SUHL – Auch wenn der Zufall hier ein wenig nachgeholfen hatte, aber sei es drum.

Bisher gehörte noch zu jedem Provinzschrei eine Ausstellung (dazu zählt unbedingt jene von Fotograf Günter Rössler, die derzeit in der Rhön-Rennsteig-Sparkasse gezeigt wird). Die Kunstschau aus Suhls französischer Partnerstadt Beglès war schon im Frühjahr geplant. Und so lag es nahe, beide Ereignisse – Provinzschrei und Vernissage – zu verbinden. Was schließlich am Ende eine besondere Symbiose ergab, denn Hendrik Neukirchner vom Provinzschrei fügte der Kunst aus Frankreich ein „hausgemachtes“ literarisches Menü hinzu. Die Thüringer Autoren Gisela Kraft, Ursula Schütt, Holger Uske und Jens-Fietje Dwars kamen in den Genuss, umgeben von inspirierender Kunst aus ihren Werken zu lesen. Und das Publikum – es konnte seine Sinnen gleich zweifach Gutes tun.

Schade allerdings, dass der Lesung, die sich der Vernissage anschloss, so wenige Zuhörer folgten, denn was die vier genannten Autoren an Lyrik und Prosa präsentierten, das konnte sich gut hören lassen, obgleich hier schon Kontraste aufeinander stießen. Da die spielerische Leichtigkeit der Bilder und (vor allem) der witzigen Plastiken – dort das eher etwas bedeutungsschwerere Spiel mit dem Wort. Aber das ist es ja gerade, was wir an Ländern wie Frankreich oder Italien so lieben – die Leichtigkeit des Seins, die uns leider so oft fehlt.

Oberbürgermeister Jens Triebel, versuchte sich auch mit einem poetischen wie treffenden Bild zur Vernissage: „Diese Ausstellung macht Lust auf das Meer von Bordeaux.“ (Zur Erklärung: Beglès liegt in der Nähe von Bordeaux).

Das dürften wohl auch die vielen Gäste, die sich in der Atriumsgalerie drängten, so empfunden haben. Savoir Vivre – Lebenskunst aus „La Morue Noire“ (Schwarzer Kabeljau), ein riesiges Atelier für Künstler in einer umgebauten Fabrikhalle. Vor allem die originellen Metallplastiken von Michel Lecoeur (da und dort ein bisschen an Dalí erinnernd) zogen immer wieder die bewundernden Blicke der Besucher auf sich, ob jener weibliche Amor mit einer Punkfrisur aus langen rostigen Nägeln, das Fabelwesen in Ritterrüstung oder die von der Decke schwebende Figur. Und wenn man genauer hineinschaute in die stellenweise transparenten Figuren, da entdeckte man doch allerlei bekanntes Zeug wie Drahtseile, Metallfedern, Schrauben, eine Lampenfassung, einen Fahrradsitz. Der Mann schmeißt eben nix auf den Schrott. Was Galeristin Annette Wiedemann zu der Bemerkung veranlasste, dies möge doch Anregung sein, in der einstigen Metallhochburg Suhl auch einmal etwas auszuprobieren. Und was bei einer Vernissage hier höchst selten passiert – einige der amüsanten Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Gérard Chouissa waren im Nu mit einem roten Punkt versehen. Diese Käufer jedenfalls musste Isabelle Champagne vom Kunsthaus in Beglès nicht überzeugen, als sie den Suhlern „viel Vergnügen beim Entdecken der Werke“ gewünscht hatte.

Entdeckungen konnte man auch in der anschließenden Lesung machen. Jens-Fietje Dwars, der Thüringens Literaturzeitschrift „Palmbaum“ herausgibt, war nicht nur gekommen, um zu werben für das anspruchsvolle Produkt, sondern gleichzeitig auch für Thüringens Autoren. Für Ursula Schütt und Holger Uske war es ein Heimspiel, sie pflegen den Kontakt zu ihrem hiesigen Publikum. Erst unlängst hatte Ursula Schütt zu einer Lesung in die Rimbachbuchhandlung eingeladen. Den Text, denn sie diesmal vorstellte, ist ganz neu, und er steht im jüngsten „Palmbaum“-Heft: „Der Wolf unterm Bett“. Die nachdenkliche Geschichte über ein phantasievolles Kind, das zu DDR-Zeiten in der Schule mit Unehrlichkeit und Heuchelei konfrontiert war und sich dennoch nicht verbiegen ließ.

Holger Uskes Reise in poetische Welten zwischen eigener Terrasse, Pompej und Südtirol machte auch gelegentlich nachdenklich, doch am meisten Spaß bereitete es, wenn er so wunderbare Wortspiele bastelte wie „wie man Wolken würfelt“. Sehr knapp, sehr dicht und meist mit verblüffender Pointe, von solcher Art waren die Verse, die Gisela Kraft aus Weimar las. Da reizte es doch so manchen, das zu Hause noch einmal genießerisch, und Wort für Wort, nachzulesen.

Kunst aus Beglès bis zum 28.Oktober in der Atriumsgalerie