Suhl/ Zella-Mehlis Auf dem Weg ins Leben Nummer sieben

Mit Scharfsinn und Witz weiß der Bundestagsabgeordnete der Linken, Gregor Gysi, das Suhler Publikum mitzureißen. Am Samstagabend erzählte er von seinen sechs bereits geführten Leben.

 
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Suhl - Buchlesung ist sicher das falsche Wort, um den Samstagabend im Gagarinsaal zu beschreiben. Es war vielmehr eine Buchbesprechung, eine wortgewaltige Plauderei über die große Weltpolitik und so manch kleine, familiäre Besonderheit, mit der Gastredner Gregor Gysi das Publikum fesselte. Der Bundestagabgeordnete der Partei Die Linke stellte den etwa 150 Zuhörern ein besonders Werk vor - seine Autobiografie. "Wenn Sie auch mal vorhaben so etwas zu schreiben, lassen Sie es sein. Es ist unglaublich anstrengend", sagte er lachend.

Doch es verkauft sich gut, was der Politiker zu sagen und nun auch niedergeschrieben hat. Dass das Buch mit dem Titel "Ein Leben ist zu wenig" auch auf der Spiegel-Bestseller-Liste vertreten ist, "fällt dem Spiegel sicher auch nicht so leicht", kommentierte Gregor Gysi.

571 Seiten bilden ab, was in den vergangenen knapp 70 Lebensjahren des charismatischen Ost-Berliners passiert ist. "Ich habe bisher bereits sechs Leben geführt", sagte Gregor Gysi und beantwortete damit gleichzeitig die Frage nach dem etwas sonderbar anmutenden Buchtitel. Er grenzt sie ab, die Zeit als Kind und Jugendlicher von seinen Jahren als Student und schließlich als Rechtsanwalt in der DDR. Vor allem Scheidungen habe er oft betreut und mit den einstigen Ehepartner ausgefochten, wem Haus, Kinder und Auto zugesprochen werden. Schließlich brach mit der Wendezeit Leben Nummer vier an. Als Neu-Bürger der BRD lebte Gregor Gysi sein fünftes Leben - eine schwierige Zeit für das einstige SED-Mitglied. "Ich wurde von vielen zutiefst abgelehnt", erinnerte er sich. Er musste hart für seinen Imagewandel arbeiten und nutzte dafür auch die Dutzenden Talkshow-Auftritte, zu denen er eingeladen wurde. So konnte er schließlich in Leben Nummer sechs starten: Als einer von der Bevölkerung, der politischen Klasse und den Medien akzeptierter Politiker. "Das ist deutlich angenehmer als das fünfte Leben", sagte er. Nun warte er auf das siebte Leben, in dem er wild entschlossen sei, das Alter zu genießen. "Ich weiß nur noch nicht, wann es beginnt."

Denn zwischen Jetzt und Dann hat Gregor Gysi noch viel zu tun und noch mehr sagen - über das Gesundheitsbewusstsein beispielsweise. So würde es ihm nie in den Sinn kommen, auf Fleisch zu verzichten. "Als die Menschen noch Pflanzenfresser waren, war ihr Gehirn so groß wie das eines Schimpansen", erklärte der Politiker. Mit dieser Tatsache konfrontiere er auch gelegentlich Vegetarier, wie etwa die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping.

Wie nah er dem Geflügel tatsächlich steht, erfuhren die Gäste, als der Autor über seinen Ur-Ur-Ur-Großvater sprach, der nämlich Begründer der deutschen Rassegeflügelzucht in Görlitz war. Und auch die Liebe zur Literatur scheint familiär bedingt zu sein: Die Tante von Gregor Gysi, die britische Schriftstellerin Doris Lessing, erhielt 2007 den Literaturnobelpreis. Im Interview verriet der Politiker damals: "Ich bin immer stolz auf Leistungen, bei denen mein Anteil bei null liegt." at

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