Suhl - "Nichts ist so entsetzlich wie der Zusammenstoß zwischen roher Gewalt und kindlicher Hilflosigkeit." Joachim Schmidt, Geschäftsführer des Trägerwerkes soziale Dienste in Thüringen e.V., stellte das Zitat, das von Autorin Rita Bockelmann stammt, an den Schluss seiner Ansprache. Er würdigte darin das Wirken der 17 Kinder- und Jugendschutzdienste in Thüringen und ganz speziell das von "Allerleirauh" Suhl, dessen zehnjähriges Bestehen gestern im Foyer des Hauses "Philharmonie" mit einem kleinem Festakt und einer Fachtagung begangen wurde.

Jana Wolff und Manuela Matz, Mitarbeiterinnen von "Allerleirauh", kennen die schlimmen Auswirkungen dieser "Zusammenstöße" ganz genau. Denn seit nunmehr sieben Jahren helfen sie Kindern und Jugendlichen, die von Misshandlung, Missbrauch, schwerer Vernachlässigung betroffen oder bedroht sind. Sie hatten Ende 2002, nach dem Wechsel vom Träger Kinder und Jugendliche in Not e.V. unter das Dach des Trägerwerkes soziale Dienste, einen schwierigen Start. Nicht nur das Mobiliar, sondern auch alle Unterlagen der Arbeit, die von der Eröffnung im Sommer 1999 bis dahin geleistet wurde, waren aus der Beratungsstelle in der Bahnhofstraße verschwunden. Kurz blickte Jürgen Koch, Leiter des Jugend- und Schulverwaltungsamtes, auch in diese Zeit zurück. Er betonte, dass die damalige Entscheidung für das Trägerwerk eine gute und die Besetzung der Beratungsstelle mit Jana Wolff und Manuela Matz "goldrichtig" war. Beide hätten sich von Anfang an in das soziale Netzwerk eingebunden und seien verlässliche Partner. Das Wirken mit Schwerpunkt Prävention trage Früchte, wie auch die Zahl der Einzelfallberatungen belege, die sich im Laufe der Jahre reduziert habe. "Die kontinuierliche Arbeit zahlt sich aus. Der Schutzdienst ist ein unverzichtbarer Baustein im sozialen Netz", betonte Koch und dankte dem Träger und den Mitarbeiterinnen. Da sich Manuela Matz im Mutterschaftsurlaub befindet, steht Eileen Rußwurm Jana Wolff zur Seite. Sie wurde in den Dank eingeschlossen.

Jürgen Koch erinnerte auch daran, dass vor rund zwölf Jahren in den politischen Gremien der Stadt eine heiße Debatte geführt wurde, um die Notwendigkeit, einen Kinder- und Jugendschutzdienst einzurichten. Es sei einigen Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses zu verdanken, die nicht locker ließen, dass es "Allerleirauh" gibt. Unter anderem war Brigitta Wurschi von der Caritas beteiligt. Jana Wolff sprach ihr ein besonderes Dankeschön aus. Brigitta Wurschi findet es "ganz toll, dass ,Allerleirauh' einen festen Platz in der Stadt hat". Der Schutzdienst sei auch für die Caritas-Beratungsstelle wichtiger Partner. Unverzichtbar sei Prävention, denn "jeder Euro, der in Prävention gesteckt wird, bringt doppelten Gewinn - Kinder werden mutig und am Ende werden ganz teure Hilfen gespart." Das sehen Manuela Matz und Jana Wolff genauso. "Kinder und Jugendliche in ihren Rechten und Kompetenzen zu stärken ist ein wichtiges Anliegen, Präventionsarbeit eine unerlässliche Säule", betonte Jana Wolff. Sie führte Schulprojekte an, in die allein im vorigen Jahr über 700 Schülerinnen und Schüler einbezogen waren. Und sie machte aufmerksam, dass "jedes Jahr ein kleines Highlight gesetzt wurde", so zum Beispiel mit dem Präventivtheater "Piccolina", dem Filmprojekt "Ben", der Ausstellung "Opfer", sowie der bundesweiten Kampagne "Mehr Respekt vor Kindern", die nach Suhl geholt wurde.

Das Angebot der Kinder- und Jugendschutzdienste ist freiwillig, niederschwellig und kostenfrei. Es muss erhalten bleiben, auch in Suhl und Sonneberg, wo 2007 ein Standort installiert wurde. Denn traurige Tatsache ist, dass immer wieder Kinder und Jugendliche misshandelt, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden - trotz gesetzlicher Verankerung des Rechtes der Kinder auf gewaltfreie Erziehung in der UN-Kinderrechtskonvention und im Bürgerlichen Gesetzbuch, trotz Thüringer Verfassung.

Übergriffe bagatellisiert

Traurige Tatsache ist auch, dass sexuelle Übergriffe unter Kindern im Vor- und Grundschulalter zunahmen und -nehmen. Sie wurden in der Vergangenheit oftmals als "falsch verstandene Doktorspiele" bagatellisiert, wie Traumatherapeutin Ursula Enders gegenüber Freies Wort äußerte. Die Leiterin von "Zartbitter" Köln, Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, war Referentin der Fachtagung, die diese Problematik zum Thema hatte.