, bescheidenes Domizil. Fast bis unter die Decke mit Büchern gefüllt, prägte dieses Geschäft trotz seiner Enge ein liebenswerter Charme, und mit Manfred Beuthner hatte es einen belesenen, klugen Chef, der für sein Handwerk leidenschaftlich brannte.

Er wurde der Leiter des neuen "Hauses des Buches" - bis nach der Wende. Das hatte für den ehemaligen Bezirk eine zentrale Funktion und wurde deshalb besonders versorgt. Aber die Bückware gehörte hier genauso zum täglichen Geschäft wie anderswo. Ob es sich um Kinderbücher von Elisabeth Shaw, Truman Capotes "Kaltblütig" oder um Jewgeni Jewtuschenkos "Beerenreiche Gegenden" handelte.

Fritz Waniek, seinerzeit noch Direktor des Volksbuchhandels im Bezirk Suhl, spricht mit Hochachtung von seinem Kollegen Manfred Beuthner, der für viele Literaturfreunde als eine Instanz galt. "Ich habe ihn verehrt und viel von ihm gelernt. Er war die Person, die den Buchhandel hier damals hervorragend vertreten hat."

Vom kleinen Eckladen hin zu einem Geschäft mit über 400 Quadratmetern Verkaufsfläche, das war schon etwas. In den ersten zehn Jahren wurden rund sechs Millionen Bücher verkauft, jährlich zählte man zwischen 750 000 und eine Million Besucher. Manfred Beuthner hatte 1989, zum zehnjährigen Jubiläum, gerechnet: "Nimmt man pro Buchrücken 2,5 Zentimeter, so ergeben diese sechs Millionen verkaufte Exemplare eine Länge von 150 Kilometern."

Fritz Waniek und seine Kinder Heike und Michael, die 1999 das Geschäft vom Vater übernahmen, wären heute schon froh, wenn sie die Hälfte davon erreichten.

Die Zeiten, sie haben sich verändert. Und auch das Leseverhalten der ehemaligen DDR-Bürger. Rollten früher, erzählt Fritz Waniek, mehrmals pro Woche ganze Lkw-Ladungen an, ist das heute unvorstellbar.

"Damals, nach der Wende, dachte ich, jetzt kommt eine neue Zeit, jetzt gibt es alle Bücher dieser Welt. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, dass damit kein Geld zu verdienen sei." Fehlgedacht. Den Einbruch gab es schon kurz nach der Wende. Plötzlich war das Buch nicht mehr das einzige Medium zum Lesen. Bunte Zeitschriften überschwemmten den Markt, und der Buchpreis schoss in die Höhe.

Doch die Dimension der Veränderung, die konnte Fritz Waniek - selbst ein Büchernarr - als er im Januar 1991 das Geschäft erwarb, nicht erahnen. Zuvor hatte er als Direktor des noch bestehenden Buchhandels im Bezirk den Auftrag, alle 25 Geschäfte zwischen Bad Salzungen und Sonneberg, zwischen Hildburghausen und Neuhaus zu privatisieren. Das gelang. Er ist heute noch stolz darauf, dass nicht nur fast alle Läden von ehemaligen Mitarbeiter erworben wurden, sondern auch, dass die meisten von ihnen heute noch am Markt bestehen.

Das "Haus des Buches" war schließlich das letzte, was noch einen neuen Besitzer suchte. Die beträchtliche Größe der Verkaufsfläche, die Immobilie und das Gelände, das miterworben werden musste, erwiesen sich als ein Riesenproblem. Fritz Waniek war mutig, er rief den Familienrat zusammen, und der gab grünes Licht. Als er schließlich den Zuschlag erhielt, musste er eine Millionensumme auf Darlehensbasis investieren.

An die Kinder übergeben

Eine Schließung während des Umbaus konnte der neue Eigentümer sich nicht erlauben, also verkaufte man bei Wind und Wetter im Container vorm Haus. Am 19. November wurde neu eröffnet, mit zwölf Mitarbeitern von einstmals zwanzig. Heute sind es nur noch fünf Beschäftigte. Zum 31. Dezember 1998 schied der Seniorchef aus und übergab an die Kinder Michael und Heike. Die hatten sich mittlerweile gründlich eingearbeitet in das anfangs fremde Metier und fanden Gefallen daran.

Auch heute ist die Situation für Buchhändler nicht einfach. Doch nicht das Internet macht zu schaffen, haben die Wanieks festgestellt. Die Konkurrenz ist woanders zu Hause. In jedem Supermarkt kann man billig Lektüre erwerben, dazu kommt eine große Kette in der Heimatstadt. Das Kundenalter fange etwa bei 35 Jahren an. "Darauf muss man sich einstellen", sagt Heike Becker. "Wir bieten deshalb ein möglichst volles Sortiment." Es gebe dennoch einen Lichtstreif am Horizont, der Buchverkauf nehme leicht wieder zu. Eine Tradition hat das "Buchhaus Suhl" aus der DDR übernommen und pflegt sie weiter - die Begegnung von Lesern und Autoren.

Die eingangs erwähnten Prominenten - Fritz Waniek hat irgendwann aufgehört zu zählen - sind ein Beleg dafür. Aber auch die Reihe "Buchpremiere", die gedacht war, vor allem den Autoren des Bezirkes Suhl ein Podium zu geben, ist nicht aus der Mode gekommen. Landolf Scherzer beispielsweise und ebenso Siegfried Schütt, haben bislang noch all ihre neuen Werke zuerst hier präsentiert.

Das Buchhaus - eine Heimstatt für die Literatur. Hoffentlich auch in Zukunft.