Suhl - Claudia Neukirchner, die Vorsitzende des Vereins Provinzkultur, ist, wenn es um den von ihr und ihrem Mann Hendrik vor zehn Jahren in den Welt gesetzten "Provinzschrei" geht, zwar bestimmt und leidenschaftlich, aber wiederum auch bescheiden im Auftreten. Zumindest wenn man das ins Verhältnis setzt zu dem, was beide - zusammen mit ein paar treuen, idealistischen Helfern - an kultureller Leistung seit zehn Jahren für ihren Heimatort und dessen Bürger erbringen.

Etwas, in das die Stadt Suhl in all den Jahren sehr, sehr wenig investieren musste, dafür aber umso mehr zurückbekam. Effizienter kann man Kultur für ein Gemeinwesen kaum erhalten. Aber das heißt ja nicht, dass dies ein wunderbarer fiskalischer Dauerzustand bleiben muss.

Gerade weil Claudia Neukirchner so bescheiden ist und wenig lärmt, verzichtet sie an diesem Abend im Kulturausschuss darauf, aus Briefen an den Verein zu zitieren. Briefe, die beispielsweise allein voriges Jahr bekannte Gäste und Künstler schrieben: "Ich hatte mich offenbar völlig zu Recht auf Suhl gefreut, lasst es weiter schön krachen" - O-Ton Schriftsteller Harry Rowohlt. "Ich bewundere Ihr Engagement" - Schriftsteller Christoph Hein. "Ich neige mein Haupt in Bewunderung angesichts der umsichtigen Organisation" - Fernsehjournalist Dirk Sager.

Wie die Kleinkunsttage

Dieser "Provinzschrei", er ist längst eine kulturelle Landmarke für Suhl und für die Region. Einzigartig, unverwechselbar, mit einem besonderen, weil bodenständigen Charme. Unter Künstlern hat er sich deutschlandweit als ein fabelhafter, herzlicher Ort der Begegnung mit dem Publikum einen Namen gemacht. Selbst Katja Riemann, die nie zuvor in ihrem Leben von Suhl etwas gehört hatte, war überrascht.

Stadträtin Ingrid Ehrhardt (Freie Wähler) hat einen passenden Vergleich parat: "Der Provinzschrei ist für Suhl das, was die Kleinkunsttage für Meiningen sind." Vielleicht hätte sie für manches, weniger informierte Ausschussmitglied hinzu setzen sollen: Hinter den Kleinkunsttagen in Meiningen steht seit Jahr und Tag die Stadt als Veranstalter. Mithin Verlässlichkeit und Berechenbarkeit.

Privates Risiko

Anders in Suhl. Hier wurde einzig aus einer Privatinitiative mit Privatrisiko zweier, vor zehn Jahren blutjunger, bewundernswert hartnäckiger Menschen ein kultureller Leuchtturm. Der ohne Sponsoring nicht existieren könnte. Seit zwei Jahren balanciert man nun auf Vereinsfüßen, und das ist gut so. Wagemut, Engagement, Konzept beeindruckten sogar die Kulturstiftung des Bundes/Fonds Neue Länder. Sie reichte dem Verein für das beispielgebende Wirken im vorigen Jahr eine einmalige Förderung für den Jubiläums-Provinzschrei aus.

Selbst das Kultusministerium in Erfurt, das zwar seit Jahren ein paar Gelder für den Finanztopf hinzu schießt, erkannte den Stellenwert und förderte im vorigen und auch dieses Jahr wieder eine Halbtags-Projektmanagerstelle, inklusive einiger über Suhl hinausreichender interessanter Projekte. So weit, so gut.

Aber eigentlich doch nicht. Neukirchners wissen, dass das Land nur im Boot bleibt, wenn die Stadt sich ernsthaft bewegt. Wesentliches bewegt sich hier allerdings nicht. Eigentlich wollen sie mit ihrem "Kind" Provinzschrei in ihrer Heimatstadt bleiben, es war für Suhl und die Suhler gedacht. Andererseits, wenn die Bedingungen nicht stimmen ...?

Claudia Neukirchner und ihre Mitstreiter vermissen Anerkennung und Wertschätzung seitens der Stadt. Schaut man auf die Zahlen, die sie dem Kulturausschuss präsentiert, so wurde der kommunale Zuschuss von Jahr zu Jahr weniger. 2010, ein zugegeben besonders schwieriges Jahr für die Stadt, reichte es gerade einmal für 1000 Euro an Barem.

1000 Euro für Noten

Das ist wiederum genau jene Summe, die zum Jahresende 2009 der Singakademie vom Finanzausschuss generös und ad hoc für den Kauf von Noten über den Tisch geschoben worden war. Relationen sind das nicht, zumal die Singakademie jährlich einen respektablen fünfstelligen Betrag von der Stadt erhält.

Sicher, da wurde voriges Jahr eine Bühne für die Provinzschrei-Veranstaltungen finanziert, schnell noch eine Saalmiete für die Veranstaltung mit Joachim Gauck seitens der Stadt flüssig gemacht, aber eigentlich ist es ein Unding, Veranstaltungen so zu riskant planen.

Dieter Spieker (Die Linke) spricht Klartext - so kann das nicht weitergehen. Hier hat die Stadt Handlungsbedarf. "Der Provinzschrei ist nicht mehr wegzudenken. Alles, was hier so vorbildlich geschieht, dient der Imagepflege von Suhl, wie wir sie uns auf die Fahnen geschrieben haben. Das ist das, was wir brauchen. Es ist unsere Aufgabe, dem Verein es leichter zu machen, und diese Hilfe ist nicht nur aufs Geld zu reduzieren." Der Kulturausschuss müsse die Vergabe seiner Mittel neu bedenken. Spieker schlägt vor, zunächst alle wichtigen Leute der Stadt an einen Tisch zu bekommen, um festzulegen, wie der Verein mittel- und langfristig unterstützt werden kann. Und er fügt hinzu: "Wenn wir ein klares Bekenntnis zur Joel-Gemeinde abgeben können, dann sollte das erst recht für den Provinzschrei möglich sein."

Peter Hornschuch (Aktiv für Suhl) geht noch weiter. Er fordert: Raus aus der Vereinsförderung und in eine institutionelle Förderung mit einer klaren Finanzierungsgröße. "Das machen wir bei der Singakademie ja auch." Egal in welcher Höhe die Finanzierung ausfalle, es wäre wenigstens eine verlässliche Größe. "Hier geht es einfach um die Verlässlichkeit der Finanzierung von Kultur."

Recht hat er. Dem ist nichts hinzuzufügen. Nur noch: Bewegen sollte sich schleunigst etwas.